Natur als Vorbild: Neuartige Wirkstoffe effektiver produzieren
Die konventionelle Herstellung von Antibiotika erfolgt heute meist in Bioreaktoren auf der Basis von Monokulturen. In der Natur dagegen dienen Antibiotika als Verbindungen, die das Wachstum von Konkurrenten verhindern, die um das gleiche Substrat konkurrieren, es sind also mehrere Stämme beteiligt.
Die konventionelle Produktion in Monokulturen entspricht daher Stressbedingungen, die für das Wachstum der Produzentenstämme nicht förderlich sind.
Die Kenntnis der Interaktion der mikroskopisch kleinen Zellen mit dem Bioreaktor und untereinander sind zum Beispiel essentiell für eine erfolgreiche Produktion von Proteinen oder Biopharmaka, zu denen auch Antibiotika, Insulin oder Impfstoffe zählen.
Hier setzt die Forschung von InterZell an, da bekannt ist, dass 95 Prozent der mikrobiellen Flora in Mischkulturen besser kultivierbar sind und durch maßgeschneidertes Scale-up vom Labor zur industriellen Produktion (Maßstabsübertragung) optimiert und modelliert werden können.
Neue Ansätze für Wirkstoff-Herstellung in Mischkulturen
Vor diesem Hintergrund erforscht ein Team um Prof. Ralf Takors vom Institut für Bioverfahrenstechnik und Prof. Georg Sprenger vom Institut für Mikrobiologie (IMB) der Universität Stuttgart im Rahmen des Projekts „MiMiCry“ (Die Natur als Vorbild nehmen: Kontinuierliche Produktion von Anti-Infektiva in der synthetischen Mischkultur) neue Ansätze für die Wirkstoff-Herstellung in Mischkulturen.
Das Projekt will nicht nur grundlegende physiologische Merkmale von Wirkstoffen in der Ursprungsumgebung nachahmen, sondern auch die synthetische Umsetzung neuartiger Eigenschaften in einem Konsortium aus zwei Stämmen nutzen, die nur in Symbiose wachsen und produzieren können.
Die Herstellung erfolgt mit Hilfe von Escherichia coli-Bakterien, die wesentlich schneller wachsen als die ursprünglichen Produzenten und deren Handling in der Mikrobiologie gut bekannt ist.
Der Ansatz soll mit dem Wirkstoff Violacein als Vorzeigeprodukt starten und dafür sorgen, dass der auch in der Tumorbehandlung und Virologie vielversprechende Wirkstoff künftig industriell in größerer Menge und effektiver zur Verfügung gestellt werden kann.
DFG-Schwerpunktprogramm mit 50 Forschenden in zehn Projekten
MiMiCry ist eines von zwei Forschungsprojekten an der Universität Stuttgart, das die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Schwerpunktprogramms InterZell (SPP 2170) finanziert.
In dem neuen Schwerpunktprogramm forschen insgesamt 50 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in zehn Projekten über „Neuartige Produktionsverfahren durch skalenübergreifende Analyse, Modellierung und Gestaltung von Zell-Zell- und Zell-Bioreaktor-Interaktionen (InterZell)“ an renommierten bundesweiten Wissenschaftseinrichtungen.
Der besondere Fokus ist dabei auf die Untersuchung von Mischkulturen und Konsortien gerichtet, die als erfolgreiche Produzenten von Bioprodukten dienen können. Industriell werden Mischkulturen zum Beispiel bereits bei der Yoghurtherstellung verwendet.
„Synergie von Ingenieurwissenschaften und Life Science“
Koordinator des DFG-Schwerpunktprogramms InterZell ist Prof. Ralf Takors von der Universität Stuttgart, der bei der Auftaktveranstaltung von InterZell im Frühjahr 2020 die „Synergie von Ingenieurwissenschaften und Life Science“ als Besonderheit des neuen Forschungsprogramms herausstellte.
Die Kooperationen werden – ein Novum in diesem Bereich der Forschungsförderung – disziplinübergreifend als Tandemprojekte finanziert.
Innovativ und aufgrund der in Zeiten von Corona verstärkten Online-Zusammenarbeit von besonderer Bedeutung, ist auch ein gemeinsames und einheitliches Datenmanagement für alle 21 Forschungsgruppen.
Hierfür werden der Koordinator des DFG Programms, Prof. Ralf Takors sowie Dr. Martina Rehnert als Projektverantwortliche gemeinsam mit dem Datenrepositorium der Universität Stuttgart (DaRUS), angesiedelt an der Universitätsbibliothek, ein Pilotprojekt starten.
Prof. Ralf Takors und Dr. Martina Rehnert, Koordination DFG-Projekt “InterZell”, Universität Stuttgart, Institut für Bioverfahrenstechnik, Tel. +49 711 685 69925, E-Mail ralf.takors@ibvt.uni-stuttgart.de
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