Mehltau in der Sackgasse

Die Abbildung zeigt einen Ausschnitt eines Mehltau-infizierten Gerste-Blattes. Die weißlichen Pilz-Kolonien auf der Blattoberfläche stellen die typischen Krankheitssymptome dieser weitverbreiteten Pflanzen-Krankheit dar. Bild: Anja Reinstädler / MPI für Pflanzenzüchtungsforschung<br>

Die Größe eines Erbguts sagt nichts über die Reichhaltigkeit der darin enthaltenen genetischen Information aus. Ein Beispiel dafür ist der Echte Mehltau, der ganze Ernten durch feine Pilzfäden vernichtet. Der Pflanzenschädling hat zwar annähernd 120 Millionen Basenpaare und damit eines der größten Genome unter den Schlauchpilzen, aber mit nur knapp 6.000 weitaus weniger Gene. Viele Gene, die für einen unabhängigen Stoffwechsel nötig sind und die andere Pilze noch besitzen, sind ihm abhanden gekommen. Genetisch gesehen steckt der Mehltau damit in einer Sackgasse der Evolution, aus der er sich auch nicht mehr befreien kann. (Science, 10. Dezember 2010)

Dass Mehltau während der Evolution einen Großteil seiner genetischen Komplexität eingebüßt hat, haben Ralph Panstruga vom Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln und Kollegen eines internationalen Konsortiums durch den Vergleich von Pilzgenomen herausgefunden. Die beträchtliche Genomgröße des Mehltaus geht im Wesentlichen auf sogenannte „springende Gene“ zurück. Sie bringen neue Sequenzen ins Genom ein und mischen das Erbgut immer wieder auf, indem sie sich ein- und ausbauen und dabei Fehler machen. Durch diese Umwälzungen hat der Mehltaupilz zwar eine beträchtliche Zahl an neuen Basenpaaren hinzugewonnen, gleichzeitig aber auch viele Gene verloren, weil deren Leseraster durch den Einbau des springenden Gens unterbrochen wurde.

Wie das internationale Konsortium zeigen konnte, fehlen dem Pflanzenschädling 99 Gene für eine unabhängige Lebensweise, die die Bäckerhefe, die ebenfalls zu den Schlauchpilzen zählt, noch besitzt. Dadurch kann der Mehltaupilz weder Stickstoff fixieren, noch Energie aus einer Gärung gewinnen oder bestimmte Stoffwechselprodukte aus anorganischen Verbindungen herstellen. Als Parasit braucht der Mehltaupilz diese Syntheseleistungen allerdings auch nicht mehr. Er holt sich alles, was nötig ist, von der Wirtspflanze. Panstruga: „Er kann auf diese Gene verzichten. Allerdings zu dem Preis, dass er auf eine einzige Lebensform festgelegt ist, den Parasitismus. Es gibt keinen Weg mehr zurück zu einer unabhängigen Lebensweise. Das besagt auch das Dollo Gesetz: Verloren gegangene genetische Komplexität kann nicht zurückgewonnen werden. Ausgestorbene Arten können daher auch nicht mehr aus den vorhandenen Genomen neu erfunden werden.“

Dem Mehltaupilz fehlen auch viele Gene für den Angriff auf die Pflanzenzelle. Er produziert zum Beispiel nur ein paar Transportproteine. Andere Pflanzenschädlinge stellen eine ganze Kollektion her. Sie schleusen damit Gifte in die Pflanzenzelle ein oder pumpen die Proteine der pflanzlichen Abwehr nach draußen, so dass sie ihnen nicht mehr gefährlich werden können. Der Mehltaupilz bildet auch kaum Enzyme, mit denen die pflanzliche Zellwand durchlöchert und passierbar gemacht werden kann. Panstruga: „Dem Mehltau fehlt offensichtlich die genetische Ausstattung für den groben Angriff auf die Pflanzenzelle. Seine Strategie ist die des leisen Zutritts. Er versucht, dem pflanzlichen Immunsystem keine Gelegenheit für eine Abwehrreaktion zu geben. Auch das passt zu seiner parasitischen Lebensweise. Der Mehltaupilz hat kein Interesse am Untergang der Wirtspflanze. Ihm geht es um die subtile und nachhaltige Unterwerfung seines Wirtes.“

Für diese Unterwerfung verwendet der Gersten-Mehltau gerade einmal vier Prozent seiner genetischen Ausstattung. Die Kölner Wissenschaftler haben nur 248 Gene identifiziert, die für eine solche Aufgabe in Frage kommen. Der Vergleich mit anderen Mehltau-Arten – etwa der von Erbse oder Arabidopsis – hat gezeigt, dass sich die drei Arten nur sieben dieser Gene teilen. Alle anderen sind auf den Gesten-Mehltau beschränkt. Diese Exklusivität zeigt, dass sich die genetische Ausstattung für das Parasitendasein in enger Anlehnung an die jeweilige Wirtspflanze entwickelt hat. Die übrigen Mehltau-Arten haben offensichtlich andere genetische Lösungen gefunden.

Originalveröffentlichung:

Spanu PD et al.
Genome expansion and gene loss in powdery mildew fungi reveal functional tradeoffs in extreme parasitism

Science, 10. Dezember 2010

Weitere Informationen erhalten Sie von:

Dr. Ralph Panstruga
Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung, Köln
Tel.: +49 221 5062-316
E-Mail: panstrug@mpiz-koeln.mpg.de

Media Contact

Barbara Abrell Max-Planck-Gesellschaft

Weitere Informationen:

http://www.mpg.de

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