„Schneller nach oben“ – Pflanzen nutzen spezialisierte Transportwege zur Stickstoffversorgung
Der Weg eines Nährstoffs aus dem Boden zum Spross folgt zwei Versorgungsrouten: Über den symplastischen Weg (von Zelle zu Zelle) oder den apoplastischen, durch wassergefüllte Zellzwischenräume. In beiden Fällen steuern Transportproteine die Nährstoffversorgung aktiv.
Als einen Hauptnährstoff transportieren Pflanzen Stickstoff. Dieser wird u.a. zur Synthese von Proteinen benötigt. Fehlt Stickstoff, hungern und sterben Pflanzen. Ertragseinbußen sind die Folge. Das Wissen über die Nährstoffversorgung von Pflanzen und deren gezieltere Steuerung ist daher ein zentraler Schlüssel für eine ertragssichere und eine nachhaltigere Landwirtschaft.
Ammonium stellt eine bevorzugte Stickstoffquelle von Pflanzen dar. Daher besitzen Pflanzen gleich mehrere Ammoniumtransporter (AMTs), die die Ammoniumaufnahme über die Wurzeln steuern.
Bereits in Vorstudien konnte die Forschergruppe von Prof. Dr. Nicolaus von Wirén am IPK Gatersleben unterschiedlich lokalisierte Ammoniumtransporter (AMTs) identifizieren. In der Epidermis, der äußeren Zellschicht, ist das Transportprotein AMT1;3 für den symplasmatischen Weg von Zelle zu Zelle lokalisiert.
In der innersten Zellschicht, der Endodermis, ist es AMT1;2 für den apoplastischen Transportweg. AMT1;2 kommt erst dann ins Spiel, wenn Ammonium bereits durch die Zwischenräume in der Zellwand (Apoplasten) bis zur Endodermis gewandert ist. Durch den Casparyschen Streifen, einer durch Lignin gebildeten Barriere der Zellwand, wird der apoplastische Weg versperrt.
Mit diesem Wissen war es nun auch möglich, die Effizienz der beiden Wege experimentell zu untersuchen. Für diesen Vergleich wurden andere Ammoniumtransporter ausgeschaltet. Mit Hilfe von 15N-markiertem Ammonium konnte so die Effizienz der beiden Transportwege verglichen werden.
Im Ergebnis konnten die Wissenschaftler zeigen, dass der symplastische Weg über AMT1;3 effizienter bei schlechter Nährstoffversorgung arbeitet und zunächst die Wurzel mit Stickstoff versorgt. Ist ausreichend Stickstoff vorhanden, leistet AMT1;2 mehr als AMT1;3. Der apoplastische Versorgungsweg wird dann effizienter und bringt das Ammonium schneller in den Spross.
Die Bedeutung der beiden unterschiedlichen Transportwege ist naheliegend. Unter Nährstoffmangel kann der wenige Stickstoff für Wachstumsprozesse genutzt werden, die es der Wurzel erlauben, neue Nährstoffdepots im Boden zu erschließen. Ist reichlich Ammonium vorhanden, wird mehr in den Aufbau von oberirdischen Pflanzenorganen investiert, die u.a. die Photosynthese verbessern. Davon profitieren wiederum die Wurzeln.
Der apoplastische Weg über AMT1;2 funktioniert aber nur so lange wie der Casparysche Streifen die Zellzwischenräume an der Endodermis schließt. Sind diese offen, lässt die Transportleistung über den apoplastischen Weg nach. Dies konnte über das Einkreuzen eines mutierten Gens gezeigt werden.
Im Laufe der Wurzelentwicklung bildet die Endodermis noch eine zweite apoplastische Barriere, die Suberinschicht. Diese besteht aus wasserabweisenden wachsartigen Substanzen und umschließt die innere Zellwand der Endodermis. Damit können Nährstoffe, die über den apoplastischen Weg zur Endodermis kommen, nicht mehr von den Endodermiszellen aufgenommen und weiter transportiert werden.
Hier machte das Forscherteam eine weitere, interessante Beobachtung: Sobald der Zugang zu den Endodermiszellen durch Suberin verschlossen ist, wird der Ammoniumtransporter AMT1;2 dort nicht mehr gebildet. Dann wird AMT1;2 in den benachbarten Wurzelrindenzellen exprimiert. „Dieses Beispiel verdeutlicht, wie die zelltyp-spezifische Regulation von Nährstofftransportern auch mit strukturellen Veränderungen der Zellen einhergeht“, so Prof. Dr. Nicolaus von Wirén, der leitende Autor der Studie.
Durch ressourcenschonendere und umweltfreundlichere Düngungsmethoden, wie z. B. die Zufuhr von Nährstoffen wie Ammoniumphosphat über Düngebänder, lassen sich Nährstoffe direkt im Wurzelraum platzieren. Für die effiziente Aufnahme von lokal hohen Nährstoffmengen sind dann endodermale Transporter, wie AMT1;2 für Ammonium, verantwortlich. Durch die Berücksichtigung solcher Gene und einer weiteren Anpassung von Wurzeleigenschaften an geringere Düngemengen durch gezielte Züchtung ließe sich die Nährstoffversorgung der Pflanzen trotz reduzierter Aufwandmengen weiter optimieren.
Prof. Dr. Nicolaus von Wirén (IPK Gatersleben)
Leiter der Forschergruppe „Molekulare Pflanzenernährung“
Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) Gatersleben
Tel.: +49 39482 5602, E-mail: vonwiren@ipk-gatersleben.de
Web: http://www.ipk-gatersleben.de/physiologie-und-zellbiologie/
Fengying Duan, Ricardo F. H. Giehl, Niko Geldner, David E. Salt, Nicolaus von Wirén (2018), “Root zone specific localization of AMTs determines ammonium transport pathways and nitrogen allocation to shoots”, PLOS Biology, DOI: https://doi.org/10.1371/journal.pbio.2006024
Media Contact
Weitere Informationen:
http://www.ipk-gatersleben.deAlle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie
Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.
Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.
Neueste Beiträge
Brechen des Eises: Gletscherschmelze verändert arktische Fjordökosysteme
Die Regionen der Arktis sind besonders anfällig für den Klimawandel. Es mangelt jedoch an umfassenden wissenschaftlichen Informationen über die dortigen Umweltveränderungen. Forscher des Helmholtz-Zentrums Hereon haben nun an Fjordsystemen anorganische…
Globale Studie identifiziert Gene für Depressionen in verschiedenen Ethnien
Neue genetische Risikofaktoren für Depression wurden erstmals in allen großen Weltbevölkerungen identifiziert und ermöglichen es Wissenschaftler*innen, das Risiko für Depression unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit vorherzusagen. Die bislang größte und…
Zurück zu den Grundlagen: Gesunder Lebensstil reduziert chronische Rückenschmerzen
Rückenschmerzen im unteren Rückenbereich sind weltweit eine der Hauptursachen für Behinderungen, wobei viele Behandlungen wie Medikamente oft keine dauerhafte Linderung bieten. Forscher des Centre for Rural Health der Universität Sydney…