Nanomedizin gegen chronische Darmentzündungen

Nanomedizin gegen chronische Darmentzündungen
(c) Wiley-VCH

Antiinflammatorische Nanopartikel ahmen Glycocalyx nach
Chronische entzündliche Darmerkrankungen (CED), wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, sind weltweit auf dem Vormarsch. Der Nutzen derzeitiger Medikamente ist begrenzt – bei problematischen Nebenwirkungen. In der Zeitschrift Angewandte Chemie stellt ein südkoreanisches Forschungsteam jetzt einen neuen Behandlungsansatz vor. Er basiert auf Nanopartikeln, die eine spezielle Kohlenhydratschicht (Glycocalyx) entzündeter Darmzellen nachahmen und ihre entzündungshemmende Wirkung gezielt in den erkrankten Darmpartien entfalten.

Bauchkrämpfe, schwere Durchfälle, oft begleitet von erheblichem Gewichtsverlust sind einige Symptome, unter denen CED-Patienten immer wieder teils wochenlang leiden. Die Ursachen sind noch unklar, eine Fehlfunktion des Immunsystems scheint beteiligt zu sein. Eine Heilung ist bisher nicht in Sicht. Derzeitige Therapien zielen auf eine Linderung der Symptome durch entzündungshemmende Medikamente ab, wie 5-Aminosalicylsäure (5-ASA), Kortikosteroide und Immunmodulatoren. Der Langzeit-Gebrauch ist nicht angeraten aufgrund schwerer Nebenwirkungen, wie dem hohen Infektionsrisiko als Folge der Immunsuppression. Das Team um Hee-Seung Lee und Sangyong Jon vom Korea Advanced Institute of Science and Technology (KAIST) hat jetzt einen innovativen Ansatz für ein Medikament entwickelt, das oral eingenommen gezielt an den entzündeten Stellen des Magen-Darm-Trakts wirkt, sodass systemische Wirkungen minimiert werden.

Ausgangpunkt ist die sog. Glycocalyx, eine Kohlenhydrat-reiche Schicht, die die Zellen auf der Darmoberfläche bedeckt. Nützliche Darmbakterien, die eine eigene, dazu passende Glycocalyx aufweisen, haften daran. Bei Erkrankungen aus dem Spektrum der CED sind die Glycocalyx-Kohlenhydratmuster der entzündeten Darmbereiche so verändert, dass sich pathogene Bakterien anheften und in die Schleimhaut eindringen können.

Das Team entwickelte Nanopartikel, die Glycocalyx-Muster nachahmen. Ausgehend von den fünf häufigsten in der Natur vorkommenden Zucker-Bausteinen stellten sie eine Sammlung („Substanz-Bibliothek“) verschiedener Polymerketten her, die eine, zwei, drei, vier oder fünf dieser Zuckersorten in zufälliger Reihenfolge und Zusammensetzung als Seitengruppen tragen und zu Nanopartikeln aggregieren. Zusätzlich wurden Bilirubin-Moleküle angeknüpft. Der Gallenfarbstoff Bilirubin ist ein körpereigenes Antioxidationsmittel und wirkt entzündungshemmend.

Verschiedene Typen dieser Nanopartikel konnten, oral verabreicht, die Symptome von Mäusen mit CED deutlich stärker mindern als das Medikament 5-ASA. Am wirksamsten zeigten sich Nanopartikel mit Mannose und N-Acetylglucosamin. Diese beiden Zucker verstärken die Aufnahme der Nanopartikel durch aktivierte Makrophagen im entzündeten Darm und das Bilirubin hemmt sehr effizient die entzündungsfördernde Aktivität dieser Immunzellen. Die Konzentration bestimmter entzündungsfördernder Cytokine wird deutlich verringert, die Produktion entzündungshemmender Faktoren angekurbelt und der oxidative Stress verringert. Die immunsuppressive Wirkung ist lokal auf die entzündeten Darmbereiche beschränkt, sodass ungünstige systemische Nebenwirkungen minimiert werden.

Angewandte Chemie: Presseinfo 28/2023

Autor/-in: Sangyong Jon, Korea Advanced Institute of Science and Technology, Daejon (Rep. Korea), http://www.bionanolab.co.kr/docs/sub01/investigator

Angewandte Chemie, Postfach 101161, 69451 Weinheim, Germany.
Die „Angewandte Chemie“ ist eine Publikation der GDCh.

Originalpublikation:

https://doi.org/10.1002/ange.202304815

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Dr. Karin J. Schmitz Abteilung Öffentlichkeitsarbeit
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