Schneller zum Porträt des Proteins
Bei der Abbildung eines Objekts spielt die Wellenlänge des Lichts eine entscheidende Rolle. Es stellt sich heraus, dass man grundsätzlich nur Details auflösen kann, deren Dimensionen ungefähr so gross sind wie die Wellenlänge des verwendeten Lichts. Will man die Struktur einer Substanz, etwa eines Proteins, auf atomarer Skala auflösen, braucht man Licht mit sehr kurzer Wellenlänge: also Röntgenlicht.
Von der DNA-Doppelhelix bis heute
Spätestens seitdem Anfang der 1950er Jahre mit Hilfe von Röntgenlicht die Aufschlüsselung der berühmten Doppelhelix-Struktur eines DNA-Moleküls gelang, steht die Tauglichkeit dieses Werkzeugs ausser Frage. Die überwiegende Mehrheit der heute bekannten Proteinstrukturen sind mithilfe der Röntgenkristallographie bestimmt worden.
Dabei wird Röntgenlicht, wenn es auf die Atome des Proteins trifft, auf eine dem Protein eigene Art gebeugt. Aus dem Beugungsmuster, das von den Detektoren hinter der Probe detektiert wird, lässt sich die Kristallstruktur des Proteins berechnen. Besonders leistungsstark ist die Proteinkristallographie dank der hohen Qualität des Röntgenlichts, das an Synchrotronlichtquellen erzeugt wird. Zu den weltbesten Synchrotronanlagen zählt die Synchrotronlichtquelle Schweiz SLS des PSI, an der die neue Technik entwickelt und getestet worden ist.
Die Technik bewährt sich
Die PSI-Forschenden verbessern mit ihrer jüngsten Arbeit eine als „native SAD“ (single-wavelength anomalous diffraction) bekannte Methode, die Anfang der 1980er Jahre zum ersten Mal angewendet wurde. Bevor man die Struktur von Proteinen mit anderen weiter verbreiteten Techniken bestimmen kann, müssen diese in der Regel aufwändig im Labor aufbereitet werden.
Die Aufbereitung besteht darin, schwere Atome in die Proteinstruktur einzubauen, die das Beugungssignal verstärken. Die native-SAD-Methode nutzt die in den Proteinen natürlich vorkommenden Schwefelatome sowie andere leichtere Atome zur Strukturbestimmung und kann daher auf den komplizierten und nicht immer machbaren Einbau fremder Elemente in das Protein verzichten. Bisher war jedoch ein Nachteil der Methode, dass damit nur die Strukturen von sehr kleinen Proteinen bestimmt werden konnten. Somit war die Methode nur in Einzelfällen anwendbar. Mit der weiter entwickelten Methode können nun 90 Prozent aller Proteinstrukturen aufgeklärt werden.
Wichtig für den Erfolg war die hohe Empfindlichkeit der verwendeten PILATUS-Detektoren der Firma Dectris, eines Spin-Offs des PSI. „Diese Detektoren können selbst bei niedriger Intensität des Röntgenlichts genügend starke, rauscharme Signale aufzeichnen. Dadurch kann man die Proteinstruktur mit einer relativ kleinen Dosis an Röntgenstrahlung bestimmen“, erläutert PSI-Wissenschaftler Vincent Olieric. Eine hohe Strahlungsdosis ist bei konventionellen Techniken oft notwendig, um überhaupt ein Bild des Proteins zu bekommen. Die hohe Strahlungsdosis kann die Proteine in manchen Fällen jedoch so stark schädigen, dass ihre Struktur verändert wird.
Um genügend Daten bei niedriger Strahlungsdosis sammeln zu können und auch um die notwendige Verbesserung in der Genauigkeit der Messungen zu erzielen, griffen die Forschenden zu einem weiteren Trick: Sie rotierten die Probe nicht nur wie üblich um die Achse des Röntgenstrahls, sondern auch um die zwei Achsen senkrecht dazu. Dazu machten sie sich das am PSI entwickelte Goniometer PRIGo zunutze, das die Rotationen mit extremer Genauigkeit durchführt. Dazu musste das Goniometer so angepasst und verkleinert werden, dass es im engen Raum um die Probe herum nirgends anstösst.
Von der Nischenanwendung zum neuen Standard
„Wir haben mit unserer Technik innerhalb von 30 Monaten über 20 Proteinstrukturen bestimmen können. In den letzten 20 Jahren hat man mit der nativen SAD-Technik nur 100 Strukturen aufgeklärt. Das zeigt, wie unsere Methode den Gesamtprozess beschleunigen kann“, sagt Tobias Weinert, Erstautor der Studie. Zu den Proteinstrukturen, die die PSI-Forschenden mit ihrer neuen Technik geknackt haben, zählt jene des Proteins T2R-TTL, eines sogenannten Tubulin-Moleküls, das im Skelett vieler Zellen vorkommt und diese mechanisch stärkt. „Das ist die grösste und somit komplexeste bisher mit der nativen SAD-Technik aufgeklärte Proteinstruktur. Vor unserer Arbeit hielten es fast alle für unmöglich, diese Proteinstruktur in ihrem ursprünglichen Zustand mit nativer SAD zu bestimmen.“
Da die meisten Proteine kleiner und weniger komplex sind als Tubulin, heisst das, dass man nun die meisten Strukturen mit dieser verbesserten Methode lösen kann womit sie zum neuen Standard avanciert und Strukturbestimmungen von vielen Proteinen in Zukunft schneller, einfacher und kosteneffizienter macht.
Text: Paul Scherrer Institut/Leonid Leiva
Über das PSI
Das Paul Scherrer Institut PSI entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungsanlagen und stellt sie der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Eigene Forschungsschwerpunkte sind Materie und Material, Energie und Umwelt sowie Mensch und Gesundheit. Die Ausbildung von jungen Menschen ist ein zentrales Anliegen des PSI. Deshalb sind etwa ein Viertel unserer Mitarbeitenden Postdoktorierende, Doktorierende oder Lernende. Insgesamt beschäftigt das PSI 1900 Mitarbeitende, das damit das grösste Forschungsinstitut der Schweiz ist. Das Jahresbudget beträgt rund CHF 350 Mio.
Abbildungen sind unter http://psi.ch/UvRA zum Download verfügbar
Kontakt:
Dr. Meitian Wang,Leiter der Gruppe Kristallographie von Makromolekülen, Labor für Makromoleküle und Bioimaging,
Paul Scherrer Institut, 5232 Villigen PSI, Schweiz
Telefon: +41 056 310 4175, E-Mail: meitian.wang@psi.ch
Originalveröffentlichung:
Fast native-SAD phasing for routine macromolecular structure determination
Tobias Weinert et al.,
Nature Methods 15 Dezember 2014, Advanced Online Publication
DOI: 10.1038/nmeth.3211
Weiterführende Informationen:
Gruppe Kristallographie von Makromolekülen am PSI:
www.psi.ch/macromolecular-crystallography/sls-mx-group
Paul Scherrer Institut
Dagmar Baroke, M.A.
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