Künstliche Intelligenz hilft bei Leukämie-Diagnose

Knochenmarkausstrich eines AML-Patienten. Die neu entwickelte Analysesoftware erkennt eine bestimmte genetische Mutation anhand äußerer Zellmerkmale (dunkelgrüne Färbung).
(c) MK1 / Uniklinikum Dresden

Forschende am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC), des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden und der TU Dresden haben erstmals ein auf Künstlicher Intelligenz (KI) basierendes Computersystem entwickelt, das bei der Erstdiagnose einer akuten myeloischen Leukämie (AML) hoch präzise unterstützen kann. Darüber hinaus lässt sich damit in den allermeisten Fällen eine für die Erkrankung wichtige Mutation entdecken. Grundlage des Systems sind künstliche neuronale Netze, welche die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit digitalen Bilddaten von Knochenmarkausstrichen trainierten.

Die KI-basierte Analysesoftware soll Ärztinnen und Ärzte künftig bei der Diagnosestellung im medizinischen Alltag unterstützen. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden im Fachmagazin Leukemia (doi10.1038/s41375-021-01408) veröffentlicht.

Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden, der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden und des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR).

Die akute myeloische Leukämie (AML) ist die häufigste Form einer schnell fortschreitenden Blutkrebserkrankung in Deutschland. Unbehandelt führt sie unweigerlich zum Tod und selbst mit modernsten Therapien gelingt eine Heilung nur bei einer Minderheit der Betroffenen. Eine präzise Diagnostik und ein zeitnaher Beginn der bestmöglichen Therapie sind daher äußerst wichtig. Einen schnellen Überblick bei Verdacht auf eine AML bietet die Analyse eines Knochenmarkausstrichs. „Die Bewertung der mikroskopischen Bilder ist jedoch hoch komplex und bislang in hohem Maße von der Erfahrung des jeweiligen Arztes oder der Ärztin abhängig. Unsere Arbeit zeigt, dass Künstliche Intelligenz in der Lage ist, die Experten bei ihrer schwierigen Aufgabe durch einen rein datenbasierten, objektiven Befund zu unterstützen“, erklärt Prof. Martin Bornhäuser, Mitglied im geschäftsführenden Direktorium des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) und Direktor der Medizinischen Klinik I des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden.

So haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am NCT/UCC, des Dresdner Uniklinikums, der TU Dresden und am Mildred-Scheel-Nachwuchszentrum mit Unterstützung des Else Kröner Fresenius Zentrums (EKFZ) für Digitale Gesundheit erstmals ein KI-basiertes Computersystem entwickelt, das den Knochenmarkausstrich eines AML-Patienten mit über 95 Prozent Trennschärfe von der Probe eines gesunden Menschen unterscheiden kann.

Die Forschenden nutzten hierfür künstliche neuronale Netze, die als Teilgebiet der künstlichen Intelligenz die Fähigkeit des Menschen nachahmen, anhand von Beispielen zu lernen. Für das Training der neuronalen Netze sind große Datenmengen nötig. Im vorliegenden Fall lernte das System anhand von digitalisierten Bilddaten von Knochenmarkausstrichen von 1.251 AML-Patienten und 236 gesunden Knochenmarkspendern zunächst Zellen zu erkennen und voneinander abzugrenzen. Über 90.000 Einzelzellen umrandeten Expertinnen und Experten händisch als Grundlage für den maschinellen Lernprozess. Anschließend wurde der Computer darauf trainiert, verschiedene Zelltypen und -eigenschaften zu unterscheiden. „Künstliche neuronale Netze sind in der Lage, eine Vielzahl von Merkmalen sehr schnell zu analysieren und zu quantifizieren. Auf dieser Basis kann unser System sehr präzise Ausstriche von AML-Erkrankten und gesunden Probanden unterscheiden“, erklärt Dr. Karsten Wendt vom Institut für Software und Multimediatechnik der TU Dresden.

Künstliche Intelligenz erkennt Mutation anhand von Bildmerkmalen

Die Software ist zudem in der Lage, anhand äußerer Zellmerkmale eine bestimmte genetische Veränderung – eine Mutation des Gens Nucleosphosmin (NPM1) – mit einer Genauigkeit von über 85 Prozent zu erkennen. Die bei rund einem Viertel der erwachsenen AML-Patientinnen und -Patienten vorliegende Mutation ist mit einer vergleichsweise guten Prognose verbunden und wichtig für die Auswahl der geeigneten Therapie. „Wir konnten zeigen, dass die KI-basierte Analysesoftware für das Erkennen der Mutation bislang unbekannte morphologische Merkmale nutzt, die auch Hinweise auf noch unerforschte Zusammenhänge in der Zellbiologie bieten“, sagt Co-Projektleiter Dr. Jan-Niklas Eckardt. Trotz der hervorragenden Ergebnisse soll das System die Einschätzung durch Spezialistinnen und Spezialisten in Zukunft nicht ersetzen, sondern diese bei einer schnellen Erstdiagnose sinnvoll unterstützen. Auch zusätzliche zeitintensivere Verfahren wie die genetische Analyse bleiben künftig bei der abschließenden Diagnose einer AML unerlässlich.

Um die neu entwickelte Softwarelösung nutzen zu können, müssen Labortechnikerinnen und -techniker oder Ärztinnen und Ärzte lediglich relevante Bildbereiche aus den Knochenmarkausstrichen auswählen und diese in digitalisierter Form in das System einspeisen. „Alle weiteren Analyseschritte wie die Kategorisierung und das Auszählen von Zellen, die in den vergangenen 50 Jahren per Hand vorgenommen wurden, erfolgen voll automatisch“, erklärt Dr. Jan Moritz Middeke, gemeinsam mit Dr. Karsten Wendt Leiter der Arbeitsgruppe. Der technologische Ansatz ist für viele weitere bildbasierte Untersuchungsmethoden anwendbar und soll intensiv ausgebaut werden.

Veröffentlichung:
Eckardt, JN., Middeke, J.M., Riechert, S. et al. Deep learning detects acute myeloid leukemia and predicts NPM1 mutation status from bone marrow smears. Leukemia (2021). https://doi.org/10.1038/s41375-021-01408-w

Zur Mitteilung steht ein Bild in druckfähiger Auflösung zur Verfügung:
https://www.nct-dresden.de/fileadmin/media/nct-dresden/das-nct/newsroom/pressemi…
BU: Knochenmarkausstrich eines AML-Patienten. Die neu entwickelte Analysesoftware erkennt eine bestimmte genetische Mutation anhand äußerer Zellmerkmale (dunkelgrüne Färbung). © MK1/Uniklinikum Dresden

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NCT/UCC Dresden
Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden, der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden und des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR).
Das NCT hat es sich zur Aufgabe gemacht, Forschung und Krankenversorgung so eng wie möglich zu verknüpfen. Damit können Krebspatienten an den NCT-Standorten auf dem jeweils neuesten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse behandelt werden. Gleichzeitig erhalten die Wissenschaftler durch die Nähe von Labor und Klinik wichtige Impulse für ihre praxisnahe Forschung. Gemeinsamer Anspruch der NCT-Standorte ist es, das NCT zu einem internationalen Spitzenzentrum der patientennahen Krebsforschung zu entwickeln. Das Dresdner Zentrum baut auf den Strukturen des Universitäts KrebsCentrums Dresden (UCC) auf, das 2003 als eines der ersten Comprehensive Cancer Center (CCC) in Deutschland gegründet wurde. Seit 2007 wurde das UCC von der Deutschen Krebshilfe e.V. (DKH) kontinuierlich als „Onkologisches Spitzenzentrum“ ausgezeichnet.

Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)
Das DKFZ ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können.
Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern.
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden bietet medizinische Betreuung auf höchstem Versorgungsniveau. Als Krankenhaus der Maximalversorgung deckt es das gesamte Spektrum der modernen Medizin ab. Das Universitätsklinikum vereint 20 Kliniken und Polikliniken, vier Institute und zehn interdisziplinäre Zentren, die eng mit den klinischen und theoretischen Instituten der Medizinischen Fakultät zusammenarbeiten.
Mit 1.295 Betten und 160 Plätzen für die tagesklinische Behandlung von Patienten ist das Dresdner Uniklinikum das größte Krankenhaus der Stadt und zugleich das einzige Krankenhaus der Maximalversorgung in Ostsachsen. Rund 860 Ärzte decken das gesamte Spektrum der modernen Medizin ab. 1.860 Schwestern und Pfleger kümmern sich um das Wohl der Patienten. Wichtige Behandlungsschwerpunkte des Uniklinikums sind die Versorgung von Patienten, die an Krebs, an Stoffwechsel- und an neurodegenerativen Erkrankungen.
Deutschlands größter Krankenhausvergleich des Nachrichtenmagazins „Focus“ bescheinigt dem Universitätsklinikum Carl Gustav Dresden eine hervorragende Behandlungsqualität. Die Dresdner Hochschulmedizin belegt deshalb Platz zwei im deutschlandweiten Ranking.

Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden
Die Hochschulmedizin Dresden, bestehend aus der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus und dem gleichnamigen Universitätsklinikum, hat sich in der Forschung auf die Bereiche Onkologie, metabolische sowie neurologische und psychiatrische Erkrankungen spezialisiert. Bei diesen Schwerpunkten sind übergreifend die Themenkomplexe Degeneration und Regeneration, Imaging und Technologieentwicklung, Immunologie und Inflammation sowie Prävention und Versorgungsforschung von besonderem Interesse. Internationaler Austausch ist Voraussetzung für Spitzenforschung – die Hochschulmedizin Dresden lebt diesen Gedanken mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus 73 Nationen sowie zahlreichen Kooperationen mit Forschern und Teams in aller Welt.

Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR)
Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) forscht auf den Gebieten Energie, Gesundheit und Materie. Folgende Fragestellungen stehen hierbei im Fokus:
• Wie nutzt man Energie und Ressourcen effizient, sicher und nachhaltig?
• Wie können Krebserkrankungen besser visualisiert, charakterisiert und wirksam behandelt werden?
• Wie verhalten sich Materie und Materialien unter dem Einfluss hoher Felder und in kleinsten Dimensionen?
Zur Beantwortung dieser wissenschaftlichen Fragen betreibt das HZDR große Infrastrukturen, die auch von externen Messgästen genutzt werden: Ionenstrahlzentrum, Hochfeld-Magnetlabor Dresden und ELBE-Zentrum für Hochleistungs-Strahlenquellen.
Das HZDR ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, hat fünf Standorte (Dresden, Freiberg, Grenoble, Leipzig, Schenefeld bei Hamburg) und beschäftigt knapp 1.200 Mitarbeiter – davon etwa 500 Wissenschaftler inklusive 170 Doktoranden.

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Dr. Anna Kraft Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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