Spektakuläre Entdeckung: Unbekannter blinder Fisch im Irak aus Grundwasser gespült
Für die Bevölkerung des nördlichen Zagros-Gebirges im Irak waren die heftigen Regenfälle mit Überschwemmungen im März 2016 wohl kein Segen. Für die blinden Fische, welche aufgrund des gestiegenen Grundwasserspiegels aus einer neu-geformten Quelle an die Erdoberfläche gespült wurden, auch nicht: Der Großteil der armen Kreaturen wurde von Vögeln verspeist.
Für Korsh Ararat, Biologe an der Universität Sulaimani in der kurdischen Kulturhauptstadt Sulaimaniyya der Autonomen Region Kurdistan war aber schnell klar, dass dies ein besonderes Ereignis war. So sicherte er wenigstens ein paar Exemplare der sonderbaren Fische, welche über mehrere Tage aus einem Erdloch in einen nahen Bach gespült wurden, und kontaktierte den Fischforscher Dr. Jörg Freyhof am IGB in Berlin (Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei).
Während dieser die morphologischen Merkmale der Tiere studierte und mit denen des einzig bekannten anderen Vertreters der blinden Schmerlen aus dem Mittleren Osten verglich, analysierte Dr. Matthias Geiger am ZFMK in Bonn (Leibniz-Institut für Biodiversität der Tiere) die DNA der Tiere und ließ den DNA-Barcode erstellen. Die Kombination der Befunde zum Körperbau und die großen genetischen Unterschiede zu allen anderen bekannten Fischarten zeigten im Anschluss ganz klar, dass es sich um eine neue Fischart handeln muss, die aller Wahrscheinlichkeit nach zum ersten Mal überhaupt lebend gesehen wurde.
Nun erschien die offizielle Erstbeschreibung der Art unter dem Namen Eidinemacheilus proudlovei. Der Gattungsname Eidinemacheilus wurde erst kürzlich für eine andere blinde Schmerle eingeführt, zu Ehren des Rangers Eidi Heidari, welcher die Höhle als einzig bekannten Fundort der Schmerlenart im Iran bewacht. Der Artname der nun neu beschriebenen, irakischen Schmerle wurde zu Ehren von Graham Proudlove gewählt, einem weltweit anerkannten Experten auf dem Gebiet der Erforschung von Höhlenfischen.
„Eidinemacheilus proudlovei hat keine Augen und Schuppen, seine Haut weist keinerlei Farbpigmente auf. Wahrscheinlich weiden die Tiere Bakterienfilme an den Höhlenwänden ab, doch zur Biologie dieser ungewöhnlichen Schmerle ist natürlich nichts bekannt und wird auch wohl nichts bekannt werden“, sagt Jörg Freyhof. Die Quelle war schnell wieder versiegt und die Fische bleiben nun im Untergrund unerreichbar. Das Besondere an der neuen Art ist neben den äußerst ungewöhnlichen Umständen des Fundes auch der Fundort. Hierzulande würde man kaum denken, dass es im Irak überhaupt jemanden gibt, der sich mit solchen kleinen Fischen beschäftigt. Aber in diesem von Kriegen zerrissenen Land gibt es doch so etwas wie Forschung und Naturschutz. „Eine Expedition dorthin würde mich schon reizen, aber das ist aus vielerlei Gründen leider nicht realisierbar“ bedauert Matthias Geiger.
Unterirdisch lebende Fische sind heute bedroht, insbesondere von Staudammprojekten, bei deren Realisierung die Lebensräume dieser spezialisierten Lebewesen verlorengehen. „Das Problem besteht auch in Europa, wo unterirdisch lebende Tierarten durch Staudammprojekte massiv gefährdet sind, vor allem in Kroatien und Bosnien-Herzegowina“, betont Jörg Freyhof. Über unterirdische Ökosysteme ist wenig bekannt, da sie nicht, oder nur schwer zugänglich sind. Da gibt es noch viel zu entdecken!
Quelle:
Freyhof, J., Abdullah, Y. S., Ararat, K., Ibrahim, H., Geiger, M. F. (2016): Eidinemacheilus proudlovei, a new subterranean loach from Iraqi Kurdistan (Teleostei; Nemacheilidae). -.
http://doi.org/10.11646/zootaxa.4173.3.2
Ansprechpartner:
Dr. Matthias Geiger
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Ansprechpartner
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