Kugelfischgift aus der Retorte – Totalsynthese von Tetrodotoxin

Tetrodotoxin, enthalten in der japanischen Delikatesse Fugu aus Kugelfisch, erwies sich in klinischen Tests als möglicher Opioid-Ersatz zur Linderung starker Schmerzen bei Krebspatienten. (c) Wiley-VCH

Eine Fugu-Mahlzeit erzeugt zunächst ein leicht prickelndes Gefühl im Mund und kann entspannend bis euphorisierend wirken – vorausgesetzt die Küche weiß, was sie tut. Ist der Fisch falsch zubereitet, kann das böse enden: Tetrodotoxin blockiert die spannungsabhängigen Natrium-Kanäle und damit die Nervenimpulse.

Die Folge sind Lähmungserscheinungen bis zur Atemlähmung. In der EU ist die Einfuhr als Lebensmittel und die Zubereitung von Fugu verboten. In Japan und anderen Ländern reguliert eine Reihe von Gesetzen die Zubereitung und den Verzehr von Kugelfisch-Produkten streng. Dennoch kommt es immer wieder zu Todesfällen.

In sehr geringer Dosis wirkt Tetrodotoxin schmerzlindernd und könnte bei starken Schmerzen, z. B. in der Krebstherapie, Einsatz finden. Umso wichtiger ist es, eine einfache, zuverlässige Syntheseroute zu entwickeln, die Zugang zu Tetrodotoxin und strukturell verwandten Verbindungen gewährt – für Forschungszwecke und später auch für eine robuste und kostengünstige Produktion.

Tetrodotoxin zeigt eine einzigartige hochkomplexe käfigartige Struktur (ein trizyklischer Orthoester) sowie einem zyklischen Guanidin-Baustein. Guanidin ist ein wichtiges Bauelement vieler biologischer Moleküle wie z. B. Arginin. Das Tetrodotoxin-Gerüst ist hoch oxidiert und mit fünf Hydroxyl-Gruppen (–OH) substituiert.

Eine Reihe verschiedener Tetrodotoxin-Totalsynthesen wurde bereits veröffentlicht, darunter eine erste der Forscher um Satoshi Yokoshima von der Universität Nagoya (Japan) 2017. Jetzt stellen Yokoshima und sein Team eine weitere, neuartige Totalsynthese vor.

Schlüsselschritt war eine sogenannte Diels-Alder-Reaktion zwischen einer bekannten Ausgangsverbindung (einem Enon) und einer Silicium-haltigen Komponente (einem Siloxyldien) zu einem trizyklischen Zwischenprodukt mit geeigneter räumlicher (sterischer) Anordnung, um die Hydroxyl-Gruppen räumlich korrekt anknüpfen und später den „Käfig“ konstruieren zu können.

Um die Guanidin-Baugruppe aufzubauen, wurde zunächst eine Aminogruppe eingeführt – entweder in einer konventionellen vierstufigen oder über eine dreistufige Reaktionssequenz auf Basis einer neu entwickelten Umwandlung eines terminalen Alkyns in ein Nitril. Zuletzt wurden in mehreren Schritten die notwendigen Verbrückungen für den „Käfig“ aufgebaut.

Eine sogenannte Kreuzkupplung wurde verwendet, um einen Kohlenstoffsubstituenten (eine Hydroxymethyl-Gruppe an den Käfig anzubauen. Unter Verwendung anderer Komponenten können durch Kreuzkupplungsreaktionen leicht weitere, strukturell verwandte Moleküle synthetisiert werden.

Angewandte Chemie: Presseinfo 04/2020

Autor: Satoshi Yokoshima, Nagoya University (Japan), http://www.ps.nagoya-u.ac.jp/en/teaching_staff/satoshi-yokoshima/

Angewandte Chemie, Postfach 101161, 69451 Weinheim, Germany

https://doi.org/10.1002/ange.201916611

http://presse.angewandte.de

Media Contact

Dr. Karin J. Schmitz Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V.

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (2)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Sensoren für „Ladezustand“ biologischer Zellen

Ein Team um den Pflanzenbiotechnologen Prof. Dr. Markus Schwarzländer von der Universität Münster und den Biochemiker Prof. Dr. Bruce Morgan von der Universität des Saarlandes hat Biosensoren entwickelt, mit denen…

3D-Tumormodelle für Bauchspeicheldrüsenkrebsforschung an der Universität Halle

Organoide, Innovation und Hoffnung

Transformation der Therapie von Bauchspeicheldrüsenkrebs. Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) bleibt eine der schwierigsten Krebsarten, die es zu behandeln gilt, was weltweite Bemühungen zur Erforschung neuer therapeutischer Ansätze anspornt. Eine solche bahnbrechende Initiative…

Leuchtende Zellkerne geben Schlüsselgene preis

Bonner Forscher zeigen, wie Gene, die für Krankheiten relevant sind, leichter identifiziert werden können. Die Identifizierung von Genen, die an der Entstehung von Krankheiten beteiligt sind, ist eine der großen…