Schalter für die CO2-Nutzung in Cyanobakterien

Von Cyanobakterien dominierte Bodenkruste in der israelischen Wüste Negev, die den Boden stabilisiert und mit Nährstoffen anreichert. Eine mechanische Schädigung der Kruste führt zur ungehinderten Ausbreitung von Sand und weiterer Wüstenbildung.
(c) privat

Der israelische Humboldt-Forschungsstipendiat Dr. Nadev Oren von der Hebrew University in Jerusalem untersucht am Institut für Biologie der Universität Rostock Cyanobakterien, also so genannte Blaualgen. Sie nehmen etwa 25 Prozent des Treibhausgases Kohlendioxyd (CO2) durch ihre Photosynthese auf. „Einige fadenförmige Cyanobakterien haben bemerkenswerte Fähigkeiten entwickelt, die es ihnen ermöglichen, dort zu wachsen, wo andere Organismen es nicht schaffen“, sagt Dr. Oren.

Der israelische Wissenschaftler Dr. Nadev Oren forscht an der Universität Rostock.
(c) Julia Tetzke / ITMZ/Universität Rostock

Der Gastwissenschaftler beschäftigte sich bereits an seiner israelischen Heimatuniversität mit der Austrocknungstoleranz von Cyanobakterien in der Wüste Negev. „Das ist eine der rauesten Umgebungen für Leben auf der Erde, mit großen Temperaturschwankungen, häufigen Wechsel zwischen Wasserverfügbarkeit und Trockenheit und extrem hohem Licht“, schildert Dr. Oren. Um einen trockenen und heißen Lebensraum erfolgreich zu besiedeln, haben sich Cyanobakterien der Bodenkruste vielfältig angepasst. Wie Dr. Oren sagt, sind die Grundlagen dieser Anpassungen bis heute allerdings nur unvollkommen verstanden.

Hier setzt das Forschungsprojekt von Dr. Oren an. Während seines zweijährigen Aufenthalts an der Universität Rostock führt der israelische Wissenschaftler seine in der Heimat begonnene Forschung fort. Dr. Oren untersucht nun auf molekularer Ebene die Auswirkungen von Trockenstress auf den Stoffwechsel des Cyanobakteriums Leptolyngbya, das in sogenannten Biologischen Bodenkrusten der Wüste Negev weitverbreitet ist. Wie der Gastwissenschaftler erläutert, wird dabei eine von ihm mit entwickelte Apparatur zur exakten Einstellung von definierten Trocken-, Temperatur- sowie Lichtbedingungen für die Behandlung der cyanobakteriellen Zellen zum Einsatz kommen.

„In dieser Apparatur wird verfolgt, wie Zellen des Cyanobakteriums Leptolyngbia bei einsetzendem Trockenstress schrittweise die biologische Aktivität einstellen und bei Wasserzugabe sofort wiederherstellen“, sagt Nadev Oren. Er fand heraus, dass dieses Cyanobakterium ein genetisches Anpassungsprogramm an Trockenstress startet, das durch Licht aktiviert beziehungsweise inaktiviert wird.

„Dr. Oren ist extrem gut ausgebildet und sehr offenen für neue Fragestellungen“, unterstreicht sein Rostocker Gastgeber Professor Martin Hagemann. Der Rostocker Forscher gilt international als Experte für den Stoffwechsel von Cyanobakterien. Und so kam das aktuelle Forschungsprojekt auch durch die langjährige Zusammenarbeit von Professor Hagemann von der Abteilung Pflanzenphysiologie der Universität Rostock und der Arbeitsgruppe von Professor A. Kaplan Hebrew der University Jerusalem zustande. Eine wissenschaftliche Herausforderung stellt das molekulare Verständnis der Signalleitung bei der Anpassung von Zellen dar. Warum? Das erklärt der Forscher kurz und knapp so: „In meinen bisherigen Arbeiten wurde Licht als Signal für die Trockenstressanpassung identifiziert, es ist jedoch unklar, wie sich das auf den Stoffwechsel unter Trockenbedingungen auswirkt.“

Gemeinsam mit Professor Hagemann und seinem Team von der Uni Rostock haben die Akteure nun den Mechanismus aufgeklärt, wie das Lichtsignal den Stoffwechsel reguliert. Dabei spielt die Lichtqualität eine zentrale Rolle. Ist rotes Licht eingeschaltet, wird die CO2-Nutzung von Cyanobakterien angeschaltet und trägt so wesentlich zum Überleben der Wüstencyanobakterien bei. Hingegen wird in Gegenwart von dunkelrotem Licht die CO2-Nutzung eingeschränkt. Der neuentdeckte Schalter für die CO2-Aufnahme von Cyanobakterien erlaubt es diesen Organismen, sich an wechselnde Bedingungen in ihren Lebensräumen erfolgreich anzupassen. Diese kürzlich in der führenden Zeitschrift Science Advances publizierte Erkenntnis hat große Auswirkungen für das Verständnis des CO2-Kreislaufes auf der Erde, aber auch für die biotechnologische Anwendung von Cyanobakterien als CO2-neutrale Produzenten für Chemikalien und Energie.

Hier an der Universität in Rostock habe er ein schöpferisch gutes kollegiales Klima vorgefunden, sagt Dr. Oren. „Bevor meine Frau und die zwei kleinen Kinder und ich nach Rostock umzogen, wussten wir nur sehr wenig über die Stadt“, sagt Dr. Oren. „Vor allem vor den harten Wintern wurden wir gewarnt“, lächelt der israelische Gastwissenschaftler. „Aber schon kurz nach unserer Ankunft wurden unsere Bedenken zerstreut.“

Professor Hagemann und sein Team, das internationale Begegnungszentrum und andere freundliche Menschen, die wir in Rostock kennenlernten, hätten die Familie sehr unterstützt. „Darüber hinaus habe ich in Rostock eine hilfsbereite wissenschaftliche Gemeinschaft kennengelernt, vor allem in meiner Gastabteilung für Pflanzenphysiologie, aber auch in anderen Abteilungen, wie dem Elektronenmikroskopiezentrum der Medizinischen Fakultät. Diese fruchtbaren Kooperationen ermöglichten mir einen breiten und umfassenden wissenschaftlichen Ansatz, der meinen PostDoc-Aufenthalt zu einem großen wissenschaftlichen Erfolg macht“, unterstreicht der israelische Forscher. „Außerdem lernten wir eine friedliche und freundliche Stadt kennen, in der wir uns schnell zu Hause fühlten. Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Universität Rostock und die Stadt als Ganzes wesentlich zum Erfolg des Projekts beitragen werden“.
Text: Wolfgang Thiel

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Martin Hagemann
Universität Rostock
Institut für Biologie
Abteilung Pflanzenphysiologie
Tel.: +49 381 498-6110
E-Mail: martin.hagemann@uni-rostock.de

Weitere Informationen:

Link zum Artikel: https://advances.sciencemag.org/content/7/34/eabg0435

http://www.uni-rostock.de

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