Nanomedizin für die Krebstherapie

Polymere Nanopartikel (rot) können von Immunzellen (Zellkern blau) aufgefressen und dann von ihnen abgebaut werden (links). Wenn sie mit einem Immunstimulanz beladen sind, wecken sie die Immunzellen aus ihrem Schlaf (rechts).
Bild: Lutz Nuhn / Uni Würzburg

Der neue Chemieprofessor Lutz Nuhn befasst sich mit medizinischen Anwendungen der Polymerchemie. Mit seinem Team entwickelt er Nanopartikel, die das Immunsystem gegen Krebs aktivieren sollen.

Klug designte Nanopartikel sind wie Taxis, die ihre Fahrgäste bis zum gewünschten Ziel transportieren: Sie lassen sich mit Impfstoffen oder Medikamenten beladen und bringen ihre Fracht im Körper zielgenau dorthin, wo sie wirken soll. In solche Partikel ist zum Beispiel die mRNA in den Impfstoffen gegen das Coronavirus verpackt.

Professor Lutz Nuhn (37) entwickelt solche Nanopartikel. Er leitet seit 1. April 2022 den neu geschaffenen Lehrstuhl für Makromolekulare Chemie der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg. Die Nanopartikel, an denen sein Team arbeitet, sind für Immuntherapien gegen Krebs konzipiert und bestehen aus Polymeren.

Nuhns Gruppe konzentriert sich auf Nanopartikel aus Polycarbonaten. Diese langkettigen Moleküle bestehen im Wesentlichen aus Kohlensäurebausteinen. Das hat den Vorteil, dass sie sich im Körper zu Kohlendioxid und Alkoholen abbauen lassen – beides Moleküle, die der Organismus direkt ausscheiden oder gut nutzen kann. Die Monomere zur Polycarbonat-Herstellung können außerdem nicht nur aus Erdöl gewonnen werden, sondern auch aus nachwachsenden pflanzlichen Rohstoffen. Unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit ist das ein weiterer Pluspunkt.

Nanopartikel können noch besser werden

„In der Polymerchemie können wir schon sehr gute Nanopartikel für medizinische Zwecke herstellen, aber einige Hausaufgaben müssen wir noch machen“, sagt der neue Professor.

Erstens: Wenn Nanopartikel aus Polycarbonaten an ihren Zielorten ankommen, etwa in Immunzellen, dann sollen sie das merken und sofort damit anfangen, sich selbst abzubauen und die Wirkstoffe freizusetzen, die sie mit sich tragen. Dazu müssen sie auf Reize reagieren können – etwa auf Temperatur, Licht, pH-Wert oder bestimmte Strukturelemente von Proteinen.

Zweitens: Diejenigen Nanopartikel, die es nicht zu ihren Zielorten schaffen, sollen sich nach einer angemessenen Zeit im Körper von alleine auflösen – dafür sind Polycarbonate hervorragend geeignet.

Drittens: Die Nanopartikel sollen sich möglichst autonom bilden. Im Idealfall sollte es genügen, ihre Grundbausteine mit den jeweiligen medizinischen Wirkstoffen in einer wässrigen Lösung zusammenzubringen, wo sich die Partikel dann selbstständig zur gewünschten Struktur formieren. In der Chemie wird dieser Prozess „self-assembly“ genannt.

Viertens: Nuhns Team hat das Ziel, die autonom entstandenen Nanopartikel durch chemische Modifikationen so zu stabilisieren, dass man die Partikel zu einem Pulver trocknen, bei Raumtemperatur lagern und später wieder mit Wasser lösen kann, ohne dass sie dabei ihre Transportfähigkeit verlieren. Das würde die Handhabung der Partikel in der Praxis erleichtern; das Einhalten von Kühlketten zum Beispiel wäre dann überflüssig.

Immunzellen als Zielstrukturen

Der Forschungsschwerpunkt des Chemieprofessors liegt auf dem Design von Nanopartikeln, die therapeutische Impfungen und Immuntherapien gegen Krebs ermöglichen sollen. Zielstrukturen sind in erster Linie die Zellen des Immunsystems. Nuhns Team interessiert sich dabei ganz besonders für Immunzellen, die sich in der Mikro-Umgebung von Tumoren aufhalten, dort aber inaktiv sind und dadurch die Tumore für das Immunsystem unsichtbar machen.

„Wir möchten unsere Nanopartikel so designen, dass sie von Immunzellen aufgenommen werden und dann maßgeschneiderte Moleküle freisetzen, welche die Immunzellen gegen den Tumor aktivieren“, sagt der Wissenschaftler. In dem komplexen Netzwerk aus Krebs- und Immunzellen, das die Mikro-Umgebung von Tumoren kennzeichnet, soll dadurch der Schalter von „Ruhe“ auf „Sturm“ umgelegt werden. Wie gut die Nanopartikel die ihnen zugedachte Aufgabe erledigen, erforscht der Chemiker in Kooperation mit Gruppen aus der Immunologie und Medizin.

Vorlesungen zur Polymerchemie

Für die Studierenden der Chemie und der Funktionswerkstoffe wird Professor Nuhn Lehrveranstaltungen zur Polymerchemie anbieten. Neu entwickelt hat er zum Beispiel den praktischen Kurs Nano4Med, in dem die medizinischen Anwendungen von Polymerstrukturen im Mittelpunkt stehen.

Der neue Lehrstuhl für Makromolekulare Chemie ist Teil des 2020 an der JMU gegründeten Instituts für Funktionsmaterialien und Biofabrikation (IFB). Dem Institut gehören außerdem der Lehrstuhl für Funktionswerkstoffe der Medizin und Zahnheilkunde (Professor Jürgen Groll) und der Lehrstuhl für Chemische Technologie der Materialsynthese (Professor Gerhard Sextl) an.

Lutz Nuhn gehört zur Fakultät für Chemie und Pharmazie; seine Labore und Büros sind zurzeit am Röntgenring 11 untergebracht. Er wird, zusammen mit Gruppen von Jürgen Groll, auf den Hubland-Campus umziehen, sobald dort der Neubau des Center of Polymers for Life bezugsfertig ist.

Lebenslauf des neuen Professors

Lutz Nuhn, Jahrgang 1985, ist in Bad Hersfeld in Osthessen aufgewachsen. Sein Studium der biomedizinischen Chemie an der Universität Mainz schloss er 2010, die Promotion 2014 ab. Auslandsaufenthalte absolvierte er bei führenden Forschern der biomedizinischen Polymerchemie am Massachusetts Institute of Technology und an der Universität Tokyo.

Als Postdoc forschte er an der Universität Gent in Belgien, im Anschluss übernahm er 2017 die Leitung einer Nachwuchsgruppe am Max-Planck-Institut für Polymerwissenschaften in Mainz. Dort baute er außerdem ab 2019, gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), seine eigene Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe auf.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Lutz Nuhn, Lehrstuhl für Makromolekulare Chemie, Universität Würzburg, T +49 931 31-82691, lutz.nuhn@uni-wuerzburg.de

http://www.uni-wuerzburg.de

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