Mehr als nur Sauerstoff

Der Endosymbiont und sein Wirt, ein Wimpertierchen.
(c) Soeren Ahmerkamp / Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie

Vielfalt und Stoffwechsel globaler Endosymbionten.

Bremer Forschende finden in Gewässern weltweit erstaunliche, an Mitochondrien erinnernde Symbionten, und enthüllen deren erstaunliche Stoffwechselleistungen. Ihre Ergebnisse sind jetzt in Nature Communications erschienen.

Im Jahr 2021 berichteten Forschende des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen über eine erstaunliche neue Art von Symbiose: Sie fanden ein einzigartiges Bakterium, das in einem Ciliaten, einem einzelligen Eukaryoten, lebt und ihn mit Energie versorgt. Die Rolle des Symbionten erinnert damit stark an die von Mitochondrien, mit dem entscheidenden Unterschied, dass der Endosymbiont seine Energie nicht aus Sauerstoff, sondern aus Nitrat gewinnt.

Grundwasserbeprobung im Hainich.
Grundwasserbeprobung im Hainich. (c) Linus Zeller / Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie

Die Bremer Forschenden wollten nun mehr darüber herausfinden, wie verbreitet und vielfältig dieser besondere Symbiont in der Umwelt ist. „Zuerst haben wir den Symbionten in einem See entdeckt. Nun haben wir uns gefragt, wie häufig diese Organismen in der Natur vorkommen“, sagt Jana Milucka vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie. „Sind sie extrem selten und deshalb so lange unentdeckt geblieben? Oder gibt es sie auch anderswo, und wenn ja, wie sieht ihr Stoffwechsel aus?“

Ein Weltbürger

Zunächst durchforsteten die Forschenden große öffentliche Sequenzierdatenbanken, die Unmengen genetischer Daten aus allen möglichen Umweltproben enthalten, nach molekularen Spuren des Symbionten. Und tatsächlich wurden sie in rund 1000 verschiedenen Datensätzen fündig. „Wir waren überrascht, wie weit sie verbreitet sind. Wir haben sie auf allen bewohnten Kontinenten gefunden“, erklärt Milucka. „Außerdem haben wir so gemerkt, dass sie nicht nur in Seen und anderen Süßgewässern, sondern auch im Grundwasser und sogar im Abwasser leben können.“

Familientreffen mit neuen Tricks

In den Datensätzen entdeckten die Forschenden nicht nur den ursprünglichen Symbionten, sondern auch einige weitere nahe Verwandte. „Am Ende konnten wir vier neue Arten identifizieren, von denen zwei sogar eine neue Gattung bilden. Da diese neue Gattung von Symbionten wahrscheinlich eine ähnliche Rolle spielt wie der ursprünglich entdeckte Azoamicus (der Name bedeutet „Stickstofffreund“), haben wir die neue Gattung Azosocius („Stickstoffpartner“) genannt“, erklärt Daan Speth, der Erstautor der Studie. „Wie es der Zufall will, wurde eine der neuen Azosocius-Arten unweit von Bremen in einer Grundwasserprobe im Hainich, einem Höhenzug in Thüringen, gefunden.“

Nun wollten die Forschenden das Leben der neuen Arten genauer untersuchen. Dank der Zusammenarbeit mit Kirsten Küsel und Will Overholt von der Friedrich-Schiller-Universität Jena, die die Proben aus dem Hainich ursprünglich gesammelt hatten, erhielten sie Zugang zu den Probenahmestellen und zu Metatranskriptomdaten, also Daten, die die Genexpression in einer Probe beschreiben und Rückschlüsse auf die mikrobielle Aktivität zulassen. „Dabei erlebten wir eine weitere Überraschung: Diese Atmungssymbionten beherrschen ganz neue Tricks“, sagt Speth. Im Gegensatz zu den ursprünglichen Symbiontenarten, die nur anaerob (also denitrifizierend) atmen können, kodieren alle neuen Symbiontenarten eine so genannte terminale Oxidase – ein Enzym, mit dem sie neben Stickstoff auch Sauerstoff veratmen können. „Das könnte erklären, warum wir diese Symbionten auch in ganz oder teilweise sauerstoffhaltigen Umgebungen finden“.

Evolutionäre und ökologische Bedeutung

Mit den jetzt in der Fachzeitschrift Nature Communications vorgestellten Ergebnissen beantworten die Forschenden offene Fragen zur Verbreitung des Symbionten. „Dank der Entdeckung der neuen Art können wir nun auch anfangen, mehr über ihre Evolution nachzudenken“, blickt Milucka in die Zukunft. „Wir können hoffentlich besser verstehen, wie solche nützlichen Symbiosen entstehen und wie sie sich im Laufe der Zeit verändern.“ Darüber hinaus hat ihre Forschung auch eine ökologische Bedeutung: Durch die Denitrifikation beeinflussen diese Symbiosen den Stickstoffkreislauf in ihrem Lebensraum und können Nährstoffe, wie Stickoxide, abbauen und Treibhausgase, wie Lachgas, produzieren“, ergänzt Speth.

Und dann ist da noch die pure Begeisterung für die Wunderwelt der Mikroben. „Diese Lebewesen sind ein Wunderwerk der Natur“, schwärmt Milucka. „Protisten zeigen so erstaunliche Stoffwechselinnovationen, oft auch, weil sie sich so gerne mit Prokaryoten verbinden. Das finde ich einfach faszinierend. Wenn es darum geht, die Evolution der Eukaryoten zu verstehen, sind diese Organismen ein wichtiger Teil des Puzzles.“

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Jana Milucka
Forschungsgruppe Treibhausgase, Abteilung Biogeochemie
Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen
Telefon: +49 421 2028-6340
E-Mail: jmilucka@mpi-bremen.de

Originalpublikation:

Daan R. Speth, Linus M. Zeller, Jon S. Graf, Will A. Overholt, Kirsten Küsel & Jana Milucka (2024): Genetic potential for aerobic respiration and denitrification in globally distributed respiratory endosymbionts. Nature Communications. Published online 08 November 2024.
DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-024-54047-x

Weitere Informationen:

https://mpi-bremen.de/Page6372.html

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Dr. Fanni Aspetsberger Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie

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