Rolle des Proteins CD30 zur Früherkennung des Hodgkin-Lymphoms

Detaillierte dreidimensionale Darstellung mehrerer rot markierter CD30-positiver Lymphozyten in einem entzündeten Lymphknoten. Aktinfilamente, die das Gewebe durchziehen, sind zur Abgrenzung grün markiert. Die blaue Färbung markiert andere Zellen.
© Martin-Leo Hansmann

Ein Protein namens CD30 auf den Tumorzellen des Hodgkin-Lymphoms ist ein wichtiger diagnostischer Marker für diesen Krebs. Da sich CD30 aber auch auf seltenen aktivierten Immunzellen findet, hat das Team um Martin-Leo Hansmann (FIAS) und Ralf Küppers (UK Essen) mit Unterstützung der Wilhelm Sander-Stiftung untersucht, ob CD30-Zellen in Entzündungsreaktionen Vorstufen der Tumorzellen des Hodgkin-Lymphoms sind und worin sich diese CD30-positiven Zellen unterscheiden. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Entzündungsreaktionen keine Krebsvorstufen sind und dass sich die beiden Arten von CD30-Zellen deutlich darin unterschieden, welche Beziehungen sie zu anderen Zellen im Gewebe unterhalten.

Das Hodgkin-Lymphom ist eine der häufigsten Formen von Lymphdrüsenkrebs, vor allem unter jungen Erwachsenen. Forschende um Prof. Martin-Leo Hansmann aus Frankfurt/Main und Prof. Ralf Küppers aus Essen haben nun weitere Lücken bei der Aufdeckung der Entstehung des Hodgkin-Lymphoms geschlossen.

Bei allen Fällen des Hodgkin-Lymphoms findet sich auf der Zelloberfläche der Krebszellen (der Hodgkin- und Reed-Sternberg-Zellen) ein Protein namens CD30 als Signalempfänger. CD30 ist ein zentraler Marker für die genaue Diagnose des Hodgkin-Lymphoms, da ansonsten nur wenige Immunzellen und andere Lymphome CD30 ausprägen. Vor ein paar Jahren wurde zudem eine Therapie entwickelt, bei der Antikörper die Tumorzellen direkt abtöten, indem sie sich an das Protein CD30 binden.

Mikroskopisches Bild eines entzündeten Lymphknotens mit zahlreichen CD30-positiven Lymphozyten (in rot dargestellt). Zur Darstellung der Gewebestruktur sind Aktinfilamente grün angefärbt.
© Martin-Leo Hansmann

„Wir fragten uns, ob ungewöhnlich große Ansammlungen von ansonsten seltenen CD30-ausgeprägten B-Lymphozyten (Lymphozyten sind kleine Vertreter der weißen Blutzellen, wichtigster Träger der gezielten Immunabwehr und Produzenten von Abwehrstoffen) eine Vorstufe des Hodgkin-Lymphoms darstellen können, was für das Verständnis der Lymphomentstehung und eventuell für eine frühzeitige Diagnose wichtig wäre“ so die beiden Forschenden Hansmann und Küppers. „Wir konnten nachweisen, dass dies nicht der Fall ist“ erzählt Küppers. Dafür wurden einzelne CD30-positive B-Zellen aus Gewebeschnitten ausgewählter Lymphknoten unter einem Mikroskop mit Hilfe von Laserstrahlern isoliert. Anschließend wurde aus zahlreichen Zellen der Teil des Erbgutes, der die Antikörpergene enthält, vermehrt und die Sequenz der Gene bestimmt. So konnten die Forschenden erkennen, ob die vermehrten B-Lymphozyten aus verschiedenen Vorläufern gebildet werden, oder ob sie Abkömmlinge einer einzigen Zelle sind. Letzteres ist typisch für ein Lymphom, da jedes Lymphom aus der bösartigen Entartung eines einzelnen Lymphozyten entsteht. Von den untersuchten acht Lymphknoten handelte es sich in keinem der Fälle um CD30 B-Lymphozyten eines einzigen Stammbaums. Damit gibt es keinen Hinweis darauf, dass dies Lymphom-Vorläufer-Strukturen sind. Anscheinend handelt es sich um entzündliche Reaktionen, bei denen viele B-Lymphozyten den Aktivierungsmarker CD30 ausprägen.

Für die wichtige Unterscheidung eines Hodgkin-Lymphoms von einer entzündlichen Reaktion mit vielen CD30 B-Zellen fanden die Forschenden relevante Unterschiede in Bezug auf die Beziehung von reaktiven CD30 B-Zellen und Hodgkin- und Reed-Sternberg-Zellen zu anderen Zellen im Mikromilieu der Immunzellen im Gewebe. Normale CD30 B-Zellen und Hodgkin- und Reed-Sternberg-Zellen weisen unterschiedliche Präferenzen bezüglich der räumlichen Nähe zu anderen Zellen in ihrer Umgebung auf.

„Als letztes interessierte uns, welche Genveränderungen, also Mutationen, an der Entstehung des Hodgkin-Lymphoms beteiligt sind“ so Hansmann. Mit weiteren Kooperationspartner:innen konnten Hansmann und Küppers in einem ersten Teilergebnis zeigen, dass das Gen für einen bekannten Regulator von Genaktivitäten, das BCOR-Protein, in einigen Fällen von Hodgkin-Lymphom durch Mutation seine Funktion verlor. Mit der Fortführung der umfassenden Untersuchungen zu den Genveränderungen im Hodgkin-Lymphom erhoffen sich die Forscher zukünftig neue Ansatzpunkte für eine zielgerichtetere Therapie dieser Krebserkrankung zu finden.

* Die in diesem Text verwendeten Genderbegriffe vertreten alle Geschlechtsformen.

Wilhelm Sander-Stiftung: Partner innovativer Krebsforschung

Die Wilhelm Sander-Stiftung hat das Forschungsprojekt mit insgesamt rund 176.000 Euro über 24 Monate unterstützt. Stiftungszweck ist die Förderung der medizinischen Forschung, insbesondere von Projekten im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden insgesamt über 270 Millionen Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz ausbezahlt. Damit ist die Wilhelm Sander-Stiftung eine der bedeutendsten privaten Forschungsstiftungen im deutschen Raum. Sie ging aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.

Kontakt
Konstanze Adam
Wilhelm Sander-Stiftung
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit & Stiftungskommunikation
Tel.: +49 (0) 89 544187-0
Fax: +49 (0) 89 544187-20
E-Mail: adam@sanst.de

FIAS (Frankfurt Institute for Advanced Studies)

Das FIAS ist eine interdisziplinäre Forschungseinrichtung in Frankfurt am Main. Hier entwickeln international ausgewiesene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Theorien zu komplexen naturwissenschaftlichen Zukunftsthemen in den Bereichen theoretische Naturwissenschaften, Computerwissenschaften und KI-Systeme sowie Lebens- und Neurowissenschaften. Über die Grenzen der Disziplinen hinweg erforschen sie mit Hilfe mathematischer Algorithmen und Simulationen die komplexen selbstorganisierenden Systeme der Natur. Das FIAS ist eine gemeinnützige Stiftung zwischen der Goethe-Universität und privaten Stiftern und Sponsoren.

Kontakt
Dr. Anja Störiko
Pressereferentin
Büro 1|202
Ruth-Moufang-Straße 1
60438 Frankfurt am Main
Tel.: +49 (0)69 798 47507
E-Mail: stoeriko@fias.uni-frankfurt.de

Über die Medizinische Fakultät der Universität Duisburg-Essen

Wissenschaft und Forschung auf höchstem internationalem Niveau und eine herausragende, exzellente Ausbildung zukünftiger Ärzt:innen: Diese Ziele hat sich die Medizinische Fakultät gesteckt und verfolgt sie mit Nachdruck. Wesentliche Grundlage für die klinische Leistungsfähigkeit ist die Forschung an der Fakultät mit ihrer klaren Schwerpunktsetzung in Herz- und Kreislauferkrankungen, Immunologie und Infektiologie, Onkologie, Translationaler Neuro- und Verhaltenswissenschaften sowie Transplantation.

Kontakt
Martin Rolshoven, M. A.
Wissenschaftsredakteur
Dekanat
Medizinische Fakultät der Universität Duisburg-Essen
Referat für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Hufelandstr. 55
45147 Essen
Tel.: +49 (0) 201 723 6274
E-Mail: martin.rolshoven@uk-essen.de

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. med. Martin-Leo Hansmann
Frankfurt Institute for Advanced Studies
Ruth-Moufang-Straße 1
60438 Frankfurt am Main
Tel.: +49 (0) 69-6301-85446
E-Mail: m.l.hansmann@em.uni-frankfurt.de

Prof. Dr. rer. nat. Ralf Küppers
Institut für Zellbiologie (Tumorforschung)
Medizinische Fakultät
Universität Duisburg-Essen
Virchowstr. 173
45122 Essen
Tel.: +49 (0) 201-723-3384
E-Mail: ralf.kueppers@uk-essen.de

Originalpublikation:

1. Giefing M, Gearhart MD, Schneider M, Overbeck B, Klapper W, Hartmann S, Ustaszewski A, Weniger MA, Wiehle L, Hansmann ML, Melnick A, Béguelin W, Sundström C, Küppers R, Bardwell VJ, Siebert R. (2022) Loss of function mutations of BCOR in classical Hodgkin lymphoma. Leuk Lymphoma; 63:1080-1090

2. Hannig J, Schäfer H, Ackermann J, Hebel M, Schäfer T, Döring C, Hartmann S, Hansmann ML#, Koch I#. (2020) Bioinformatics analysis of whole slide images reveals significant neighborhood preferences of tumor cells in Hodgkin lymphoma. PLoS Comput Biol; 16:e1007516, #gemeinsame Seniorautoren

3. doi 123:151750

4. doi 402:991-999

Weitere Informationen:

http://www.wilhelm-sander-stiftung.de/
http://www.fias.institute/
http://www.uk-essen.de/institut/zellbiologie/
http://www.uni-due.de/med/news

Media Contact

Konstanze Adam Presse- und Öffentlichkeitsarbeit & Stiftungskommunikation
Wilhelm Sander-Stiftung

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Spitzenforschung in der Bioprozesstechnik

Das IMC Krems University of Applied Sciences (IMC Krems) hat sich im Bereich Bioprocess Engineering (Bioprozess- oder Prozesstechnik) als Institution mit herausragender Expertise im Bereich Fermentationstechnologie etabliert. Unter der Leitung…

Datensammler am Meeresgrund

Neuer Messknoten vor Boknis Eck wurde heute installiert. In der Eckernförder Bucht, knapp zwei Kilometer vor der Küste, befindet sich eine der ältesten marinen Zeitserienstationen weltweit: Boknis Eck. Seit 1957…

Rotorblätter für Mega-Windkraftanlagen optimiert

Ein internationales Forschungsteam an der Fachhochschule (FH) Kiel hat die aerodynamischen Profile von Rotorblättern von Mega-Windkraftanlagen optimiert. Hierfür analysierte das Team den Übergangsbereich von Rotorblättern direkt an der Rotornabe, der…