Moos verdoppelte mehrmals sein Genom
„Das Moosgenom liegt zwischen dem der Algen und dem der Blütenpflanzen, die durch 800 Millionen Jahre Evolution getrennt sind“, erklärt Dr. Daniel Lang vom Helmholtz-Zentrum München, einer der beiden Erstautoren. Projektleiter Professor Dr. Stefan Rensing von der Philipps-Universität Marburg ergänzt: „Mit der vervollständigten Genomsequenz ist Physcomitrella endgültig zur Modellpflanze geworden.“ Die Autorinnen und Autoren erhoffen sich davon weitere Erkenntnisse über die Evolution der Landpflanzen, aber auch Anwendungsmöglichkeiten, etwa für den Pflanzenschutz.
Das Kleine Blasenmützenmoos (Physcomitrella patens) erlaubt im Vergleich mit Samenpflanzen Rückschlüsse über die ersten Landpflanzen. Um erfolgreich zu sein, mussten sich diese an ein raues Klima mit extremen Temperaturschwankungen, mit Trockenheit, starker ultravioletter Strahlung und hoher Salzbelastung anpassen.
Wenn man die dabei erworbenen Schutzmechanismen besser kennt als bisher, kann man sie vielleicht auf Nutzpflanzen übertragen und diese widerstandsfähiger gegen die negativen Auswirkungen des globalen Klimawandels machen.
„Die vollständige Entschlüsselung des Moosgenoms ist eine elementare Voraussetzung, um die Lebensprozesse dieser einfach gebauten Pflanze zu verstehen“, sagt der Biologe Dr. Kristian K. Ullrich, der sich die Erstautorenschaft mit Daniel Lang teilt. Mittels neuer molekulargenetischer Techniken gelang es der Forschungsgruppe, Lücken zu schließen, die vor zehn Jahren noch verblieben waren.
Die Ergebnisse erlauben tiefe Einblicke in die Evolution der Landpflanzen. Überraschungen blieben dabei nicht aus: So sind in 500 Millionen Jahren wichtige Gene in fast unveränderter Reihenfolge erhalten geblieben, die zur pflanzentypischen Zellorganisation beitragen.
Das Team fand auch heraus, dass das Kleine Blasenmützenmoos seinen gesamten Genbestand zweimal komplett verdoppelte. Mehr als die Hälfte des Genoms enthält Transposonen – das sind Genabschnitte, die ihren Platz auf den Chromosomen wechseln können. Die Forschungsgruppe identifizierte außerdem einige gigantische Viren, die fest ins Genom eingebaut sind und möglicherweise die Keimzellen der Pflanzen vor Infektionen schützen.
An der Veröffentlichung sind neben Arbeitsgruppen aus Marburg, München und Freiburg weitere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus ganz Europa, Nordamerika und China beteiligt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Exzellenzinitiative von Bund und Ländern sowie das Bundesforschungsministerium sowie weitere Forschungsförderer unterstützten die zugrundeliegende Forschungsarbeit finanziell.
Originalveröffentlichung: Daniel Lang, Kristian K. Ullrich & al.: The P. patens chromosome-scale assembly reveals moss genome structure and evolution, The Plant Journal 2017,
DOI: http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/tpj.13801/abstract
Weitere Informationen:
Ansprechpartner: Professor Dr. Stefan Rensing,
Fachgebiet Zellbiologie
Tel.: 06421 28 21940
E-Mail: stefan.rensing@biologie.uni-marburg.de
Internet: http://plantco.de
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