Ein Schnelltest für die Pest

Wissenschaftler um Peter Seeberger, Professor an der Freien Universität Berlin und Direktor am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung (MPIKG) in Potsdam-Golm, haben einen einfachen, billigen und zuverlässigen Test für das Bakterium entwickelt.

Die auf Zuckerchemie und -biologie spezialisierten Forscher identifizierten und synthetisierten zunächst einen Mehrfachzucker, der für die Oberfläche des Bakteriums charakteristisch ist. Den Mehrfachzucker verknüpften sie mit einem Protein, um die immunologische Wirkung zu steigern. Mit dem Glykoprotein als Antigen lassen sich im Blut von Erkrankten Antikörper auf Yersinia pestis nachweisen. Die Potsdamer Forscher erzeugten mit dem Antigen aber auch Antikörper, mit denen der Pest-Erreger in infizierten Proben direkt festgestellt werden kann.

Die Pest gilt als verheerende Seuche des Mittelalters in Europa, Zentralasien und China. Ihr fielen insgesamt mehr als 200 Millionen Menschen zum Opfer. Doch auch heute ist die Krankheit keineswegs besiegt. Im Jahr 2002 zog eine Infektionswelle durch den indischen Bundesstaat Himachal Pradesh, 2008 erkrankten 18 Menschen in Madagaskar. Ziketan, eine Stadt im Nordwesten Chinas, wurde 2009 unter Pest-Quarantäne gestellt, im gleichen Jahr gab es 16 Fälle in der libyschen Stadt Tobruk. Darüber hinaus treten immer wieder Pestfälle im US-Bundesstaat Neu-Mexiko auf. Wegen ihrer hohen Ansteckungsrate und der tödlichen Wirkung gehört die Pest zu den gefährlichsten Biowaffen.

Pest kann zwar mit Antibiotika behandelt werden, die Überlebensrate der Patienten verringert sich aber mit jeder Stunde, in der die Krankheit unerkannt bleibt. Unbehandelt verläuft die Pest je nach Ausprägungsform oft innerhalb kurzer Zeit tödlich. „Der wichtigste Faktor für das Überleben der Pest ist ein frühes Erkennen der Infektion“, sagt Dr. Chakkumkal Anish, Leiter der Arbeitsgruppe Glykobiologie am Potsdamer Max-Planck-Institut, „deshalb kann unsere Arbeit in Zukunft die Überlebensrate von Pestpatienten positiv beeinflussen.“

Um den Pest-Erreger sicher nachweisen zu können, spürten die Forscher in einem Lipopolysaccharid auf der Oberfläche von Yersinia pestis zunächst einen Mehrfachzucker auf, der sich als spezifisches Antigen eignet. Diese komplexe Verbindung stellten sie dann in mehreren Schritten synthetisch her. Anschließend verknüpften die Chemiker das Zuckermolekül mit einem Eiweiß, das in vielen Impfstoffen enthalten ist, um die Immunreaktion zu steigern. Das Glykoprotein, das in der Verbindung von Zucker und Eiweiß entstand, bewirkt auch in Mäusen eine Immunreaktion. Das nutzten die Forscher, um mit Immunzellen von Mäusen Antikörper gegen das Pest-Bakterium zu erzeugen.

Mit den Antikörpern lassen sich mit hoher Selektivität (Treffsicherheit) Pest-Bakterien identifizieren, ohne dass das Ergebnis durch andere der Pest biochemisch verwandte Bakterien verfälscht würde. Das Ergebnis ist eine Art Pest-Schnelltest. Das Forschungsergebnis lässt sich in der medizinischen Praxis auf verschiedene Weise anwenden. Zum einen eignet sich das Glykoprotein, um es auf Teststreifen aufzubringen und damit als Antigen Antikörper aus dem Blut von Erkrankten einzufangen. Die Komplexe von Antigen und Antikörper lassen sich mit fluoreszierenden Proteinen leicht nachweisen. Zum anderen könnten die Antikörper dazu dienen, den Pest-Erreger in infiziertem Gewebe direkt nachzuweisen. Dabei verraten wiederum fluoreszierende Proteine, ob die Antikörper an die Bakterienoberfläche angedockt haben.

„Solche zuverlässigen Tests lassen sich einfach und kostengünstig herstellen“, sagt Peter Seeberger. Somit hat das neue Verfahren gegenüber bisherigen Testmethoden große Vorteile. Bisher werden Pest-Erreger anhand von Phänotypisierung oder anhand ihrer Gene nachgewiesen. Doch die entsprechenden Verfahren sind kompliziert und teuer, können aber vor allem fehlerhafte Diagnosen liefern.

Der neue Nachweis ist Forschungserfolgen auf dem Gebiet der Glykomik (Glycomics) zu verdanken. Die Glykomik widmet sich der Erforschung von Kohlehydraten, zu denen alle Zucker gehören, und ihrer Rolle in der Biologie. Inzwischen können Forscher immer komplexere Kohlehydratstrukturen untersuchen und synthetisieren. „Wir setzen mittlerweile komplexe Strukturen aus einfachen Bausteinen zusammen, ähnlich wie ein Kind aus einzelnen Legosteinen ein Raumschiffmodell zusammensetzt“, erläutert Chakkumkal Anish. „Wir haben gerade erst angefangen, die damit verbundenen Möglichkeiten zu nutzen.“ Denn die chemischen Methoden bedeuten nicht alleine wissenschaftliche Fortschritte, sie helfen auch, neue Diagnosen und Behandlungsmethoden sowie Impfungen gegen Krankheiten zu entwickeln. „Grundlagenforschung hat einen Wert an sich“, sagt Peter Seeberger. „Aber auf dem Gebiet der Glycomics gelingt es uns immer öfter, unsere Forschung direkt in Anwendungen zu überführen, die praktischen Wert haben, so wie in diesem Fall für die Medizin.“

Weitere Informationen
Dirk Pohlmann, Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung,
E-Mail: dirk.pohlmann@mpikg.mpg.de

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