Neues Zeitalter für die Entdeckung neuer Proteine

Proteine sind die funktionellen Einheiten der Zelle. Sie bilden sämtliche Strukturen und steuern die Abläufe in der Zelle. Der Code für den Bau der Proteine sind unsere Gene. Vom Code auf das Protein und dann sogar noch auf dessen Aufgabe zu schließen, ist eine der größten Herausforderungen für Genom- und Proteinforscher.

Unzählige bekannte und unbekannte Proteine arbeiten eng vernetzt in komplexen Stoffwechselprozessen zusammen. Die Funktion vieler Proteine ist noch unbekannt – ebenso, auf welchen Genen sie kodiert sind. Mit einer neuen Technik ist es nun möglich, neue Proteine zu entdecken, ihre Rolle bei Stoffwechselprozessen zu entschlüsseln und auch den entsprechenden Genen im Erbgut zuzuordnen. Der Name der Technik: Reaktom-Array.

Sie entstand in einer Zusammenarbeit der Bangor University in Großbritannien, dem Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) und dem Institut für Biokatalyse im spanischen Madrid. Das Wissenschaftsmagazin „Science“ stellt die neue Methode in seiner aktuellen Ausgabe vor.

Mit dem Reaktom-Array haben Wissenschaftler nun erstmals die Möglichkeit, die Lücke zu überbrücken, die zwischen den stetig wachsenden Genom-Datenmengen und den dahinter verschlüsselten tatsächlichen Aktivitäten in der Zelle besteht. „Wir können zwar sehr leicht die Elemente beschreiben und katalogisieren, die die DNA-Sequenzen bilden – die Gene“, sagt Peter Golyshin, Wissenschaftler in der Arbeitsgruppe „Umweltmikrobiologie“ am HZI und Professor für Umweltgenomik an der britischen Bangor University in Wales. „Um ihre Funktion zu klären, mussten Wissenschaftler sie aber in der Vergangenheit mit bestehenden Datenbanken vergleichen, bei denen die Funktion des Gens bereits bekannt war. In gewissem Sinne verglichen sie damit immer nur bekannte Gene und Proteine mit bereits bekannten Funktionen.“

Mit dem Reaktom-Array suchen die Wissenschaftler nicht länger über die Gene nach neuen Proteinen, sondern sind nun in der Lage mit einem Chip auf einen Streich sämtliche Proteine in einer Zellart oder Zellengemeinschaft zu erkennen. Und damit suchen sie nicht länger nur nach bereits bekannten Mustern, sondern können auch bisher unbekannte Proteine finden.

Für ihre Versuche stellen die Wissenschaftler zuerst aus ihrer Zellprobe einen Extrakt der Proteine her. Anschließend bringen sie dieses Gemisch auf den von ihnen entwickelten Chip: Auf einer Glasplatte sind tausende von Molekülen aufgedruckt. Eine Sammlung von etwa 1700 Stoffwechselprodukten aus allen Lebensformen. Der Chip leistet zweierlei: Erstens ist ein Satz dieser Moleküle mit Farbstoffen verbunden. Wenn ein Protein aus dem Probenextrakt mit einem dieser markierten Stoffe reagiert, verfärbt sich der Punkt. „Im Gegensatz zu vielen bisher verwendeten Methoden zeigt dieser neuartige Chip, welche Stoffwechselreaktionen mikrobielle Gemeinschaften in ihrer Umgebung tatsächlich durchführen und wie sie diese letztlich beeinflussen“, sagt Peter Golyshin.

Zweitens sind dieselben 1700 Moleküle noch einmal an winzige Nanopartikel gekoppelt. Auf diese Weise dienen sie als Köder für neue Proteine, die die Wissenschaftler dann aufreinigen und untersuchen. Damit konnten die Wissenschaftler hunderte Proteine einordnen, deren Aufgabe im Zellstoffwechsel sie bisher nicht kannten und vor allem Genen zuordnen.

„Der Reaktom-Array ist ein bahnbrechendes Forschungswerkzeug und für alle Zelltypen anwendbar“, sagt Kenneth N. Timmis, Leiter der Arbeitsgruppe Umweltmikrobiologie am HZI. „Und da er den Stoffwechsel von Zellen, Gewebe oder Organen zum Zeitpunkt der Probenahme darstellt und auch genaue Vergleiche möglich macht, können wir damit den Gesundheitszustand solcher Zellen beurteilen.“ Die Reaktom-Array Technologie können Wissenschaftler in der Grundlagenforschung bis hin zur Wirkstoffentwicklung für die Medizin nutzen. Ebenso können sie es in den Agrarwissenschaften, der Lebensmittelherstellung, der Landwirtschaft, der Materialwissenschaft und sogar im Biobergbau einsetzen.

Originalartikel: Reactome Array: Forging a Link Between Metabolome and Genome. A Beloqui, ME Guazzaroni, F Pazos, JM Vieites, M Godoy, OV Golyshina, TN Chernikova, A Waliczek, R Silva-Rocha, Y Al-ramahi, V La Cono, C Mendez, JA Salas, R Solano, MM Yakimov, KN Timmis, PN Golyshin, and M Ferrer. Science 9 October 2009: 252-257.

Media Contact

Dr. Bastian Dornbach Helmholtz-Zentrum

Weitere Informationen:

http://www.helmholtz-hzi.de

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