Schnelle Evolution bei Fischen: Erbgut ändert sich in einer Generation
Evolution wird gewöhnlich als ein langsamer Prozess verstanden, bei dem Änderungen von Merkmalen erst über Tausende von Generationen auftreten. In den letzten Jahren haben sich jedoch Hinweise verstärkt, dass die Anpassung von gewissen Merkmalen auch durchaus schneller gehen kann.
Ausser mit Mikroorganismen gab es bislang allerdings kaum Studien, die empirisch belegen konnten, wie schnell die natürliche Selektion auf die Gesamtheit des Erbguts wirkt.
Ein Forschungsteam um Dr. Daniel Berner vom Departement Umweltwissenschaften der Universität Basel hat nun den Nachweis für die schnelle Evolution innerhalb einer Generation erbracht – am Modell des Dreistachligen Stichlings. Die fünfjährige Studie kombinierte Laborversuche, Feldexperimente, mathematische Modelle und genomische Analysen.
Unterschiedliche Lebensräume: See und Fluss
Im Bodenseegebiet ist der Stichling an ökologisch unterschiedliche Lebensräume angepasst: entweder im See oder Fluss. Um zu untersuchen, wie schnell sich die Anpassung im Erbgut niederschlägt, wurden die See- und die Flussfische zunächst über mehrere Generationen im Labor miteinander gekreuzt. Das Erbgut dieser beiden sogenannten Ökotypen wurde damit durchmischt, sodass eine genetisch diverse Versuchspopulation entstand.
In einem zweiten Schritt entliessen die Forschenden Tausende dieser Versuchsfische in einen natürlichen Flusslebensraum ohne Stichlinge. Die Fische wurden somit der natürlichen Selektion ausgesetzt. Nach einem Jahr wurden die verbleibenden Fische eingefangen und genetisch untersucht.
«Die Hypothese des Experiments war, dass im Flusslebensraum, in welchem sich die Versuchstiere durchsetzen mussten, genetische Varianten der ursprünglichen Flusspopulation häufiger werden», so Berner. «Allerdings war es noch völlig ungewiss, ob dies bereits innerhalb einer einzigen Generation messbar sein würde.»
Genom-Analyse bestätigt Hypothese
Um mögliche Änderungen im Erbgut zu erfassen, mussten die Forschenden zunächst die DNA-Regionen finden, in denen die Selektion am ehesten stattfinden würde. Dafür verglichen sie die Ursprungspopulationen aus See und Fluss mittels DNA-Sequenzdaten.
Dies förderte Hunderte von Regionen im Erbgut zutage, die für die Anpassung an die jeweiligen See- und Flussbedingungen wichtig sind. Darauf wurden die DNA-Sequenzdaten der Versuchspopulation von vor und nach dem Feldexperiment in genau diesen Regionen verglichen, um Veränderungen in der Häufigkeit von genetischen Varianten zu ermitteln.
Das Resultat stützte die Hypothese: Im Durchschnitt erhöhte sich die Häufigkeit der Flussvarianten auf Kosten der Seevarianten um etwa 2,5 Prozent.
«Dieser Unterschied mag im ersten Moment gering klingen, ist aber durchaus substanziell, wenn man diesen Faktor auf ein paar Dutzend Generationen hochrechnet», sagt Berner.
Das Experiment dokumentiere, dass Evolution sehr zügig und vor unseren Augen ablaufen kann – und das nicht nur bei Mikroorganismen.
«Eine solche schnelle Evolution könnte auch anderen Lebewesen helfen, mit den gegenwärtigen, sehr schnellen und vom Menschen versursachten Umweltveränderungen klarzukommen», so der Evolutionsbiologe.
Dr. Daniel Berner, Universität Basel, Departement Umweltwissenschaften, Tel. +41 61 207 03 28, E-Mail: daniel.berner@unibas.ch
https://www.nature.com/articles/s41467-020-15657-3
https://www.unibas.ch/de/Aktuell/News/Uni-Research/Schnelle-Evolution-bei-Fische…
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie
Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.
Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.
Neueste Beiträge
Sensoren für „Ladezustand“ biologischer Zellen
Ein Team um den Pflanzenbiotechnologen Prof. Dr. Markus Schwarzländer von der Universität Münster und den Biochemiker Prof. Dr. Bruce Morgan von der Universität des Saarlandes hat Biosensoren entwickelt, mit denen…
Organoide, Innovation und Hoffnung
Transformation der Therapie von Bauchspeicheldrüsenkrebs. Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom) bleibt eine der schwierigsten Krebsarten, die es zu behandeln gilt, was weltweite Bemühungen zur Erforschung neuer therapeutischer Ansätze anspornt. Eine solche bahnbrechende Initiative…
Leuchtende Zellkerne geben Schlüsselgene preis
Bonner Forscher zeigen, wie Gene, die für Krankheiten relevant sind, leichter identifiziert werden können. Die Identifizierung von Genen, die an der Entstehung von Krankheiten beteiligt sind, ist eine der großen…