Neue PET-Hydrolase
Enzym aus Speichelmikroben zersetzt PET-Kunststoffe.
Menschlicher Speichel könnte ein Enzym enthalten, das den Kunststoff Polyethylenterephthalat (PET) zersetzen kann. Entdeckt hatten Forschende das Enzym in einer Datenbank für mikrobielle Genome, unter anderem aus menschlichem Speichel. Wie sie in der Zeitschrift Angewandte Chemie berichten, zerlegt diese neue Hydrolase PET aktiver in kleinere Moleküle als andere bekannte bakterielle Hydrolasen. Das Enzym lässt sich biotechnologisch produzieren und könnte für das Recycling oder die Funktionalisierung von Kunststoffmaterialien angepasst werden, schreiben die Autor:innen.
Mülldeponien und Hafenbecken gelten als besonders vielversprechende Orte, um Bakterien zu finden, die sich auf die Verwertung von Kunststoffen angepasst haben. Solche Bakterien haben Enzyme – PET-Hydrolasen genannt – entwickelt, die PET in kleinere Moleküle zerlegen können. Forschende um Chayasith Uttamapinant vom Vidyasirimedhi Institute of Science and Technology (VISTEC) in Rayong und Worawan Bhanthumnavin von der Chulalongkorn University in Bangkok (beide Thailand) haben nun das erste PET-abbauende Enzym aus einer eher ungewöhnlichen Quelle entdeckt: dem Mikrobengenom im menschlichen Speichel.
Da die Menschen viele Nahrungsmittel konsumieren, die aus PET-Verpackungen stammen, könnten sich die Mikroben im Speichel oder Darm auf die Einfuhr von Mikroplastik angepasst haben, vermuteten die Forschenden. Sie entdeckten die neue Hydrolase, die sie MG8 nannten, beim Durchkämmen einer öffentlichen Datenbank, die neben Proben aus Meerwasser auch solche aus menschlichem Speichel umfasste, und ordneten sie Gram-negativen Bakterien zu, die sich im menschlichen Speichel ansiedeln können. Diese Bakterien sind solchen Stämmen ähnlich, die nahe der riesigen Plastikstrudel in den Ozeanen gefunden wurden und die ebenfalls PET-Hydrolasen entwickelt hatten.
Um genügend Material für die Untersuchungen zu gewinnen, ließen sie das Enzym von einem im Labor kultivierbaren Bakterium produzieren. Aus einer denaturierten, also nicht korrekt gefalteten Form, die aber in großen Mengen isolierbar war, gewannen sie mit Leichtigkeit eine aktive Form des Enzyms, die PET zersetzen konnte. Das seien gute Voraussetzungen für eine Kultivierung im großtechnischen Maßstab, setzen die Autor:innen den Blick in die Zukunft.
Noch eine weitere Verwendung von MG8 haben die Forschenden im Visier. Sie entdeckten, dass MG8 nicht nur PET zerlegen kann, sondern es mit einer Modifikation auch sehr gut bindet. Dafür tauschten sie in der Proteinsequenz im aktiven Zentrum des Enzyms die Aminosäure Serin mit einer unnatürlichen Aminosäure aus. Das modifizierte Enzym heftete sich sofort an PET-Pulver an. Damit könnte es genutzt werden, um PET-Oberflächen zum Beispiel für die Medizintechnik oder ein effektiveres Recycling zu funktionalisieren.
Enzyme, die PET in kleine Moleküle zersetzen, könnten für das Plastikrecycling eingesetzt werden. Allerdings müsste dafür MG8, ebenso wie andere PET-Hydrolasen auch, weiter optimiert werden. Bislang können die PET-Hydrolasen das hochkristalline PET, wie es in Getränkebehältern verwendet wird, nicht zersetzen. Bis sich also eine ganze Wasserflasche in einer einfachen enzymhaltigen Waschlösung auflösen kann, sind weitere Forschungen nötig.
Angewandte Chemie: Presseinfo 14/2022
Autor/-in: Chayasith Uttamapinant, Vidyasirimedhi Institute of Science and Technology (Thailand), mailto: chayasith.u@vistec.ac.th
Angewandte Chemie, Postfach 101161, 69451 Weinheim, Germany.
Die „Angewandte Chemie“ ist eine Publikation der GDCh.
Originalpublikation:
https://doi.org/10.1002/ange.202203061
Weitere Informationen:
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie
Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.
Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.
Neueste Beiträge
Die Roboterhand lernt zu fühlen
Fraunhofer IWS kombiniert Konzepte aus der Natur mit Sensorik und 3D-Druck. Damit Ernteroboter, U-Boot-Greifer und autonome Rover auf fernen Planeten künftig universeller einsetzbar und selbstständiger werden, bringen Forschende des Fraunhofer-Instituts…
Regenschutz für Rotorblätter
Kleine Tropfen, große Wirkung: Regen kann auf Dauer die Oberflächen von Rotorblättern beschädigen, die Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit von Windenergieanlagen können sinken, vor allem auf See. Durch die Entwicklung innovativer Reparaturlösungen…
Materialforschung: Überraschung an der Korngrenze
Mithilfe modernster Mikroskopie- und Simulationstechniken konnte ein internationales Forschungsteam erstmals beobachten, wie gelöste Elemente neue Korngrenzphasen bilden. Mit modernsten Mikroskopie- und Simulationstechniken hat ein internationales Forscherteam systematisch beobachtet, wie Eisenatome…