Neue Gliazellen im Gehirn entdeckt

New type of glia cell (green), arising from adult stem cells in the brain, contact nerve cells (magenta).
Image: University of Basel, Biozentrum

Möglicher Hinweis für Gehirnreparatur…

Neuronen sind Nervenzellen im Gehirn, die zentral für die Gehirnfunktion sind. Neuste Forschung lässt jedoch vermuten, dass auch Gliazellen, die lange Zeit als Stützzellen galten, eine Schlüsselrolle spielen. Eine Forschungsgruppe der Universität Basel hat nun zwei neue Arten von Gliazellen im Gehirn entdeckt, indem sie adulte Stammzellen aus ihrem Ruhezustand geweckt hat. Diese neuen Arten könnten wichtig für die Plastizität und Reparatur des Gehirns sein.

Das Gehirn ist bis ins Erwachsenenalter formbar. Diese Plastizität des Gehirns beruht nicht nur auf der Bildung neuer Nervenverbindungen. Stammzellen im erwachsenen Gehirn bilden zudem neue Nervenzellen. Seit mehr als hundert Jahren konzentrieren sich die Forschung auf diese Nervenzellen.

Im Gehirn gibt es jedoch eine weitere Klasse von Zellen, die sogenannten Gliazellen, die für die Gehirnfunktion unerlässlich sind. Die Bedeutung dieser Gliazellen wird jedoch seit Jahrzehnten unterschätzt. Auch wie viele Gliazellarten es gibt, wie sie sich entwickeln und welche Rolle sie spielen, ist noch weitgehend unerforscht.

Stammzellen – aus dem Schlaf geweckt

Die Forschungsgruppe von Prof. Dr. Fiona Doetsch am Biozentrum der Universität Basel untersucht Stammzellen in der ventrikulär-subventrikulären Zone im erwachsenen Mausgehirn. In dieser Region, der Stammzellnische, befinden sich viele Stammzellen in einem Ruhezustand. Sie nehmen jedoch Signale ihrer Umgebung wahr, die sie zum Erwachen und zur Umwandlung in neue Nervenzellen anregen können.

In ihrer Studie im Fachmagazin «Science» hat Doetschs Team nun ein molekulares Signal entdeckt, das die Stammzellen aus ihrem Ruhezustand weckt und sie dazu anregt, sich zu Gliazellen zu entwickeln.

Stammzellen – Geburtsort der Gliazellen

«Wir haben einen Aktivierungsschalter für ruhende Stammzellen gefunden», erklärt Doetsch. «Es ist ein Rezeptor, der die Stammzellen in ihrem Ruhezustand hält. Schaltet man diesen Schalter aus, werden die Gliazellen aktiv.» Zudem konnten die Forscher die Entwicklung der Stammzellen zu verschiedenen Gliazellen in bestimmten Bereichen der Stammzellnische visualisieren.

«Einige der Stammzellen entwickelten sich nicht zu Neuronen, sondern zu zwei neuartigen Gliazellen», berichtet Doetsch. Die untersuchte Hirnregion ist also sowohl Geburtsstätte für verschiedene Arten von Gliazellen als auch Brutstätte für Neuronen.

«Überrascht hat uns auch, dass wir einen Gliazelltyp an der Oberfläche der Hirnkammerwand und nicht im Hirngewebe selbst gefunden haben», sagt Doetsch. Die Zellen sind vom Hirnwasser umgeben und mit Nervenfasern aus weit entfernten Hirnarealen verknüpft. Sie empfangen von dort Signale und reagieren darauf.

Gliazellen – aktiv bei Gesundheit und Krankheit

Das Forschungsteam konnte darüber hinaus zeigen, dass beide Gliazelltypen bei degenerativer Zerstörung des Gehirns reagieren. Diese neuen Gliazelltypen können somit mögliche Zellen für die Reparatur bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Multiple Sklerose oder nach Verletzungen sein.

In einem nächsten Schritt möchte Doetsch die Rolle der neu entdeckten Gliazelltypen für die normale Gehirnfunktion und ihre Reaktion bei verschiedene physiologische Zusammenhänge untersuchen. Dies könnte wichtige Hinweise zum Verständnis der Plastizität des Gehirns liefern und wie die Erneuerung und Reparatur von Nervengewebe funktioniert.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Fiona Doetsch, Universität Basel, Biozentrum, Tel. +41 61 207 22 30, E-Mail: fiona.doetsch@unibas.ch

Originalpublikation:

Ana C. Delgado, Angel R. Maldonado-Soto, Violeta Silva-Vargas, Dogukan Mizrak, Thomas von Känel, Kelly R. Tan, Alex Paul, Aviv Madar, Henar Cuervo, Jan Kitajewski, Chyuan-Sheng Lin and Fiona Doetsch
Release of stem cells from quiescence reveals gliogenic domains in the adult mousebrain
Science (2021), doi: 10.1126/science.abg8467
https://doi.org/10.1126/science.abg8467

http://www.unibas.ch

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