Neuer 3D Test für Brustkrebsmedikamente

Bild: Hanging Drop System zur Produktion von 3D-Mikrogeweben Quelle: InSphero AG (2014)

Die Forschenden um Dr. Nataša Anastasov, Leiterin der Gruppe ‚Personalisierte Strahlentherapie‘ am Institut für Strahlenbiologie (ISB), erschufen dazu winzige dreidimensionale Gewebe – eine Mischung aus Brustkrebs- und Bindegewebszellen.

„Denn“, so Anastasov, „in der klassischen Zellkultur wachsen Zellen zweidimensional. Das spiegelt die Eigenschaften eines Tumors im lebenden Organismus aber nur unzureichend wider.“ In ihrem neuen Testsystem können die Wissenschaftler die Krebszellen sowohl mit verschiedenen Substanzen als auch mit Strahlung behandeln und untersuchen – und das im dreidimensionalen Raum.

Während der Studie arbeiteten sie eng mit Kollegen der ‚Assay development and screening platform‘ am Helmholtz Zentrum München sowie der Münchener Sirion Biotech GmbH und der Schweizer InSphero AG zusammen.

Der Trick: Fluoreszierende Zellen in hängenden Tropfen

„Wir können bis zu 96 Kleinstgewebe gleichzeitig von einem Computer beobachten lassen“, erläutert Co-Autorin Dr. Ines Höfig das Grundprinzip. „Dazu lassen wir je ein dreidimensionales Kleinstgewebe als festen hängenden Tropfen an der Unterseite einer speziellen Lochplatte wachsen und tropfen diesen nach einigen Tagen in eine Analyseplatte.“

Und ihre Kollegin Vanja Radulović ergänzt: „Dadurch, dass die untersuchten Brusttumorzellen und die Bindegewebszellen unterschiedlich fluoreszenzmarkiert sind, leuchten sie verschiedenfarbig. Eine Software kann so genau erfassen, wie sie jeweils auf die Behandlung reagieren.“

Um ihr Verfahren zu bestätigen, erprobten die Wissenschaftlerinnen die Eigenschaften von mehreren Wirkstoffen, die bereits in der Tumortherapie eingesetzt werden. Das Medikament Vinblastin erwies sich hierbei in Kombination mit Bestrahlung als am effektivsten. Künftig plant das Team, ihr System um zusätzliche Komponenten des Tumorumfelds, wie etwa Stroma- oder Immunzellen, zu erweitern, um die Situation im Patienten optimal zu simulieren.

Prof. Dr. Michael Atkinson, Leiter des Instituts für Strahlenbiologie, stimmen die Ergebnisse seiner Mitarbeiterinnen optimistisch: „Erstmals ist damit ein komfortabler 3D-Test für Hochdurchsatzverfahren verfügbar, mit dem neue Wirkstoffe getestet werden können, die Tumorzellen für Strahlenbehandlung zugänglich machen. Das wird zum einen zukünftige Initiativen zur Wirkstoffentwicklung beschleunigen, zum anderen kann eine Kombination von bereits etablierten Wirkstoffen mit Bestrahlung getestet werden.“

Weitere Informationen

Hintergrund:
Die rapide Entwicklung von Resistenzen gegenüber konventionellen Therapien und niedermolekularen Verbindungen stellt eine große Herausforderung in der Onkologie dar. Ein Ansatz zur Überwindung von Resistenzen ist die Kombination von Wirkstoffen, um Synergieeffekte zu nutzen. Die Kombination von Chemotherapie und Bestrahlung birgt das Potenzial einer effektiven Kombination, dennoch wurde der optimale Mix noch nicht gefunden. Ein Manko bei der Identifizierung von potenziellen strahlensensitivierenden Wirkstoffen ist der Mangel an Modellen für Hochdurchsatzscreenings. Diese werden benötigt, um das konventionelle Testverfahren der Strahlenforschung, die Analyse des klonogenen Überlebens, zu ersetzen, welches als initiales Screeningtestverfahren zu zeitintensiv ist. Darüber hinaus besteht die wachsende Sorge, dass Monolayer und monotypische zelluläre Screeningtestverfahren das Ansprechverhalten eines dreidimensionalen soliden Tumors auf pharmakologische Wirkstoffe nicht in wirksamer Weise abbilden.

Original-Publikation:
Anastasov, N. et al. (2015). A 3D-microtissue-based phenotypic screening of radiation resistant tumor cells with synchronized chemotherapeutic treatment, BMC Cancer, DOI: 10.1186/s12885-015-1481-9

Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose, Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht es das Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 2.300 Mitarbeiter und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der 18 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 37.000 Beschäftigten angehören.

Im Zentrum der Forschung am Institut für Strahlenbiologie (ISB) stehen die Analyse der Wirkungen von Strahlenexposition im Niedrigdosisbereich und Untersuchungen zur Steigerung der Effektivität und Spezifität der Strahlentherapie von Tumoren. Die Forschungsgruppen untersuchen strahlenbiologische Effekte im Gewebe auch vor dem Hintergrund genetischer Prädisposition und individueller Faktoren, um den medizinischen Einsatz von Strahlung zu optimieren. Das ISB gehört dem Department of Radiation Sciences (DRS) an.

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