Mikroalge Stylodinium – ein geheimnisvoller Unbekannter aus dem Moor

Lebendbild eines Stylodinium aus den Seeoner Torfstichen. © Corinna Romeikat

Die Alge des Jahres 2022 …

LMU-Biologe Marc Gottschling untersucht die Panzergeißler seit Langem. Einer ihrer bemerkenswertesten Vertreter wird jetzt zur Alge des Jahres 2022 gewählt.

  • Die Mikroalge Stylodinium wird auf Vorschlag von LMU- und AWI-Forschern von der Sektion Phykologie in der Deutschen Botanischen Gesellschaft zur Alge des Jahres 2022 gewählt.
  • Die Alge lebt vor allem als Aufsitzer auf anderen Algen, an die sie sich mit einem Stiel heftet.
  • Der Einzeller ist auch im Plankton bayerischer Moorseen zu finden.

Algenforscherinnen und Algenforscher in der Deutschen Botanischen Gesellschaft haben auf Vorschlag des LMU-Biologen Marc Gottschling und seiner Kollegen vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) Bremerhaven die Mikroalge Stylodinium zur Alge des Jahres 2022 gewählt. Das Besondere an Stylodinium: Der Einzeller lebt meist als Aufsitzeralge und siedelt auf vielzelligen Algen.

Dafür hat die Mikroalge einen eigentümlichen Mechanismus ausgebildet, um an den Trägerorganismus anzukoppeln, erklärt Prof. Marc Gottschling: „Sie sondert eine Art Klebstoff ab, mit dem sie auf der Oberfläche des Trägers anhaftet. Durch eine anschließende Rückwärtsbewegung bildet sich ein kleiner, starrer Stiel aus – Stylodinium wird so zur ´Aufsitzeralge`.“ Trotz dieser ungewöhnlichen Lebensweise ist wissenschaftlich bislang äußerst wenig über die Alge bekannt. Dabei kann man sie auch vor der Haustür finden, in Moorseen Oberbayerns oder anderen Regionen Deutschlands.

Die Vielfalt der Panzergeißler

Stylodinium gehört zu den sogenannten Panzergeißlern oder Dinophyta. Gottschling erforscht diese Einzeller-Gruppe und ihre besonderen Charakteristika seit Jahren in enger Kooperation mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des AWI.

Panzergeißler haben einen eigenwilligen Aufbau. In der im Wasser frei umherschweifenden Form ist die Zelle in eine Oberschale und eine Unterschale aus Zelluloseplatten gegliedert. Die beiden Hälften sind in der Mitte durch eine gürtelartige Furche getrennt, in der eine der beiden Geißeln (auch Flagellen genannt) verläuft. Diese Quergeißel ist ein Steuerungsorgan, das der Orientierung im Raum dient. Eine zweite Geißel ermöglicht der Zelle den Schub und das Fortkommen im Wasser.

Neben der im Plankton anzutreffenden, freilebenden Form bilden viele Arten von Panzergeißlern auch unbewegliche Zellen ohne Geißeln aus. Diese können sich in ihrer Gestalt deutlich von den beweglichen Zellen unterscheiden. Häufig dienen die unbeweglichen Zellen der Überdauerung ungünstiger Umweltverhältnisse, wie es die Wintermonate in Mittel- und Nordeuropa sind. Auch Stylodinium zeigt diese Zweigestaltigkeit: Die unbewegliche Phase ohne Geißeln scheint zwar zu dominieren, daneben wurden aber selten auch bewegliche Zellen mit Geißeln beobachtet. Die genaue Funktion der unbeweglichen Zellen von Stylodinium ist noch unbekannt. Der Überdauerung dienen sie aber wohl nicht, da sie auch im Sommer gebildet werden.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Marc Gottschling
Fakultät Biologie
Systematik, Biodiversität und Evolution der Pflanzen
Tel.: ++49 – 89 – 17861 271
gottschling@biologie.uni-muenchen.de
https://www.en.sysbot.bio.lmu.de/research/res-gr-prof-gottschling/index.html

https://www.lmu.de/de/newsroom/newsuebersicht/news/alge-des-jahres.html

Media Contact

LMU Stabsstelle Kommunikation und Presse
Ludwig-Maximilians-Universität München

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Größte bisher bekannte magnetische Anisotropie eines Moleküls gemessen

An der Berliner Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II ist es gelungen, die größte magnetische Anisotropie eines einzelnen Moleküls zu bestimmen, die jemals experimentell gemessen wurde. Je größer diese Anisotropie ist, desto besser…

Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean

20 Jahre nach der Tsunami-Katastrophe… Dank des unter Federführung des GFZ von 2005 bis 2008 entwickelten Frühwarnsystems GITEWS ist heute nicht nur der Indische Ozean besser auf solche Naturgefahren vorbereitet….

Resistente Bakterien in der Ostsee

Greifswalder Publikation in npj Clean Water. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) hat die Verbreitung und Eigenschaften von antibiotikaresistenten Bakterien in der Ostsee untersucht. Die Ergebnisse ihrer Arbeit…