Licht ins Dunkel der Eiweiss-Strukturen

Die Eiweisskristallographie ist heuer 50 Jahre alt. Der Nationale Forschungsschwerpunkt (NFS) „Strukturbiologie“ entwickelt die Technik weiter und gewinnt dadurch immer tiefere Einblicke in die Geheimnisse, die in den Details der räumlichen Anordnung verborgen liegen. Die neuen Kenntnisse dienen oftmals der Entwicklung neuer Medikamente.

Eiweisse sind die kleinen Macher in den Zellen. Sie sind nur einige Nanometer gross und deshalb auch unter dem Mikroskop nicht sichtbar. Trotzdem herauszufinden, wie Eiweisse aufgebaut sind, ist sehr aufwändig: Hierfür durchleuchtet man Eiweisskristalle mit Röntgenstrahlen. 1959 ermittelten Max Perutz und John Kendrew zum ersten Mal die räumliche Anordnung eines kleinen Eiweisses namens Myoglobin – und erhielten den Nobelpreis für ihre Pionierleistung.

Inzwischen wagen sich Forschende des NFS „Strukturbiologie“ an die Strukturen von immer grösseren und komplexeren Eiweissen, die sich zum Teil nur sehr schwer kristallisieren lassen. Mit der Verschiebung der Grenzen des technisch Machbaren eröffnen sich immer neue Einsichten in Eiweiss-Strukturen. Dies dürfte letztlich helfen, verbesserte, weil präzise an ihr Ziel-Eiweiss angepasste Medikamente zu entwickeln.

Regelmässigkeit im Kristall
Die Eiweisskristallographen gehen ihre Aufgabe in drei Schritten an. Zuerst züchten sie Kristalle aus Eiweissen. Das Besondere an den Kristallen ist, dass sich hier die Eiweissmoleküle streng in ein immer wiederkehrendes Muster einordnen. In einem zweiten Schritt beschiessen die Forschenden die gezüchteten Kristalle mit Röntgenstrahlen. Diese werden wegen der regelmässigen Anordnung der Eiweissmoleküle im Kristall in besonderer Weise abgelenkt, oder – in der Fachsprache – gebeugt. So registriert eine Kamera hinter dem Kristall das Beugungsmuster der Röntgenstrahlen, das im dritten und letzten Schritt von den Kristallographen gedeutet wird. Aus dem Beugungsbild der Strahlen lassen sich mit mathematischen Verfahren Rückschlüsse auf das Kristallgitter und die räumliche Anordnung der Atome ziehen, aus denen die Eiweisse aufgebaut sind.

Mit dieser Methode hat eine Forschungsgruppe unter der Leitung von Nenad Ban an der ETH Zürich herausgefunden, wie das Eiweiss aufgebaut ist, das bei Säugetieren Fettsäuren herstellt. Ihre Resultate zierten das Titelblatt von „Science“, denn die Struktur dieses wichtigen Moleküls – der so genannten Fettsäure-Synthase – blieb jahrelang im Ungewissen. Dies vor allem wegen der hohen Komplexität des Eiweisses, das sich aus verschiedenen Modulen zusammensetzt.

Neue Waffen im Kampf gegen Krebs
Durch die Aufdeckung der kniffligen räumlichen Struktur der Fettsäure-Synthase hat Timm Maier in Bans Team nun gezeigt, wie die einzelnen Module des Eiweisses zusammenarbeiten. Im verwickelten biochemischen Prozess der Herstellung von Fettsäuren übernimmt jedes Modul einen Schritt. Zusammen funktionieren sie wie ein molekulares Fliessband: Die Fettsäure-Vorstufen gelangen von einem Modul zum nächsten, wo jeweils die gerade anstehende biochemische Reaktion stattfindet.

Schliesslich entstehen so Fettsäuren. Sie sind als Energiespeicher, aber auch als Hauptbestandteil der Zellhülle für alle Lebewesen unerlässlich. In der industrialisierten Welt nehmen Menschen normalerweise mehr als genügend Fettsäuren über die Nahrung auf. Deshalb ist die Fettsäure-Synthase in den allermeisten Geweben nur wenig aktiv. Weil jedoch Tumoren wegen ihres raschen Wachstums vermehrt Fettsäuren brauchen, sind sie auf das Funktionieren dieses bestimmten Eiweisses angewiesen. Dadurch erwächst Molekülen, die die Fettsäure-Synthase gezielt ausser Gefecht setzen – so genannte Inhibitoren oder Hemmer -, eine wichtige Rolle im Kampf gegen den Krebs. Die genaue Kenntnis der Struktur des Eiweisses schafft eine neue Ausgangslage, um neue und noch stärkere, weil präzisere Hemmstoffe zu entwickeln.

Kontakt:
Dr. Timm Maier
Tel.: +41 44 633 31 48 / E-Mail: timm.maier@mol.biol.ethz.ch
Prof. Dr. Nenad Ban
Tel.: +41 44 633 27 85 / E-Mail: ban@mol.biol.ethz.ch
ETH Zürich
Institut für Molekularbiologie und Biophysik
Schafmattstr. 20
CH-8093 Zürich
Fax: +41 44 633 12 46

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