Kreislaufwirtschaft: Apfelrückstände als neue Quelle für Nutrazeutika
Ein Zusatzstoff für Weizenmehl, der den Ballaststoffgehalt von Brot erhöht, und ein antioxidierendes Nahrungsergänzungsmittel: Diese beiden Produkte können dank der Forschung im Labor Micro4Food aus Rückständen der apfelverarbeitenden Industrie gewonnen werden. Die beiden innovativen Nutrazeutika wurden im den Labors der Freien Universität Bozen (Südtirol/Italien) vom Forschungsteam der Lebensmittelmikrobiologin Raffaella Di Cagno entwickelt.
In Silos mit Rückständen der industriellen Apfelverarbeitung eröffnet sich ein neues Potenzial zur Produktion von nachhaltigen, natürlichen und günstigen funktionellen Nahrungsmitteln. Treibende Kraft dahinter sind die Forschenden des Micro4Food Lab unter Leitung von Prof. Raffaella Di Cagno und Prof. Marco Gobbetti, Mikrobiologen und Dozenten an der Fakultät für Naturwissenschaften und Technik, die sich auf Fermentationsprozesse im Lebensmittelbereich spezialisiert haben.
In zwei Forschungsprojekten, die kürzlich in den Fachpublikationen Food Chemistry und Frontiers in Microbiology publiziert wurden, gelang es Prof. Di Cagno mit ihrem Team dank Fermentationsprozessen zwei neue und vielversprechende Produkte auf Basis von Apfelrückständen – vor allem Fruchtfleisch und Schalen – zu entwickeln, die sowohl für die gesamte nutrazeutische Industrie wie auch für die Backwarenerzeugung interessant sein können.
Es handelt sich einerseits um ein Pulver, das Weizenmehl zugesetzt wird, um ein reichhaltigeres Brot mit mehr Ballaststoffen zu produzieren und anderseits um ein Nahrungsergänzungsmittel, das ebenfalls reich an Ballaststoffen und phenolischen Verbindungen ist und somit antioxidative und entzündungshemmende Eigenschaften hat.
Zusammenarbeit mit Strudelhersteller Pan
Die Produktinnovation wurde im Rahmen einer Forschungskooperation zwischen dem Labor der Freien Universität Bozen und dem Südtiroler Lebensmittelproduzenten und bekannten Strudelhersteller Pan Tiefkühlprodukte GmbH entwickelt. Im Mittelpunkt beider Forschungsprojekte, an denen parallel vom Forschungsteam des Labors gearbeitet wurde, steht ein Produkt, bei dessen Anbau Südtirol unangefochtene Nummer Eins in Italien ist: der Apfel.
Bei der industriellen Verarbeitung von Obst und Gemüse fallen derzeit Rückstände in Form von Schalen, dem Kerngehäuse und Trestern an. Prof. Di Cagno ging in einem ersten Schritt daran, die in Silos gelagerte Biomasse chemisch und mikrobiologisch zu bestimmen, um die Möglichkeit einer alternativen Nutzung für die Lebensmittelindustrie neben der Herstellung von Fruchtsäften zu bewerten. „Im Rahmen unserer Forschungstätigkeit haben wir natürliche Verfahren entwickelt, die auf Prozessen mit geringer Umweltbelastung wie der Fermentation beruhen“, erklärt Di Cagno. „Es entstanden zwei Forschungslinien, beide basierend auf dem Wunsch, einem im Überfluss vorhandenen Abfallprodukt Wertigkeit zu verleihen und es wieder in den Produktionszyklus zurückzuführen.“
Zusatzstoff für nährstoffhaltigeres und länger haltbares Brot
Das erste Forschungsfeld führte zur Entwicklung eines Zusatzstoffes für Weizenmehl, der es ermöglicht, Brot mit höherem Nährstoffgehalt und längerer Haltbarkeit herzustellen. Gewonnen wird er aus der Vergärung von Fruchtabfällen mit Milchsäurebakterien, die teilweise aus Mikroorgansimen im Labor, teilweise aus den Apfelrückständen selbst stammen, was dem gesamten Prozess einen noch höheren Mehrwert verleiht, da damit der Fermentationsprozess effizienter wird.
Nach dem Vergärungsprozess wird das Fruchtfleisch der Rückstände getrocknet, um daraus ein Pulver zu gewinnen, der Zusatzstoff, der dem Weizenmehl beigemengt wird. Das ballaststoffreiche Pulver ist für den Lebensmittelsektor von großem Interesse, da man dort konstant nach Möglichkeiten sucht, den Nährstoffgehalt der eigenen Produkte zu verbessern. Bereits in der Vergangenheit war versucht worden, Backwaren durch die Verwendung von Rückständen aus der Obst- oder Gemüseverarbeitung anzureichern, doch die Ergebnisse waren ernüchternd: sowohl bei der sensorischen wie bei der rheologischen Beurteilung wurde eine Verschlechterung festgestellt. Der Zusatzstoff, der von der unibz entwickelt wurde, hat dagegen bei einer Beimischung im Ausmaß zwischen 5 und 10% weder einen Einfluss auf die Struktur noch auf die Farbe des Brotes.
Neben dem Mehrwert an Ballaststoffen weist das Brot, das in den Pilotanlagen des NOI Techpark mit der fermentierten Mischung produziert wurde, gegenüber herkömmlichen Vergleichsprodukten ein ausgeprägteres Aroma sowie eine bessere Viskosität des Teigs auf und ist weniger anfällig für Schimmelpilzbefall und für ein Austrocknen. Die Verlängerung der Haltbarkeit wird ohne chemische Konservierungsstoffe erreicht. Ausschlaggebend ist vielmehr das zugesetzte fermentierte Pulver, das Feuchtigkeit bindet und so dazu beiträgt, dass das Brot länger weich bleibt.
Nahrungsergänzung zur Eindämmung von oxidativen Prozessen
Im Rahmen des zweiten Forschungsprojekts entwickelte das Team des Micro4Food Lab ein Nahrungsergänzungsmittel, das sowohl in Tabletten- oder Pulverform hergestellt werden kann. Nach dem Fermentationsprozess weist der Extrakt eine ausgeprägte Bioverfügbarkeit von Faserstoffen und phenolischen Verbindungen auf, die durch die Vergärung mit Milchbakterien entstehen. Letztere haben starke entzündungshemmende Eigenschaften und können sogenannte freie Radikale neutralisieren, die für menschliche Zellen schädlich sind.
„Um die Wirksamkeit dieses Nahrungsergänzungsmittels zu überprüfen, haben wir mehrere Tests an einer spezifischen menschlichen Zelllinie durchgeführt, einem der am häufigsten verwendeten In-vitro-Modelle zur Imitation der Darmschleimhaut. Wir konnten dabei belegen, dass die bei der Fermentation entstandenen phenolischen Verbindungen Entzündungsprozessen und den Auswirkungen von oxidativem Stress in den Zellen entgegenwirken und die Integrität der Darmschleimhaut erhalten“, sagt Mikrobiologin Di Cagno. „Als nächsten Schritt möchten wir nun testen, wie das Nahrungsergänzungsmittel auf Regenerationsprozesse der Epidermis wirkt.“
Anbei: Bilder der Apfelrückstände sowie ein Foto von Prof. Raffaella Di Cagno
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Raffaella Di Cagno – raffaella.dicagno@unibz.it
Originalpublikation:
https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fmicb.2019.02574/full
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