Maßgeschneiderte Metallkomplexe für medizinische Diagnostik und Therapie
Heidelberger Chemiker erforschen Mangan-, Lutetium- und Actinium-Verbindungen für potentielle Anwendungen in der Medizin.
Maßgeschneiderte chemische Komplexe bestimmter Elemente aus der Gruppe der Metalle könnten sich in besonderer Weise für den Einsatz in der medizinischen Bildgebung, aber auch für potentielle Anwendungen in der personalisierten Präzisionsmedizin eignen. Das hat ein Forschungsteam unter Leitung von Prof. Dr. Peter Comba vom Anorganisch-Chemischen Institut der Universität Heidelberg demonstriert.
In ihrer Grundlagenforschung haben die Heidelberger Wissenschaftler mit Mangan-, Lutetium- und Actinium-Ionen gearbeitet. Im Mittelpunkt der Forschungsarbeiten standen dabei Liganden mit einem sogenannten Bispidin-Gerüst. Diese Verbindungen sind extrem starr und können Metall-Ionen stabil und selektiv binden.
In ihrer Arbeit mit Mangan, einem Übergangsmetall mit besonderen Eigenschaften wie der Fähigkeit, in der Magnetresonanztomographie (MRT) den Kontrast zu erhöhen, hat das Forschungsteam drei unterschiedliche Bispidin-Liganden und deren Mangan(II)-Komplexe synthetisiert. Sie weisen Stabilitäten auf, die bis zu zehn Milliarden Mal größer sind als jene für Zink(II), dem wichtigsten „Konkurrenten“ von Mangan(II) in biologischen Systemen. Laut Prof. Comba eignen sich diese Verbindungen besonders gut als Kontrastmittel für MRT, weil sie in tierischen und menschlichen Körpern die Mangan-Ionen nicht gegen Zink-Ionen austauschen.
Bislang werden dafür fast ausschließlich Gadolinium(III)-Substanzen verwendet. In den vergangenen Jahren haben allerdings Sicherheitsbedenken zugenommen, weil freie Gadolinium(III)-Ionen giftig sind, wie der Chemiker erläutert. „Dies trifft zwar auch auf freie Mangan(II)-Ionen zu. Da Mangan im Gegensatz zu Gadolinium für den menschlichen Körper essentiell ist, existieren aber natürliche Mechanismen, die Mangan(II) aus dem Körper entfernen können. Diese Substanzen für klinische Anwendungen weiterzuentwickeln, kann also ein lohnendes Ziel sein“, so Peter Comba. Nach seinen Angaben ist die Qualität erster MRT-Bilder in Mäusen mit einer der in Heidelberg entwickelten Mangan-Komplexe vergleichbar mit den Ergebnissen, die bei Aufnahmen mit einem klinisch erprobten Gadolinium-Kontrastmittel erzielt werden.
Über diese neuen Mangan-selektiven Liganden hinaus hat Dr. Patrick Cieslik auch ein Bispidin-Gerüst entwickelt, das mit den Metallen Lutetium-177 und Actinium-225 sehr stabile Komplexe bildet. Bei diesem Liganden handelt es sich um einen sogenannten bifunktionalen Chelator (BFC), der eine doppelte Funktion besitzt und somit Teil eines modularen Systems ist. Zum einen kann ein BFC ein radioaktives Metall-Ion binden, zum anderen lässt er sich an einen biologischen Vektor wie beispielsweise einen Antikörper koppeln, um spezifische Moleküle oder Gewebe im Körper aufzuspüren. In diesem Fall wurde der BFC an ein Peptid gekoppelt, das im Körper Tumorzellen finden kann.
Ein solcher chemischer Komplex – auch Konjugat genannt – kann mit Radionukliden markiert werden, die in der Bildgebung oder in der Therapie von Bedeutung sind. „Wir konnten zeigen, dass unsere Konjugate mit den medizinisch wichtigen Radionukliden Lutetium-177 und Actinium-225 ähnlich gute Eigenschaften aufweisen wie Konjugate mit DOTA, einem bifunktionalen Chelator, der bereits klinisch angewendet wird“, erläutert Dr. Cieslik, der für seine Doktorarbeit im Team von Prof. Comba geforscht hat. „Der wesentliche Vorteil des von uns entwickelten BFC ist, dass er im Gegensatz zu den DOTA-Systemen sehr schnell und unter milden Bedingungen mit radioaktiven Metall-Ionen markiert werden kann. Damit lassen sich Konjugate mit sehr empfindlichen Antikörpern verwenden, wie sie für die personalisierte Medizin im Rahmen von Diagnose und Therapie relevant sein könnten“, so Patrick Cieslik.
Die Forschungsergebnisse wurden in zwei Papern im „Journal of the American Chemical Society“ veröffentlicht. An den Forschungsarbeiten waren neben dem Heidelberger Team auch weitere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland und Frankreich beteiligt. Gefördert wurden die Arbeiten von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Max Planck School Matter to Life.
Kontakt:
Kommunikation und Marketing
Pressestelle
Tel. +49 6221 54-2311
presse@rektorat.uni-heidelberg.de
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Peter Comba
Anorganisch-Chemisches Institut
Telefon (06221) 54-8453
Peter.Comba@aci.uni-heidelberg.de
Originalpublikation:
D. Ndiaye, P. Cieslik, H. Wadepohl, A. Pallier, S. Meme, P. Comba, E. Toth: Mn2+ Bispidine Complex Combining Exceptional Stability, Inertness, and MRI Efficiency, J. Am. Chem. Soc., 2022, 144, 22212-22220. DOI: 10.1021/jacs.2c10108
P. Cieslik, M. Kubeil, K. Zarschler, K. Anger, F. Brandt, M. Ullrich, H. Wadepohl, J. Pietzsch, H. Stephan, P. Comba: Toward personalized medicine: one chelator for imaging and therapy with lutetium-177 and actinium-225, J. Am. Chem. Soc., 2022, 144, 21555-21567. DOI: 10.1021/jacs.2c08438
Weitere Informationen:
https://www.uni-heidelberg.de/fakultaeten/chemgeo/aci/comba/
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie
Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.
Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.
Neueste Beiträge
Spitzenforschung in der Bioprozesstechnik
Das IMC Krems University of Applied Sciences (IMC Krems) hat sich im Bereich Bioprocess Engineering (Bioprozess- oder Prozesstechnik) als Institution mit herausragender Expertise im Bereich Fermentationstechnologie etabliert. Unter der Leitung…
Datensammler am Meeresgrund
Neuer Messknoten vor Boknis Eck wurde heute installiert. In der Eckernförder Bucht, knapp zwei Kilometer vor der Küste, befindet sich eine der ältesten marinen Zeitserienstationen weltweit: Boknis Eck. Seit 1957…
Rotorblätter für Mega-Windkraftanlagen optimiert
Ein internationales Forschungsteam an der Fachhochschule (FH) Kiel hat die aerodynamischen Profile von Rotorblättern von Mega-Windkraftanlagen optimiert. Hierfür analysierte das Team den Übergangsbereich von Rotorblättern direkt an der Rotornabe, der…