Selbstmord oder zweite Chance – Wie der Körper auf autoimmune T-Zellen reagiert
Dank der Vielfalt dieser Moleküle kann der Körper nahezu jeden Krankheitserreger erkennen und unschädlich machen. Allerdings entstehen im Thymus immer auch T-Zellen, die körpereigene Strukturen erkennen und angreifen könnten. Werden diese nicht unschädlich gemacht, kann dies Autoimmunerkrankungen wie Typ-1-Diabetes, Multiple Sklerose oder Morbus Crohn nach sich ziehen.
Nun konnte ein Team um den LMU-Immunologen Professor Ludger Klein in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der TU München neue Erkenntnisse darüber gewinnen, wie die gefährlichen T-Zellen vom Körper erkannt und aussortiert werden. „Dabei haben wir auch entdeckt, warum manche der schädlichen T-Zellen in den ‚Selbstmord‘ getrieben werden, während andere zu ungefährlichen, sogenannten regulatorischen T-Zellen ‚umerzogen‘ werden“, berichtet Klein. „Die Ergebnisse tragen hoffentlich dazu bei, Autoimmunkrankheiten besser zu verstehen. Sie könnten auch einen Ausgangspunkt für neue, innovative Therapieansätze darstellen.“ (Nature Immunology online, 2. Mai 2010)
Gemeinsam mit den B-Lymphozyten gehören die T-Lymphozyten oder T-Zellen zur Gruppe der weißen Blutkörperchen, die spezifische Aufgaben bei der Abwehr von Krankheitserregern erfüllen. Unmittelbar nach ihrer Entstehung gehen die T-Zellen in der Thymusdrüse gewissermaßen „in die Schule“: Dort erhalten sie nach dem Zufallsprinzip einen Rezeptor, der jeweils nur eine spezifische Struktur erkennt. Anschließend werden die Zellen daraufhin getestet, ob sie mit ihrem Rezeptor auf eine körpereigene Struktur reagieren. „Ist dies der Fall, werden die potentiell gefährlichen T-Zellen meist noch im Thymus unschädlich gemacht“, berichtet der LMU-Immunologe Ludger Klein. „Entweder sie werden in den programmierten Zelltod getrieben oder zu sogenannten regulatorischen T-Zellen ‚umerzogen‘. Diese erkennen zwar immer noch körpereigene Strukturen, sie erfüllen nun jedoch den Zweck, schädliche T-Zellen in ihrer Nachbarschaft unter Kontrolle zu halten.“
Bereits vor einigen Jahren konnten Klein und sein Forscherteam zeigen, dass es im Thymus einen spezialisierten Zelltyp gibt, der sämtliche Zellstrukturen des Körpers produziert, die Medullären Epithelzellen. Die so entstandenen Proteine, auch „Selbst-Antigene“ genannt, werden anschließend in kurze Spaltstücke zerlegt und in dieser Form den T-Zellen präsentiert. „Damit entsteht im Thymus quasi ein Abbild des gesamten Körpers“, erläutert Maria Hinterberger, Erstautorin der Studie. „T-Zellen, die auf körpereigene Strukturen reagieren, können so gezielt aussortiert werden.“ Allerdings war bislang unklar, auf welche Weise die Proteinbruchstücke den T-Zellen dargeboten werden. „Eine verbreitete Annahme war, dass diese Aufgabe von den Dendritischen Zellen im Thymus erfüllt wird“, sagt Hinterberger. „In unserer neuen Arbeit haben wir uns nun mit der Frage beschäftigt, ob auch die Medullären Epithelzellen als Antigen-präsentierende Zellen fungieren.“
Mit Hilfe eines genetischen Tricks, der sogenannten „Knock-down-Methode“, setzten die Forscher bei Mäusen die Aktivität eines Schlüsselmoleküls der Medullären Epithelzellen herunter, das spezifisch an der Präsentation der Proteinstücke beteiligt ist. Dagegen blieb die Funktion der Epithelzellen als Hersteller der Proteinschnipsel vollständig erhalten. „Interessanterweise wurden unter diesen Umständen T-Zellen, die normalerweise in den Zelltod getrieben werden, nicht mehr effizient eliminiert“, sagt Klein. „Dies zeigt uns, dass den Medullären Epithelzellen eine ganz entscheidende Funktion als Antigen-präsentierende Zellen zukommt.“ So ließ sich durch die genetischen Veränderungen in einigen Organen auch eine autoimmune Gewebszerstörung beobachten, die jedoch relativ mild ausfiel.
Zusätzlich erhielten die Forscher in ihrer Untersuchung erste Antworten auf die Frage, warum manche der als schädlich erkannten T-Zellen im Thymus in den Zelltod getrieben werden, während andere unter genau denselben Umständen in regulatorische T-Zellen verwandelt werden. So wurde die Antigen-präsentierende Funktion der T-Zellen durch die „Knock-down-Methode“ nicht vollkommen ausgeschaltet, sondern nur auf etwa ein Zehntel des ursprünglichen Wertes herunterreguliert. „Dadurch entwickelten sich einige T-Zellen, die normalerweise aussortiert worden wären, zu regulatorischen Zellen“, berichtet Klein. „Demnach spielt die Stärke der Antigen-Erkennung im Thymus eine entscheidende Rolle dafür, ob eine potentiell schädliche T-Zelle abstirbt oder zu einer harmlosen regulatorischen T-Zelle wird.“ Das Verständnis dieser Mechanismen könnte dazu beitragen, neue Therapieansätze für Autoimmunkrankheiten zu entwickeln. (CA)
Publikation:
„Autonomous role of medullary thymic epithelial cells in central CD4+ T cell tolerance”;
Maria Hinterberger, Martin Aichinger, Olivia Prazeres da Costa, David Voehringer, Reinhard Hoffmann, Ludger Klein;
Nature Immunology online; 2. Mai 2010;
DOI: 10.1038/ni.1874
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Ludger Klein
Institut für Immunologie der LMU
Tel.: 089 / 2180 – 75696
E-Mail: ludger.klein@med.uni-muenchen.de
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Weitere Informationen:
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