Strigolactone machen Tabak widerstandsfähiger gegen Rüsselkäfer
Ein Team von Forschenden am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena hat in Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern in China und Korea herausgefunden, dass Pflanzenhormone der Gruppe der Strigolactone in der wilden Tabakart Nicotiana attenuata für die Feinabstimmung bei der Produktion von Abwehrstoffen im Stängel sorgt.
Entscheidend ist dafür das Wechselspiel mit anderen an der Pflanzenabwehr beteiligten Hormonen. Pflanzen, die keine Strigolactone mehr bilden können, haben auch veränderte Gehalte an Jasmonaten und Auxinen und infolgedessen eine verringerte Abwehr gegenüber den stängelbohrenden Larven des Rüsselkäfers Trichobaris mucorea.
Nicht nur Tiere verfügen über verschiedene Hormone, die unterschiedliche Prozesse im Körper steuern, sondern auch Pflanzen. Eine Gruppe von Pflanzenhormonen, die erst spät als solche erkannt wurden, sind Strigolactone. In Pflanzen sind sie an der Sprossbildung beteiligt und verhindern eine weitere Verzweigung des Stängels. Wie Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie nun herausfanden, führt eine Veränderung im Signalweg der Strigolactone zu einer Veränderung des Zusammenspiels mit anderen Pflanzenhormonen und damit zu einer veränderten Abwehr gegenüber Schaderregern.
Beobachtungen aus dem Feld und im Gewächshaus waren der Ausgangspunkt für die Untersuchungen. „Im Feld war uns aufgefallen, dass sich die Stängel von Tabakpflanzen, die von Larven des Rüsselkäfers Trichobaris mucorea befallen waren, rot verfärbten. Im Gewächshaus hingegen waren es Pflanzen, die keine Strigolactone mehr bilden konnten, die ebenfalls rot gefärbte Stängel aufwiesen. Da Strigolactone auf die Sprossverzweigung einwirken und dieser Bereich des Stängels, in dem sich die Sprossachse verzweigt, typische Eintrittspforten der Pflanze sind, von wo sich die Käferlarven in das Stängelmark bohren, wollten wir wissen, wie sich diese Hormone auf die Widerstandfähigkeit des Tabaks gegen den Rüsselkäfer auswirken,“ sagt Ming Wang, einer der Studienleiter.
Die Rotfärbung der Stängel wird von Anthocyaninen ausgelöst. Sie haben vermutlich auch eine Abwehrfunktion, wirken aber vermutlich nicht direkt auf den Schaderreger, sondern senden Feinden der Pflanzenschädlinge ein visuelles Signal. Die vermehrte Bildung dieser Farbstoffe sowie höhere Konzentrationen weiterer Abwehrsubstanzen, der Phenolamide, geht auf die erhöhte Aktivität einer weiteren Gruppe wichtiger Pflanzenhormone zurück: die Jasmonate. Genetisch veränderte Pflanzen, die keine Strigolactone produzierten, sowie metabolomische Analysen, also die Messung der Aktivität einzelner Stoffwechselwege, sollten nun Aufschluss über die Rolle und das Zusammenspiel der Hormone bei der Resistenz gegen Stängelschädlinge geben.
Trotz erhöhter Jasmonatkonzentrationen geringere Resistenz gegen stängelbohrenden Schädling
Besonders überraschend war jedoch die deutlich erhöhte Konzentration von Jasmonaten, in denen der Strigolacton-Signalweg stillgelegt worden war. „Die hohen Jasmonatkonzentrationen in den Mutanten sowie die vermehrte Bildung der roten Anthocyanin-Pigmente hätte eigentlich für eine stärkere Abwehr gegen Fressfeinde sprechen müssen. Allerdings war Pflanzen, denen Strigolactone fehlten, deutlich weniger resistent gegen Trichobaris mucorea. Dies war insofern ein überraschendes Ergebnis, da in der Fachwelt eine große Einigkeit darüber besteht, dass Jasmonate die Abwehr gegen Schädlinge positiv beeinflussen, und in diesen Pflanzen waren Jasmonatsignale deutlich verstärkt,“ fasst die Erstautorin Suhua Li wichtige Ergebnisse der Studie zusammen.
Mutanten, die in ihrem Strigolacton-Signalweg beeinträchtigt waren, wiesen eine ganze Reihe von Veränderungen im Stoffwechsel auf: Neben einer übermäßigen Anhäufung von Anthocyaninen und Phenolamiden, wirkte sich das Fehlen der Strigolactone auch auf die Produktion von Nikotin, eines weiteren wichtigen Abwehrstoffs in Tabak, aus.
Die Studie beschreitet neue Wege, indem sie das Wechselspiel von Strigolactonen mit Jasmonaten und Auxinen zeigt, das für die speziellen Veränderungen der pflanzlichen Stoffwechselprodukte verantwortlich ist: Diese spezielle Mixtur ist – wie bei einem eigens entwickelten Medikamentencocktail – für die Widerstandsfähigkeit gegen den Angreifer entscheidend. Die Arbeit liefert auch eine detaillierte Antwort auf die Frage, wie Strigolactone auf besonders variable Elemente des Jasmonatsignalwegs einwirken: die sogenannten JAZ-Proteine, die den Jasmonat-Signalweg unterdrücken.
Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und Pflanzenfressern wurden bisher überwiegend an Pflanzen und freilebenden Blattfressern untersucht. Der Rüsselkäfer Trichobaris mucorea lebt jedoch „endophytisch“, das heißt er verbringt den größten Teil seines viermonatigen Lebenszyklus‘ – das gesamte Larvenstadium, die Verpuppung sowie das frühe adulte Stadium vor der Paarung – im Inneren des Stängels einer einjährigen Tabakpflanze.
Dort ernährt er sich vom Stängelmark. Außer der Rotfärbung gibt es von außen kaum sichtbare Zeichen des Befalls durch diesen Schädling. Lediglich das Austrittsloch im Stängel, das er nach dem Verlassen der bereits welkenden Pflanze zurücklässt, ist sichtbar. Das lange Leben innerhalb der Pflanze bedeutet aber, dass die Pflanze den Schädling eher tolerieren muss, als sich gegen ihn zu verteidigen wie gegen ein blattfressendes Insekt, das sie mit Abwehrsubstanzen in die Flucht schlagen kann.
Abwehr versus Toleranz
Die Ergebnisse zeigen, dass Strigolactone zwar die Abwehr gegen den Stängelschädling nicht direkt steuern, dafür aber indirekt die existierenden hormonellen Regulationsnetzwerke nutzen, nämlich über Jasmonate und Auxine, um die notwendigen Abwehrsubstanzen zu produzieren, die es der Pflanze ermöglichen, den Schädling im Inneren ihrer Stängel zu tolerieren. „Es ist gerade der Einfluss der Strigolactone auf die pflanzliche Toleranz solcher Schädlinge, die unsere Entdeckung, dass diese Hormone über ihre Wechselwirkungen mit anderen Hormonen, wie Jasmonaten und Auxinen, ein Feintuning bei der Pflanzenabwehr vornehmen, so interessant macht,“ sagt Ian Baldwin, Direktor der Abteilung Molekulare Ökologie, in der die Untersuchungen durchgeführt wurden.
Die Forscher vermuten, dass Strigolactone in der Pflanze eine Art Schalterfunktion zwischen Verteidigung gegen und Tolerierung von Fraßfeinden darstellen, eine These, die – falls sie sich bestätigt – auch neue interessante Ansätze für die Pflanzenzüchtung bieten würde.
Kontakt und Medienanfragen:
Angela Overmeyer M.A., Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Hans-Knöll-Str. 8, 07745 Jena, +49 3641 57-2110, E-Mail overmeyer@ice.mpg.de
Download von hochaufgelösten Fotos über http://www.ice.mpg.de/ext/downloads2020.html
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Ian T. Baldwin, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Hans-Knöll-Str. 8, 07745 Jena, Tel. +49 3641 57-1100, E-Mail baldwin@ice.mpg.de
Dr. Ming Wang, Department of Plant Pathology, Nanjing Agricultural University, Nanjing 210095, China. E-Mail: mwang@njau.edu.cn
Originalpublikation:
Li, S., Joo, Y. Cao, D., Li, R., Lee, G., Halitschke, R., Baldwin, G., Baldwin, I. T., Wang, M. (2020). Strigolactone signaling regulates specialized metabolism in tobacco stems and interactions with stem-feeding herbivores. PLOS Biology, DOI: 10.1371/journal.pbio.3000830
http://doi.org/10.1371/journal.pbio.3000830
Weitere Informationen:
http://www.ice.mpg.de/ext/index.php?id=molecular-ecology&L=1 Abteilung Molekulare Ökologie am MPI für chemische Ökologie
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