Neue Perspektiven für die Krebschirurgie
Statt mit einem klassischen Skalpell kann ein Chirurg auch mit einem Elektroskalpell operieren. Wesentlicher Vorteil ist, dass beim Schnitt gleich Gefäße verschlossen und Blutungen unterbunden werden.
Jetzt könnte ein weiterer Vorteil hinzukommen: Ein deutsch-ungarisches Forscherteam hat eine auf Massenspektrometrie basierende Methode entwickelt, mit der Gewebe während eines chirurgischen Eingriffs analysiert werden kann. Wie das Team um Zoltán Takáts in der Zeitschrift Angewandte Chemie berichtet, könnte so in der Krebschirurgie in Echtzeit zwischen bösartigen Tumorzellen und umgebendem gesunden Gewebe unterschieden werden.
Bisher schließt sich an eine Tumor-OP die genaue histologische Untersuchung des entnommenen Gewebes an, die einige Tage in Anspruch nimmt. Sollte sich dabei herausstellen, dass der Tumor nicht vollständig entfernt wurde, ist eine zweite OP notwendig. Dies könnte die neue Methode Patienten zukünftig ersparen.
Bei der Elektrochirurgie wird das Gewebe lokal mit einem hochfrequenten elektrischen Strom behandelt, um einen Schnitt zu führen, Gewebe abzutragen oder um Blutungen zu stillen. Das behandelte Gewebe wird dabei stark erhitzt und verdampft teilweise. Durch den elektrischen Strom entstehen dabei auch elektrisch geladene Moleküle. Diesen Vorgang macht sich das Team aus Wissenschaftlern von der Universität Gießen, der Budapester Firma Massprom, der Semmelweis-Universität sowie dem Nationalen Forschungsinstitut für Radiobiologie und Radiohygiene, ebenfalls Budapest, zu Nutze für ihre neue Methode „Rapid Evaporation Ionisation Mass Spectrometry“, abgekürzt als REIMS. Sie statteten ein elektrochirurgisches Instrument mit einer speziellen Pumpe aus, die die verdampfenden Zellbestandteile über einen Schlauch einsaugt und die geladenen Moleküle in ein Massenspektrometer einleitet.
Wie sich zeigte, werden vor allem Lipide, die Bestandteile von Zellmembranen, im Massenspektrometer registriert. „Unterschiedliche Gewebetypen zeigen charakteristische Unterschiede in ihrer Lipidzusammensetzung“, erläutert Takáts. „Auch Tumorgewebe unterscheidet sich von gesundem.“ Es gelang den Wissenschaftlern, einen speziellen Algorithmus zu entwickeln, mit dem sich Gewebetypen eindeutig identifizieren und unterscheiden lassen.
„Die Gewebeanalyse mit REIMS inklusive Datenauswertung benötigt nur Bruchteile von Sekunden“, so Takáts. „Während einer Operation erhielte der Chirurg somit praktisch Echtzeitinformationen über die Natur des Gewebes, das er gerade schneidet.“ Vor allem für die Krebschirurgie eröffnen sich neue Perspektiven: Die Methode hilft, den Tumor während des Eingriffs exakt zu lokalisieren und vom umgebenden gesunden Gewebe abzugrenzen. REIMS liefert zudem Informationen, ob sich das Karzinom noch im Anfangsstadium befindet oder schon fortgeschritten ist.
Angewandte Chemie: Presseinfo 37/2009
Autor: Zoltán Takáts, Justus-Liebig-Universität Gießen (Germany), mailto:zoltan.takats@anorg.chemie.uni-giessen.de
Angewandte Chemie, doi: 10.1002/ange.200902546
Angewandte Chemie, Postfach 101161, 69495 Weinheim, Germany
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