Polymer mit Trojanischem Pferd für die Kreislaufwirtschaft

Polymer mit Trojanischem Pferd für die Kreislaufwirtschaft
(c) Wiley-VCH

Neue Strategie für rezyklierbare Polyolefine.

Kunststoffe aus Polyolefinen sind aus unserem täglichen Leben kaum mehr wegzudenken. Leider hapert es an praktikablen Recyclingwegen. In der Zeitschrift Angewandte Chemie stellt ein Forschungsteam jetzt einen Ansatz für neuartige Polyolefine vor, die chemisch zerlegt und ohne Qualitätsverlust wieder polymerisiert werden können. Erfolgsgeheimnis sind maskierte Doppelbindungen, die mit speziellen funktionellen Gruppen wie mit einem „Trojanischen Pferd“ in die Polymerkette eingebracht werden.

Polyolefine sind stabile, leichte, vielseitige, kostengünstige Kunststoffe aus sehr langen Kohlenwasserstoffketten. Die hohe Stabilität und Festigkeit hat jedoch eine Kehrseite: So sind Polyolefine auch nach Gebrauch in der Umwelt ausgesprochen langlebig. Und beim mechanischen Recycling entstehen Produkte mit minderwertigen Eigenschaften. Die hohe chemische Stabilität der Polyolefine verhindert auch eine chemische Depolymerisierung zurück zum Monomer.

Nachhaltiger wäre eine Kreislaufwirtschaft auf der Basis alternativer, chemisch rezyklierbarer Polyolefine, die in kleinere Fragmente zerlegt, gereinigt und erneut polymerisiert werden könnten. Diese kleineren Fragmente sind zudem vermutlich leichter bioabbaubar, falls sie versehentlich in die Umwelt gelangen. Dazu müsste die Polymerkette aber anders als herkömmliche Polyolefine spaltbare funktionelle Gruppen enthalten. Das Team um Geoffrey W. Coates von der Cornell University (Ithaca, NY, USA) ist jetzt einen Schritt auf diesem Weg gegangen. Der neuartige Ansatz basiert auf einer kleinen Menge ungesättigter Bindungen, die mit einer als „Trojanisches Pferd“ wirkenden Schutzgruppe in die Polyolefinketten eingebaut werden.

Dazu polymerisiert das Team Ethylen zu Polyethylen in Gegenwart eines speziellen zyklischen Co-Monomers (Oxanorbornadien). Durch Erhitzen des Copolymers „öffnet sich“ das Trojanische Pferd: In einer sog. retro-Diels-Alder-Reaktion bricht der Ring auf und hinterlässt eine Doppelbindung in der Polymerkette. Über die Menge des Co-Monomers im Ansatz lässt sich der Abstand zwischen den Doppelbindungen im Polymerrückgrat gezielt einstellen.

In einer als Olefin-Kreuz-Metathese bezeichneten Reaktion werden die Ketten dann – formal gesehen – an den Doppelbindungen aufgespalten und mit einem anderen Molekül (2-Hydroxyethyl-acrylat) verknüpft, sodass kürzere Ketten mit reaktiven Gruppen an den Enden entstehen. Diese Makromonomere werden dann wieder miteinander verbunden zu einem Polyethylen mit einer geringen Menge an Esterbindungen.

Auf diese Weise gelang es dem Team, Polymere herzustellen, die in ihren thermischen und mechanischen Eigenschaften Hart-Polyethylen (High Density Polyethylen, HDPE), einem sehr wichtigen, weit verbreiteten Kunststoff entsprechen. Im Unterschied dazu weist das Material Ester-Verknüpfungen entlang des Polymer-Rückgrats auf. An diesen Stellen lassen sich die Polymerketten beim Recycling chemisch spalten und die ursprünglichen Makromonomere zurückerhalten. Nach einer Reinigung können sie erneut repolymerisiert werden – ohne Qualitätseinbußen.

Angewandte Chemie: Presseinfo 24/2023

Autor/-in: Geoffrey W. Coates, Cornell University (USA), https://coates.chem.cornell.edu/

Angewandte Chemie, Postfach 101161, 69451 Weinheim, Germany.
Die „Angewandte Chemie“ ist eine Publikation der GDCh.

Originalpublikation:

https://doi.org/10.1002/ange.202301927

Weitere Informationen:

http://presse.angewandte.de

Media Contact

Dr. Karin J. Schmitz Abteilung Öffentlichkeitsarbeit
Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V.

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Sensoren für „Ladezustand“ biologischer Zellen

Ein Team um den Pflanzenbiotechnologen Prof. Dr. Markus Schwarzländer von der Universität Münster und den Biochemiker Prof. Dr. Bruce Morgan von der Universität des Saarlandes hat Biosensoren entwickelt, mit denen…

3D-Tumormodelle für Bauchspeicheldrüsenkrebsforschung an der Universität Halle

Organoide, Innovation und Hoffnung

Transformation der Therapie von Bauchspeicheldrüsenkrebs. Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) bleibt eine der schwierigsten Krebsarten, die es zu behandeln gilt, was weltweite Bemühungen zur Erforschung neuer therapeutischer Ansätze anspornt. Eine solche bahnbrechende Initiative…

Leuchtende Zellkerne geben Schlüsselgene preis

Bonner Forscher zeigen, wie Gene, die für Krankheiten relevant sind, leichter identifiziert werden können. Die Identifizierung von Genen, die an der Entstehung von Krankheiten beteiligt sind, ist eine der großen…