Polypropylen-Rezyklate
Beste Qualität bei minimalen Kosten durch exakte Stabilisierung.
Organischen Substanzen, auch Kunststoffe wie Polypropylen (PP), unterliegen in Gegenwart von Sauerstoff einem Autooxidationsprozess. Dieser findet bei den hohen Temperaturen der Schmelze-Verarbeitung, der Compoundierung und dem Spritzguss millionenfach beschleunigt statt. Die Folge bei PP ist ein Abbau der Polymerketten, also eine Degradation der Molmasse, was einer Wiederverwertung von Produkten aus diesen Kunststoffen entgegensteht. Im Verarbeitungsprozess zugesetzte Antioxidantien verlangsamen den Abbau. Ohne diese Additive ließen sich viele Alltagsgegenstände nicht brauchbar herstellen. Forschende aus dem Fraunhofer LBF können die Additivierung exakt bestimmen und Kosten reduzieren.
Bisher wird bei der Entwicklung von neuen Compounds der optimale Anteil an Antioxidantien in umfangreichen und damit kostenintensiven Versuchsreihen ermittelt. Schließlich möchte der Verarbeiter die Eigenschaften des Kunststoffs bestmöglich erhalten. Bei der Rezyklat-Gewinnung aus Altmaterialchargen mit stark wechselnder Qualität und unterschiedlichem Reststabilisator-Gehalt sind langwierige Vorversuche nicht rentabel. Der Ansatz, einfach »genug« Stabilisator hinzuzugeben, ist für eine konsequente Kreislaufwirtschaft ungeeignet oder zu kostspielig. Zudem gibt es für die Verträglichkeit von Stabilisatoren mit dem Polymeren eine Obergrenze. Denn der Kunststoff soll nicht nur ein second, sondern auch ein third, fourth usw. Leben erfahren. Während eines jeden Lebenszyklus‘ verbrauchen sich bestimmungsgemäß die Stabilisatoren, wobei deren Folgeprodukte im Kunststoff verbleiben. Umso wichtiger ist es, bei der Rezyklat-Gewinnung nur die unbedingt erforderliche Menge an Stabilisator hinzu zu dosieren. Online-rheologische Untersuchungen beschleunigen den Vorgang, die exakte Stabilisierung zu erzielen und die Kosten zu optimieren.
Online-Charakterisierung für eine angepasste Stabilisierung von Rezyklaten
Um sofort Aussagen über die Wirksamkeit der eingestellten Stabilisator-Zugabe zu gewinnen, verfolgen Forschende aus dem Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF den Ansatz, bereits während der Compoundierung online die Schmelze zu charakterisieren. Aussagekräftige Informationen zum Verarbeitungsverhalten von Kunststoffen lassen sich mit einem Online-Rheometer gewinnen. Es misst die Fließkurven sowohl der Scher- als auch der Dehnviskosität.
In ersten Versuchen am Fraunhofer LBF diente ein marginal stabilisiertes Neuware PP als Modellpolymer. An diesem wurde ein klarer Zusammenhang zwischen den Viskositätswerten und der Stabilisator-Konzentration bzw. den Viskositätswerten und der Molmasse festgestellt. An Recycling-Materialien wurden je ein post-industrial und post-consumer Recycling PP untersucht. Das post-industrial PP aus Anfahrmaterial und Angüssen von Spritzgussprozessen weist noch einen hohen Stabilisator-Anteil auf. Somit lassen sich hier mit Stabilisator-Zugaben über 0,1 Prozent hinaus keine signifikanten Verbesserungen beim Erhalt der Molmasse erzielen – die Fließkurven für die untersuchten Stabilisator-Zugaben liegen dementsprechend nahezu übereinander. Bei dem post-consumer PP sind die Antioxidantien in hohem Maße verbraucht, womit eine signifikante Schädigung bei der Verarbeitung verbunden ist, die sich in einer niedrigen Viskosität/Fließkurve bemerkbar macht. Für eine optimierte Stabilisierung und minimierte Schädigung des Rezyklats ist hier eine Zugabe von 0,5 Prozent Additiv erforderlich.
Kunststoff-Rezepturen rentabler machen
Aus den Online-rheologischen Messungen lassen sich aussagekräftige Rückschlüsse auf die für die jeweilige Altkunststoff-Charge sinnvoll hinzuzufügende Menge an Antioxidantien ziehen. Die hier vorgestellte Online-Rheologie steht Projektpartnern des Fraunhofer LBF zur Verfügung. Kunststoffverarbeiter erhalten damit unmittelbar Informationen zur Auswirkung eines Prozess-Stabilisators und können ihre Rezeptur kosteneffizienter herstellen und rentabler machen.
Zusätzlich spiegeln die Fließkurven der Dehnviskosität die Stabilität der Schmelze wider. Im Gegensatz zur Scherviskosität wird die Dehnviskosität sehr empfindlich durch den Faseranteil und die Faserverteilung beeinflusst. Da die Schmelze-Stabilität ein wichtiges Kriterium für die Verwendung eines gegebenen Compounds für Blasformverfahren ist, kann die Online-Rheologie den Compound-Entwickler auch hierbei unterstützen.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Bernd Steinhoff, bernd.steinhoff@lbf.fraunhofer.de
Weitere Informationen:
https://www.lbf.fraunhofer.de/de/projekte/online-rheologie-polypropylen.html?utm… Mehr Informationen zur Online-Rheologie
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