Modelsystem Insel – der Anpassung auf der Spur

Arabidopsis thaliana Pflanze, die auf den Kapverdischen Inseln wächst.
(c) Angela Hancock, Andrea Fulgione

Wildpopulationen der Modellpflanze Arabidopsis thaliana von den Kapverdischen Inseln geben Aufschluss über die Mechanismen der Anpassung nach abrupten Umweltveränderungen.

Seit Darwin sind Inselpopulationen für unser Verständnis der Evolution von zentraler Bedeutung. Nun hat ein internationales Team von Forschenden unter der Leitung von Dr. Angela Hancock vom Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln Wildpopulationen der Ackerschmalwand von den Kapverdischen Inseln genutzt, um die molekularen Veränderungen zu identifizieren, die den Erfolg in einem von Trockenheit geprägten Umfeld ermöglichen.

Die Ergebnisse, die jetzt in Nature Communications veröffentlicht wurden, haben weitreichende Auswirkungen auf die Pflanzenzüchtung und die nachhaltige Landwirtschaft.

Internationale Zusammenarbeit zur Rekonstruktion von Anpassungsereignissen

Max-Planck-Forschende arbeiteten mit einem internationalen Team zusammen, zu dem auch Forschende von den Kapverdischen Inseln und vier weitere Länder gehörten, um die Besiedlung der wilden Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) auf den Kapverdischen Inseln zu untersuchen.

Das Team sammelte Hunderte von Pflanzen aus dem gesamten Verbreitungsgebiet auf den Kapverden und analysierte ihre Genome. Anhand der gefundenen DNA-Veränderungen konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Geschichte der Besiedlung rekonstruieren und die für die Anpassung verantwortlichen genetischen Veränderungen identifizieren.

„Wir waren überrascht, als wir feststellten, dass Arabidopsis die Kapverden auf natürliche Weise kolonisiert hat – lange vor dem Menschen. Wir fanden heraus, dass die Kolonisten höchstwahrscheinlich vor etwa 5000 Jahren aus Nordafrika stammten, während der Mensch die Inseln erst vor etwa 500 Jahren besiedelte“, sagt Dr. Andrea Fulgione, einer der Erstautoren der Studie.

Durch den Vergleich des Klimas auf den Kapverden mit dem von Arabidopsis-Standorten in Nordafrika stellten die Autoren fest, dass die kurze Wachstumsperiode auf den Kapverden eine neue Herausforderung für die Pflanzen darstellte. Um zu testen, ob diese Veränderung wirklich von Bedeutung ist, führten sie ein Experiment mit lebenden Pflanzen durch. „Wir züchteten Pflanzen von den Kapverden und aus Nordafrika zusammen in einer Klimakammer, die so eingestellt war, dass sie stündliche Temperatur-, Feuchtigkeits- und Niederschlagsdaten verfolgte, die wir an einem kapverdischen Feldstandort gesammelt hatten. Dann haben wir die Vermehrungsleistung anhand der Samenmenge gemessen“, sagt Dr. Fulgione. „In Übereinstimmung mit der beobachteten kürzeren Vegetationsperiode stellten wir fest, dass die kapverdischen Arabidopsis-Pflanzen besser abschnitten als ihre nordafrikanischen Verwandten und dass dieser Unterschied stark mit der kürzeren Zeit bis zur Blüte und zum Samenansatz zusammenhing“, sagt Dr. Célia Neto, eine der Erstautorinnen der Studie.

Neuartige genetische Veränderungen ermöglichten es den Populationen sich der Trockenheit zu widersetzen

Die Forschenden gingen dann der Frage nach, welche DNA-Veränderungen für die Anpassung verantwortlich waren. Sie analysierten die Muster der DNA-Variationen, um herauszufinden, wie sich die Pflanzen an die neue Umgebung angepasst hatten. Es stellte sich heraus, dass die Mutationen, die an der Anpassung beteiligt waren, erst nach der Besiedlung der Kapverden auftraten. „Wir sehen oft Fälle, in denen sich Populationen schnell an neue Umgebungen anpassen, indem sie bereits vorhandene DNA-Variationen nutzen“, erklärt Dr. Hancock. „Überraschenderweise haben wir hier festgestellt, dass sich die Pflanzen durch neu entstandene DNA-Veränderungen an diesen extremeren Lebensraum angepasst haben.“

Die Autoren entdeckten, dass zwei unabhängige Gendefekte – einer auf jeder Insel – für die Ansiedlung der Arabidopsis-Pflanzen auf dem Archipel entscheidend waren. Diese Mutationen heben die Funktionen zentraler Gene auf, die an der zeitlichen Steuerung der Fortpflanzung beteiligt sind. Dies führt zu einer schnelleren Entwicklung bis zur Blüte und einem früheren Ende des Lebenszyklus. „Dadurch können sie schneller blühen und es ist wahrscheinlicher, dass sie vor Beginn der Trockenzeit Samen produzieren“, erklärt Dr. Neto.

Mögliche Anwendungen in der nachhaltigen Landwirtschaft und im Naturschutz

Das Wissen darüber, wie sich Arten an schwierige Umgebungen anpassen, ist von großer Bedeutung. Informationen über die DNA-Veränderungen, die in Kap Verde von Vorteil sind, könnten zu Verbesserungen in der nachhaltigen Landwirtschaft beitragen, um Nutzpflanzen zu züchten, die für trockenheitsanfällige Umgebungen besser geeignet sind. Diese Forschung betrifft auch den Naturschutz. Kleine, isolierte Populationen und Arten sind durch den globalen Wandel am stärksten vom Aussterben bedroht. Die Erkenntnisse aus der isolierten kapverdischen Arabidopsis-Population könnten zur Bewältigung der Herausforderungen bei anderen Arten herangezogen werden. „Letztendlich zielt diese Forschung darauf ab, unsere Fähigkeit zu verbessern, die Auswirkungen von Umweltveränderungen bei verschiedenen Arten vorherzusagen und zu mildern“, schloss Dr. Hancock, „aber es gibt noch viel zu tun.“

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Angela Hancock
Email: hancock@mpipz.mpg.de
phone: +49 221 5062 285

Originalpublikation:

https://doi.org/10.1038/s41467-022-28800-z

https://www.mpipz.mpg.de/

Media Contact

Dr. Mia von Scheven Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung

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