Neue Impulse für Biokraftstoffzellen
Chemische Reaktionen, bei denen Elektronen freigesetzt werden, können zur Stromerzeugung genutzt werden. Um zukünftige medizinische Implantate anzutreiben, haben Forscher Biokraftstoffzellen entwickelt, in denen Enzyme, die aus lebenden Organismen gewonnen werden, Elektronen freisetzen. Bei der Oxidation von Zuckermolekülen zum Beispiel ist dies der Fall.
Ein generelles Problem jedoch ist, dass die Energie und Spannung der Elektronen, die in einer Biobrennstoffzelle erzeugt werden können, eher gering ist. Bei einem Haushaltsgerät ist es einfach, die Spannung zu erhöhen: je mehr Batterien nebeneinander geschalten werden, desto höher die Voltzahl. Im menschlichen Körper ist dies jedoch nicht möglich.
Spannungen können nicht addiert werden, da sich jede Biobrennstoffzelle gezwungenermaßen in derselben Flüssigkeit mit dem gleichen elektrischen Potential befindet. Das bedeutet, dass Biokraftstoffzellen derzeit in den meisten Fällen nur deutlich weniger als 1 Volt erzeugen können. Das schränkt ihre praktische Anwendung stark ein, um medizinische Implantate ausreichend mit Energie zu versorgen.
Hinzu kommt, dass die grundlegenden Gesetze der Thermodynamik ebenfalls die Energie einschränken, die bei enzymatischen Reaktionen freigesetzt werden kann. Die Herausforderung besteht also darin, neue Ansätze für Biokraftstoffzellen zu entwickeln, die diese Einschränkungen umgehen können.
Forscher der Universität Bordeaux, des französischen CNRS (Centre national de la recherche scientifique), der Universität Stuttgart und des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme (MPI-IS) haben nun einen cleveren Weg gefunden, die Einschränkungen der Thermodynamik zu überwinden.
Es gelang ihnen, die bei der Oxidation von Glukose freigesetzten Elektronen zwischenzuspeichern und einen Teil dieser Energie zu nutzen, um die Spannung der verbleibenden Elektronen zu erhöhen. „Es wird keine externe Energie benötigt“, sagt Emmanuel Suraniti, Postdoktorand am MPI-IS und Erstautor einer Studie, die im renommierten Fachjournal Nature Communications veröffentlicht wurde.
Das Funktionsprinzip ist sehr allgemein und beruht darauf, die Energie der Elektronen vorübergehend in einem elektromagnetischen Feld zu speichern. Um dies zu erreichen, wird ein kleiner elektronischer Schaltkreis – angetrieben durch die chemische Reaktion selbst – in die Biobrennstoffzelle integriert, um Strom zu gewinnen und die Spannung zu erhöhen. Damit ermöglicht das Konzept die Umwandlung einfacher Biomoleküle in hochenergetische Kraftstoffe.
„Die Umwandlung der Ausgangsstoffe in hochenergetische Elektronen mittels Biokraftstoffzellen bietet uns völlig neue Möglichkeiten, um elektronische Geräte mit Energie zu versorgen und wichtige Chemikalien künstlich herzustellen“, sagt Peer Fischer, Leiter der Forschungsgruppe Mikro-, Nano- und molekulare Systeme am Max-Planck-Institut für intelligente Systeme und Professor für Physikalische Chemie an der Universität Stuttgart.
„Es ist jetzt möglich, die Oxidation reichlich vorhandener niederenergetischer Moleküle zu nutzen, um daraus Moleküle herstellen zu können, die mehr Energie benötigen, um sich zu bilden. Das ist ein völlig neues Konzept.“
Neben Biokraftstoffzellen, die ausreichende Spannungen erzeugen können, haben die Forscher weitere Pläne für die Zukunft: sie stellen sich Reaktionen im Körper vor, bei denen die Oxidation von Glukose die Synthese großer Wirkstoffmoleküle antreibt – etwas, was die Thermodynamik ansonsten nicht zulassen würde, was aber in möglicherweise der ersten Demonstration der direkten Integration von Elektronik während einer chemischen Reaktion erreichbar scheint.
Die vollständige Publikation finden Sie hier:
https://doi.org/10.1038/s41467-018-05704-5
“Uphill production of dihydrogen by enzymatic oxidation of glucose without an external energy source”, Emmanuel Suraniti, Pascal Merzeau, Jérôme Roche, Sébastien Gounel, Andrew G. Mark, Peer Fischer, Nicolas Mano, Alexander Kuhn, Nature Communications 9, 3229 (2018).
Über uns:
Prof. Dr. Peer Fischer leitet das Labor für Mikro-, Nano- und molekulare Systeme am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Stuttgart und ist Professor für Physikalische Chemie an der Universität Stuttgart.
Fischer studierte Physik am Imperial College London und promovierte an der University of Cambridge. Er war Gastwissenschaftler am European Laboratory for Nonlinear Spectroscopy in Florenz (LENS) und NATO Postdoctoral Fellow an der Cornell University, bevor er an das Rowland Institute der Harvard University wechselte. In Harvard hielt er ein Rowland Junior Research Fellowship und leitete fünf Jahre lang ein interdisziplinäres Forschungslabor. Im Jahr 2011 wechselte er an das Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Stuttgart, wo er als unabhängiger Gruppenleiter tätig ist.
Peer Fischer ist Mitglied des Max Planck – Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne Center for Molecular Nanoscience and Technology sowie des Max Planck ETH Center for Learning Systems, einem Forschungsnetzwerk in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich. Im Jahr 2009 erhielt er den Fraunhofer Attract Award und im Jahr 2011 ein ERC Starting Grant. Im Jahr 2016 erhielt er den World Technology Award, eine Auszeichnung, die auch Elon Musk verliehen wurde. Fischer wurde für seine „innovative Arbeit mit höchstwahrscheinlich langfristiger Bedeutung“ für die Menschheit ausgezeichnet. Die Kategorie, in der Fischer gewonnen hat: „IT-Hardware“. Im Jahr 2018 erhielt Fischer einen ERC Advanced Grant.
Am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme wollen wir die Prinzipien von Wahrnehmung, Handeln und Lernen in intelligenten Systemen verstehen. Unser Institut ist auf zwei Standorte verteilt, auf Stuttgart und Tübingen. Die Forschung am Standort Stuttgart umfasst Kleinrobotik, Selbstorganisation, haptische Wahrnehmung, bio-inspirierte Systeme, medizinische Robotik und physische Intelligenz. Der Tübinger Standort des Instituts konzentriert sich auf maschinelles Lernen, Computer Vision und die Steuerung intelligenter Systeme.
Das Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme ging 2011 aus dem Max-Planck-Institut für Metallforschung hervor.
Die Max-Planck-Gesellschaft ist Deutschlands erfolgreichste Forschungsorganisation – seit ihrer Gründung 1948 finden sich alleine 18 Nobelpreisträger und Nobelpreisträgerinnen in den Reihen ihrer Wissenschaftler. Damit ist sie auf Augenhöhe mit den besten und angesehen¬sten Forschungsinstitutionen und Universitäten der Welt.
Derzeit gibt es 84 Max-Planck-Institute und Einrichtungen, die alle Grundlagenforschung in den Natur-, Bio-, Geistes- und Sozialwissenschaften im Dienste der Allgemeinheit betreiben. Max-Planck-Institute engagieren sich in Forschungsgebieten, die besonders innovativ sind, einen speziellen finanziellen oder zeitlichen Aufwand erfordern. Ihr Forschungsspektrum entwickelt sich dabei ständig weiter: Neue Institute werden gegründet oder bestehende Institute umgewidmet, um Antworten auf zukunftsträchtige wissenschaftliche Fragen zu finden. Diese ständige Erneuerung erhält der Max-Planck-Gesellschaft den Spielraum, auf neue wissenschaftliche Entwicklungen rasch reagieren zu können.
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