Stammbaum der Evolution: Münstersche Forscher entwickeln Prüfungstool
Hintergrund: Beim DNA-Vergleich sind springende Gene besonders nützlich – das sind DNA-Abschnitte, die sich selbst kopieren und neue Positionen im Erbgut einnehmen können. Allerdings führt die Analyse solcher springender Gene nicht immer zu eindeutigen Ergebnissen. Das neue, in Münster programmierte Online-Tool hilft Wissenschaftlern bei der Prüfung, wie zuverlässig die im Stammbaum aufgespürten Abzweigungen sind.
Direkte Linie oder nur entfernter Cousin? Münstersche Forscher haben ein Online-Tool entwickelt, das dabei hilft, Verwandtschaftsverhältnisse in der Natur besser zu verstehen. Das Programm ermöglicht Wissenschaftlern weltweit die Überprüfung evolutionärer Stammbäume.
Um herauszufinden, wie sich Lebewesen vom ersten Urbakterium bis zu den heutigen Arten – ob Apfelbaum oder Zebra, Darmbakterium Escherichia coli oder Mensch – entwickelt haben, schauen Wissenschaftler ins Erbgut: Durch den Vergleich der DNA lassen sich die Abzweigungen im Stammbaum nachvollziehen. Solche Vergleiche auf genetischer Ebene bestätigen beispielsweise, dass wir Menschen viel enger mit Schimpansen als mit Gorillas verwandt sind.
Beim DNA-Vergleich sind springende Gene besonders nützlich – das sind DNA-Abschnitte die sich selbst kopieren und neue Positionen im Erbgut einnehmen können. Allerdings führt die Analyse solcher springender Gene nicht immer zu eindeutigen Ergebnissen. Um die Zuverlässigkeit von Stammbaumrekonstruktionen zu prüfen, benötigen Wissenschaftler deshalb Unterstützung durch statistische Methoden.
Ein Team um Jürgen Schmitz und Gennady Churakov von der Medizinischen Fakultät der Universität Münster hat mit Unterstützung aus dem Sankt Petersburger Institut für Technologie zunächst ein mathematisches Modell entworfen, mit dem Konflikte bei der Stammbaumrekonstruktion mit springenden Genen aufgespürt und die Ursachen aufgedeckt werden können.
Solche Konflikte sind ganz natürlich: Sie lassen sich zum Beispiel auf Fortpflanzungen zwischen zwei Populationen zurückführen, die sich genetisch bereits voneinander entfernen und schließlich zu unterschiedlichen Arten entwickeln. Auch Artbildungen in – nach evolutionsbiologischem Maßstab – rascher Abfolge können zu Unklarheiten und Widersprüchen führen. Ein in Münster programmiertes Online-Tool hilft Wissenschaftlern bei der Prüfung, wie zuverlässig im Stammbaum aufgespürte Abzweigungen sind.
Ein Fachartikel zur Entwicklung des mathematischen Modells und des Online-Tools ist jetzt in der Fachzeitschrift PLoS Computational Biology erschienen. Die Publikation – die vom Verlag sogar zur Titelgeschichte des Heftes gemacht wurde – kann kostenfrei online gelesen werden:
Kuritzin A, Kischka T, Schmitz J, Churakov G (2016): Incomplete Lineage Sorting and Hybridization Statistics for Large-Scale Retroposon Insertion Data. PLoS Computational Biology 12:e1004812. Online unter: http://journals.plos.org/ploscompbiol/article?id=10.1371/journal.pcbi.1004812
Redaktion:
Dr. Thomas Bauer
Pressereferent für Forschung und Lehre
Universitätsklinikum Münster
GB Unternehmenskommunikation
Domagkstraße 5
48149 Münster
Tel. 0251-83-58937
mobil: 0171-4948979
http://journals.plos.org/ploscompbiol/article?id=10.1371/journal.pcbi.1004812 Fachartikel
http://retrogenomics.uni-muenster.de:3838/KKSC_significance_test/ Online-Tool
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie
Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.
Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.
Neueste Beiträge
Größte bisher bekannte magnetische Anisotropie eines Moleküls gemessen
An der Berliner Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II ist es gelungen, die größte magnetische Anisotropie eines einzelnen Moleküls zu bestimmen, die jemals experimentell gemessen wurde. Je größer diese Anisotropie ist, desto besser…
Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean
20 Jahre nach der Tsunami-Katastrophe… Dank des unter Federführung des GFZ von 2005 bis 2008 entwickelten Frühwarnsystems GITEWS ist heute nicht nur der Indische Ozean besser auf solche Naturgefahren vorbereitet….
Resistente Bakterien in der Ostsee
Greifswalder Publikation in npj Clean Water. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) hat die Verbreitung und Eigenschaften von antibiotikaresistenten Bakterien in der Ostsee untersucht. Die Ergebnisse ihrer Arbeit…