Live-Aufnahmen aus der Petrischale
Dazu müssen die Forscher Proben in bestimmten Zeitabständen aus Kulturen entnehmen und untersuchen. Was zwischen diesen Untersuchungen mit den Zellen passiert, können die Forscher allerdings nur vermuten.
Zudem birgt jede Probennahme die Gefahr, die Zellkultur zu verunreinigen und somit zu verlieren.
Informatiker vom Lehrstuhl Mustererkennung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) entwickeln jetzt gemeinsam mit Forschern vom Lehrstuhl für Bioverfahrenstechnik und Partnern aus der Industrie ein System, das Zellkulturen kontinuierlich online überwacht – ohne, dass der Mensch in die Proben eingreifen muss. Das Forschungsprojekt mit dem Namen COSIR (Combination of Chemical-Optical Sensors with Image Recognition) wird von der Bayerischen Forschungsstiftung für drei Jahre mit 750.000 Euro gefördert.
Das neue System soll Bilder von den Zellkulturen aufnehmen und gleichzeitig über Sensoren Werte wie den Sauerstoffgehalt oder den pH-Wert in der Probe messen. Diese Daten und Bilder werden mit Hilfe von Bildverarbeitungssoftware aufbereitet und ausgewertet, um die Aussagekraft zu erhöhen.
Hilfreich könnte das System bei so genannten Toxizitätstests sein, mit denen untersucht wird, ob bestimmte Stoffe giftig sind. Diese Tests helfen zum Beispiel dabei, die richtigen Dosen für Medikamente zur Chemotherapie festzulegen. Die Forscher setzen eine Zellprobe einem – möglicherweise giftigen – Stoff aus und beobachten, was passiert. „Bisher schauen wir nach einer gewissen Zeit nach, welcher Prozentsatz der Zellen noch am Leben ist – also einen Stoffwechsel besitzt“, erklärt Björn Sommerfeldt vom Lehrstuhl für Bioverfahrenstechnik. „Von dem neuen Gerät erhoffen wir uns Daten, die Rückschlüsse darauf zulassen, wie die Zellen über einen längeren Zeitraum hinweg reagieren. Denn nur, weil eine Zelle nach dieser relativ kurzen Zeit noch stoffwechselaktiv ist, heißt das nicht gleich, dass die Substanz völlig harmlos ist und sich nicht doch irgendetwas in der Zelle geändert hat, was sich zeitverzögert auswirkt.“
Das System könnte Wissenschaftler auch dabei unterstützen, ein Umfeld für Zellkulturen zu schaffen, in dem diese besonders gut wachsen. „Gerade Körperzellen reagieren sehr empfindlich auf Faktoren wie Temperatur, Sauerstoffgehalt, pH-Wert und Nährstoffversorgung“, sagt Sommerfeldt. „Mithilfe des COSIR-Systems könnten wir diese Werte direkter und präziser erfassen und gleichzeitig deren Auswirkungen aufnehmen.“
„Um die erzeugten Bilder automatisiert auswerten zu können, bedarf es einiger Mathematik, damit der Computer lernt, was eine Zelle eigentlich ist und welcher Zustand nun als ,gut‘ zu bewerten ist“, sagt Simone Gaffling, die am Lehrstuhl für Mustererkennung am COSIR-Projekt mitarbeitet. Die Informatiker müssen dabei etliche Herausforderungen bewältigen: Aufgrund der kompakten Bauweise des Systems ist die zu erwartende Bildqualität nicht mit herkömmlichen Mikroskopen aus Zellkulturlaboren zu vergleichen. Um später automatisch und gleichzeitig verlässlich die gewünschten Informationen aus den Bilddaten gewinnen zu können, müssen diese mit Bildverarbeitungsmethoden aufbereitet werden. „Ein trainierter Mensch kann recht einfach erkennen und bewerten, wie verschiedene Zellen aussehen und in welchem Zustand sie sich befinden oder auch, ob sich Fremdkörper in der Probe befinden“, sagt Simone Gaffling. „Dieses breite Expertenwissen wollen wir nun auf ein automatisiertes Programm übertragen.“ Deshalb ist die enge Zusammenarbeit zwischen den Experten der Lehrstühle für Mustererkennung und für Bioverfahrenstechnik sehr wichtig.
Die technische Umsetzung des COSIR-Systems übernimmt die Firma PreSens Precision Sensing GmbH aus Regensburg, die schon mit der Entwicklung von Sensoren auf sich aufmerksam machen konnte. Die Firma AstrumIT aus Erlangen‑Tennenlohe entwickelt die Software für das Gerät, die trotz der Komplexität eine optimale Schnittstelle zum Benutzer schafft. Die Anwendung soll leicht zu bedienen sein und Fehler in der Handhabung verringern.
Die Universität Erlangen-Nürnberg, gegründet 1743, ist mit 29.000 Studierenden, 590 Professorinnen und Professoren sowie 2000 wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte Universität in Nordbayern. Schwerpunkte in Forschung und Lehre liegen an den Schnittstellen von Naturwissenschaften, Technik und Medizin in engem Dialog mit Jura und Theologie sowie den Geistes-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Seit Mai 2008 trägt die Universität das Siegel „familiengerechte Hochschule“.
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