"Dich (er)kenne ich": Vasopressin hilft bei der sozialen Kommunikation
Das im Gehirn gebildete, aus neun Aminosäuren bestehende Peptid Vasopressin war lange Zeit nur als nierenwirksames antidiuretisches Hormon bekannt, doch dann wurde immer deutlicher: Vasopressin kann mehr. Es wirkt als Signalmolekül auch innerhalb des Gehirns und sorgt dort für die Regulation der Körpertemperatur, aber auch für die Steuerung von Emotionen und die Antwort auf Stress. Naheliegend, dass Vasopressin mit psychischen Erkrankungen in Zusammenhang gebracht wird, mit Depression zum Beispiel und mit Autismus.
Nun hat eine Gruppe von Wissenschaftlern aus Schottland, Japan und Deutschland den bereits bekannten Funktionen eine bisher unbekannte hinzufügen können: Vasopressin kontrolliert im Gehirn die Verarbeitung von Duftstoffsignalen, die das soziale Zusammenleben bestimmen. Zunächst bei Labornagern erkundet, gibt es erste Hinweise darauf, dass dieses Prinzip auch für den Menschen Bedeutung hat. Zwar wusste man schon seit längerem, dass spezielle molekulare Empfänger (Rezeptoren) für Vasopressin im Riechkolben existieren, in dem Bereich des Gehirns also, der mit den Sinneszellen in der Riechschleimhaut der Nase zusammenarbeitet. Unklar aber war, woher das den Rezeptoren zugedachte Vasopressin stammt und wie es dort die Duftwahrnehmung beeinflusst. Unter Verwendung spezieller Rattenmutanten gelang es nun erstmals, in unmittelbarer Nähe zu den Rezeptor tragenden andere Nervenzellen nachzuweisen, die das Vasopressin produzieren. Dort freigesetzt, erleichtert es das Wiedererkennen von Artgenossen – eine Beobachtung, die von Forschern der Medizinischen Fakultät an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg gemacht wurde. Die Arbeitsgruppe „Neuroendokrinologie und Verhalten“ des Institutes für Biochemie und Zellbiologie, von apl. Prof. Dr. Mario Engelmann geleitet, ging diesem Phänomen nach und fand dabei heraus, dass Vasopressin ein wichtiges Signalmolekül in einem „Filtersystem“ ist, das bei wiederholtem Kontakt mit Artgenossen gleichsam angeschaltet wird.
Das der Studie zugrunde liegende Projekt ist von den Magdeburgern gemeinsam mit den schottischen Kollegen entworfen worden. Förderer auf deutscher Seite waren der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). „Wie hoch der Wert der Ergebnisse veranschlagt wird“, sagt Engelmann, „lässt sich schon allein aus der Tatsache ablesen, dass sie von der führenden naturwissenschaftlichen Zeitschrift, der in London erscheinenden Nature, veröffentlicht wurden. Die Gutachten der Fachkollegen waren ausgesprochen positiv.“ Zusammen mit den Mitarbeitern Dr. Kristina Langnaese und Dipl.-Biol. Julia Noack ist Prof. Engelmann Ko-Autor der Arbeit. „Unsere Stärke war neben der theoretisch-fachlichen Kompetenz das ausgefeilte neurobiologische Methodenrepertoire, das zu wesentlichen Teilen in den Händen meiner Kolleginnen liegt“, so Engelmann. Und weiter: „Vermutlich ist der von Vasopressin kontrollierte Filtermechanismus nicht auf das von uns untersuchte Hirnareal beschränkt, sondern spielt auch in anderen Gehirnbereichen eine Rolle, zum Beispiel in solchen, die in die Entstehung von Emotionen direkt eingebunden sind. Wir haben überzeugende Hinweise darauf, dass Störungen dieses Systems für eine Reihe von psychischen Erkrankungen verantwortlich sind.“
Engelmanns Arbeitsgruppe wird die Kooperation mit den Kollegen aus Schottland und Japan fortsetzen. Im Februar reisten die Magdeburger erneut nach Edinburgh. Es ging um neue Ziele und Strategien. Professor Engelmann ist sicher: „Noch sind nicht alle Geheimnisse des Vasopressins gelüftet.“ Vom „Tausendsassa“ spricht er, wenn es um „sein“ Vasopressin geht.
Artikel: Tobin, V.A., Hashimoto, H., Wacker, D.W., Takayanagi, Y., Langnaese, K., Caquineau, C., Noack, J., Landgraf, R., Onaka, T., Leng, G., Meddle, S.L., Engelmann, M., Ludwig, M.: An intrinsic vasopressin system in the olfactory bulb is involved in social recognition. DOI: 10.1038/nature08826
http://www.nature.com/nature/journal/vaop/ncurrent/abs/nature08826.html
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