Ordnung am Rand der Welle

Das koordinierte Schlagmuster der Zilien wird durch nicht-reziproke Wechselwirkungen und die Randregionen gesteuert, wie in einem neuen Modell beschrieben.
(C) MPI-DS/ LMP

Randregionen können Flimmerhärchen dazu veranlassen, ihre Bewegung zu koordinieren und eine unidirektionale Welle zu erzeugen, die für biologische Funktionen unerlässlich ist. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation (MPI-DS) in Göttingen haben ein neues Modell entwickelt, das dieses von der Randregion gesteuerte Synchronisationsmuster beschreibt.

Was haben Fans in einem Fußballstadion, die Füße eines Tausendfüßlers und das Innere der Lunge gemeinsam? All diese Systeme weisen dieselbe spezifische Art der Organisation auf, wie Wissenschaftler kürzlich herausgefunden haben. Die La-Ola in einem Stadion sieht aus wie ein Muster, das sich über die Ränge ausbreitet. In ähnlicher Weise bewegen sich die Beine eines Tausendfüßlers mit scheinbaren Wellen, die sich über seine gesamte Länge ausbreiten. Auf mikroskopischer Ebene wiederum bewegen sich winzige Flimmerhärchen, genannt Zilien, in unserer Lunge, um den Schleim zu transportieren. Dies dient dabei als erste Verteidigungslinie gegen eindringende Krankheitserreger.

Ungleiche Wechselwirkungen zwischen den Zilien führen zur Synchronisation

Um eine synchrone und effiziente Welle zu erzeugen, müssen die Zilien ihre Schlagbewegung genau koordinieren. Im Gegensatz zu Fußballfans, die ihre Nachbarn beobachten, oder dem Nervensystem, das die Beine des Tausendfüßlers koordiniert, verfügen die Zilien nicht über ein solches intelligentes Kontrollsystem. In ihrer neuen Studie beleuchten die Wissenschaftler David Hickey, Ramin Golestanian und Andrej Vilfan aus der Abteilung Physik Lebender Materie am MPI-DS nun die Bedeutung von Randbereichen für die Koordination der Zilien.

„Wenn viele Zilien eng beieinander schlagen, können sie sich synchronisieren, indem sie etwas früher als ihre Nachbarn auf der einen Seite und etwas später als ihre Nachbarn auf der anderen Seite schlagen – ähnlich einer La-Ola im Stadion“, sagt David Hickey, Erstautor der Studie. Diese Synchronisation wird durch die Flüssigkeit, die die Zilien umgibt, vermittelt und durch die Randregion initiiert. Bemerkenswert ist, dass zwei nahe beieinander schlagende Zilien nicht unbedingt die gleiche Kraft aufeinander ausüben. Je nach Position kann ein Zilium von seinem Nachbarn stärker beeinflusst werden als umgekehrt, insbesondere in einem dichten Teppich von Zilien, wie er in der Natur häufig vorkommt. Dies kann schließlich zu einem gerichteten, nicht reziproken Muster führen, das eine Welle bildet.

Die Synchronisation der Zilien wird durch Randregionen initiiert

„Die Zilien an einer Randregion übernehmen die Rolle eines Schrittmachers, der andere Zilien nacheinander antreibt“, fasst Hickey die Ergebnisse zusammen. „Diese Beobachtung unterscheidet sich von früheren Modellen, bei denen man davon ausging, dass Ränder sogar die Ordnung stören“, fährt er fort. Diese Ansicht teilte seinerzeit auch der berühmte Physiker Wolfgang Pauli, der hierzu scherzte: „Gott schuf das Volumen, der Teufel die Oberfläche.“
Wie nun festgestellt wurde, können Randregionen von Oberflächen tatsächlich ein besseres Verständnis der Selbstorganisation lebender Materie ermöglichen. Gleichzeitig offenbart das Modell verblüffende Ähnlichkeiten zwischen Mechanismen in der mikroskopischen Welt und auf der makroskopischen Skala.

Originalpublikation:

https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.2307279120

Weitere Informationen:

https://www.ds.mpg.de/4027180/230929_Cilia

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Dr. Manuel Maidorn Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation

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