Neu entdeckte Bakterien als potenzielle Arzneiquelle

Der Meeresschwamm Theonella swinhoei erinnert an einen glatten Stein mit Öffnungen an der Oberseite.<br><br>(Foto: Junichi Tanaka, University of the Ryukyus, Japan) Abbildung abgeändert aus: Hentschel et al (2012), Nature Reviews Microbiology)<br>

Viele Medikamente, die etwa gegen Krebs oder Infektionskrankheiten verwendet werden, enthalten Stoffe aus Bakterien und anderen Kleinstlebewesen. Bei der Suche nach neuen Arzneistoffen aus der Natur spielen Meeresschwämme eine wichtige Rolle. Das liegt daran, dass sie außerordentlich vielfältige und ungewöhnliche Naturstoffe enthalten.

Neues auf diesem Gebiet hat eine internationale Zusammenarbeit ergeben, die von Professor Jörn Piel von der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich koordiniert wurde.

Beteiligt sind Forscher aus Bielefeld, Bonn, München und Würzburg; außerdem Teams aus Japan und den USA. Die Wissenschaftler haben herausgefunden, woher die vielen interessanten Stoffe kommen, die in dem Schwamm Theonella swinhoei stecken: Sie stammen aus der Produktion der Bakteriengattung Entotheonella, die als Untermieter in dem Schwamm lebt.

Tectomicrobia als neue Bakteriengruppe

Weil das neu entdeckte Bakterium so ungewöhnlich ist, konnten es die Forscher in der gängigen Systematik keiner bekannten Gruppe zuordnen. Sie schlagen darum einen neuen Stamm (Phylum) vor, den sie Tectomicrobia nennen.

Der Name Tectomicrobia leitet sich vom lateinischen Wort „tegere“ ab, das „verstecken, schützen“ bedeutet. Dieser Begriff wurde gewählt, weil die Bakterien im Labor bisher nicht kultivierbar und somit vor der Wissenschaft „gut versteckt“ sind. Außerdem schützen sie vermutlich die Wirtsschwämme mit ihren vielen Inhaltsstoffen vor Fischen und anderen Fraßfeinden.

Lebensraum in Schwämmen und im Meerwasser

An der Beschreibung der neuen Bakterien waren die Würzburger Professorin Ute Hentschel-Humeida, Expertin für die Mikrobiologie von Meeresschwämmen, und ihre Mitarbeiterinnen Dr. Susanne Schmitt und Christine Gernert beteiligt. Das Würzburger Team hat auch Studien zur Verbreitung des neuen Stamms durchgeführt. „Die Tectobakterien kommen in vielen anderen Schwämmen vor, aber auch im Meerwasser“, sagt Hentschel-Humeida. Das weise auf ihre ökologische Relevanz hin.

Chemisches Arsenal verfügbar machen

Als nächstes wollen sich die Forschungsteams unter anderem der Frage widmen, welche Funktionen die Tectobakterien in der Symbiose mit ihrem Wirtschwamm, aber auch im Ökosystem Korallenriff ausüben. Zudem soll das chemische Arsenal der Bakterien für die Forschung und für mögliche biotechnologische Anwendungen verfügbar gemacht werden.

“An environmental bacterial taxon with a large and distinct metabolic repertoire”, Micheal C. Wilson, Tetsushi Mori, Christian Rückert, Agustinus R. Uria, Maximilian J. Helf, Kentaro Takada, Christine Gernert, Ursula A. E. Steffens, Nina Heycke, Susanne Schmitt, Christian Rinke, Eric J. N. Helfrich, Alexander O. Brachmann, Cristian Gurgui, Toshiyuki Wakimoto, Matthias Kracht, Max Crüsemann, Ute Hentschel, Ikuro Abe, Shigeki Matsunaga, Jörn Kalinowski, Haruko Takeyama & Jörn Piel, Nature, 29. Januar 2014, DOI: 10.1038/nature12959

Kontakt

Prof. Dr. Jörn Piel, Institut für Mikrobiologie, ETH Zürich, Schweiz, T +41 44 633 07 55; E-Mail: jpiel@ethz.ch

Prof. Dr. Ute Hentschel-Humeida, Lehrstuhl für Botanik II, Julius-von-Sachs-Institut für Biowissenschaften, T (0931) 31-82581, E-Mail: ute.hentschel@uni-wuerzburg.de

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Robert Emmerich Uni Würzburg

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