Neues Antibiotikum aus Pferdemist-Pilz
Mikrobiologen und Molekularbiologen der ETH Zürich und der Universität Bonn haben in Pilzen einen neuen Wirkstoff entdeckt, der Bakterien abtötet. Der Copsin genannte Stoff hat somit dieselbe Wirkung wie klassische Antibiotika, allerdings gehört er einer anderen biochemischen Stoffklasse an: Copsin ist ein Protein, während die klassischen Antibiotika organische Verbindungen, jedoch keine Proteine sind.
Entdeckt haben die Forschenden unter der Leitung von Markus Aebi, Professor für Mykologie, den Wirkstoff im Struppigen Mist-Tintling (Coprinopsis cinerea), einem Pilz, der auf Pferdedung wächst und auch hierzulande vorkommt.
Die Wissenschaftler interessierten sich zu Beginn der Forschungsarbeit dafür, wie dieser Pilz und verschiedene Bakterien einander im Wachstum beeinflussten. Dazu kultivierten sie den Pilz im Labor gemeinsam mit verschiedenen Bakterienarten.
Es zeigte sich, dass der Tintling in der Lage ist, einige Arten abzutöten. In weiterer Forschung konnten die Wissenschaftler aufzeigen, dass das vom Pilz produzierte Copsin für diese antibiotische Wirkung verantwortlich ist.
Copsin gehört zu den sogenannten Defensinen. Das sind kleine Proteine, welche viele Lebewesen zur Abwehr von krankmachenden Mikroorganismen herstellen. Auch der menschliche Körper stellt zum Schutz vor Infektionen Defensine her. Man konnte sie beispielsweise auf der Haut oder in Schleimhäuten nachweisen.
Frage der Grundlagenforschung
Für Aebi stand bei dieser Forschungsarbeit nicht so sehr eine Anwendung des neuen Wirkstoffs im Vordergrund. «Ob Copsin dereinst als Antibiotikum in der Medizin eingesetzt wird, wird sich zeigen. Das ist keineswegs sicher, aber auch nicht ausgeschlossen», sagt er.
Spannend findet der ETH-Professor vielmehr grundsätzliche Fragen. So setzen Pilze seit Millionen von Jahren erfolgreich Defensine und andere natürliche antibiotische Stoffe zur Abwehr von Bakterien ein. Warum funktioniert das bei Pilzen, während die Menschheit zwar seit 70 Jahren in der Medizin ebenfalls Antibiotika einsetzt, viele davon wegen Resistenzen jedoch bereits unbrauchbar sind?
«Pilze haben eine interne Gebrauchsanleitung, wie man diese Stoffe einsetzen muss, ohne dass resistente Bakterien selektioniert werden. Diese Anleitung zu entschlüsseln, ist eine spannende Frage der Grundlagenforschung», so Aebi.
Extrem stabiles Protein
Andreas Essig, Postdoc in Aebis Gruppe und Erstautor der Studie, lotet derzeit mögliche Anwendungen von Copsin aus, das die ETH zum Patent angemeldet hat. Dazu bewogen hat Essig die biochemischen Eigenschaften des Wirkstoffs. «Copsin ist ein aussergewöhnlich stabiles Protein», sagt Essig.
In der Regel sind Proteine anfällig auf proteinabbauende Enzyme und hohe Temperaturen. Copsin ist eine Ausnahme: Es bleibt auch stabil, wenn es während mehreren Stunden auf 100 Grad Celsius erhitzt oder proteinabbauenden Enzymen ausgesetzt wird. Die Wissenschaftler vermuten, dass das Protein diese Eigenschaften besitzt, weil es eine sehr kompakte dreidimensionale Struktur hat, wie sie mittels NMR-Spektroskopie herausgefunden haben.
Auch die genaue Wirkungsweise konnten die ETH-Forschenden entschlüsseln. So fanden sie heraus, dass sich Copsin an Lipid II, ein Baustoff für die Zellwand von Bakterien, heften kann. «Das Zusammensetzen der Zellwand ist die Achillesferse von Bakterien», sagt Essig. Heftet sich Copsin an Lipid II, sterben Bakterien ab, weil sie keine neue Zellhülle mehr bilden können.
Neben einer Anwendung als Antibiotikum in der Medizin wäre auch eine im Lebensmittelbereich denkbar. Copsin tötet nämlich unter anderem Listerien ab. Das sind Bakterien, die schwere Lebensmittelvergiftungen verursachen können und daher besonders bei der Herstellung von nicht erhitzten tierischen Lebensmitteln wie Rohmilchkäse oder getrocknetem Fleisch gefürchtet sind.
Literaturhinweis
Essig A, Hofmann D, Münch D, Gayathri S, Künzler M, Kallio PT, Sahl HG, Wider G, Schneider T, Aebi M: Copsin, a novel peptide-based fungal antibiotic interfering with the peptidoglycan synthesis. Journal of Biological Chemistry, Online-Publikation vom 23. Oktober 2014, doi: 10.1074/jbc.M114.599878 [http://dx.doi.org/10.1074/jbc.M114.599878]
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