Struktur eines Proteinsuperkomplexes der pflanzlichen Atmungskette aufgeklärt
Forschungsteam der Leibniz Universität Hannover liefert neue Erkenntnisse zu molekularen Prozessen der Energieumwandlung.
Die neuesten Weltraumteleskope und interplanetare Sonden erlauben immer tiefere Einblicke in unser Universum. Gleichzeitig gibt es immer spektakulärere Bilder von der Welt am anderen Ende der Größenskala: der Welt der Atome und Moleküle im Sub-Nanometerbereich. Durch die Kombination von Elektronen-Cryomikroskopie und Bildauswertungsverfahren unter Einsatz von Großrechnern können mittlerweile Bildpunkte im Bereich von 0,1 Millionstel Millimetern (0,1 Nanometer) aufgelöst werden. Das ist die Größenordnung des Abstands von Atomen innerhalb eines Moleküls.
Mittels dieser Forschungsstrategie gelang der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Hans-Peter Braun von der Leibniz Universität Hannover in Kooperation mit Dr. Niklas Klusch und Prof. Dr. Werner Kühlbrandt vom Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt kürzlich die Strukturaufklärung eines Proteinsuperkomplexes, der an der Atmung pflanzlicher Zellen beteiligt ist. Dieser Superkomplex kommt in der inneren Membran der Mitochondrien vor, die auch als Kraftwerke der Zelle bezeichnet werden.
Im Zuge der Zellatmung überträgt er Elektronen zwischen chemischen Substraten und nutzt die dabei verfügbar werdende Energie, um geladene Wasserstoffionen, sogenannte Protonen, über die innere Mitochondrienmembran zu verschieben. Im Resultat wird eine Ladungstrennung bewirkt, ganz analog zu den Verhältnissen in einer Batterie. Diese Ladung kann nachfolgend eingesetzt werden, um die energiereiche chemische Verbindung Adenosintriphosphat (ATP) zu bilden. Doch welche genauen Wege durchlaufen die Protonen innerhalb des Superkomplexes? Die ermittelte Struktur des Superkomplexes gibt hier erste Antworten. So konnten, bedingt durch die außergewöhnliche Genauigkeit der Struktur, zahlreiche Wassermoleküle innerhalb des Superkomplexes gefunden werden, die auf die Ausbildung winziger Wasserkanäle hindeuten. Wie das Öffnen und Schließen dieser Kanäle reguliert wird, muss allerdings noch weiter untersucht werden.
Die immer schärferen Bilder aus der Welt der Atome und Moleküle ermöglichen es, molekulare Mechanismen der Energieumwandlung immer besser zu verstehen – im Falle des untersuchten Superkomplexes die Umwandlung von Energie aus Elektronenübertragungsreaktionen in einen Protonengradienten, der für die Bildung energiereicher chemischer Verbindungen genutzt werden kann. Diese neuen Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung sind von hoher Relevanz für die Entwicklung neuartiger technischer Prozesse der Energiegewinnung.
Die Ergebnisse wurden am 30. Dezember 2022 in der renommierten britischen Fachzeitschrift Nature Plants publiziert, zusammen mit einer Veröffentlichung einer amerikanischen Arbeitsgruppe um Dr. Maria Maldonado und Dr. James Letts, denen die Aufklärung der Struktur des gleichen Superkomplexes in einer anderen Pflanzenart gelang.
Klusch, N., Dreimann, M., Senkler, J., Rugen, N., Kühlbrandt, W. and Braun, H.P. Cryo-EM structure of the respiratory I + III2 supercomplex from Arabidopsis thaliana at 2 Å resolution. Nat. Plants (2022). https://doi.org/10.1038/s41477-022-01308-6
Maldonado, M., Fan, Z., Abe, K.M. and Letts, J.A. Plant-specific features of respiratory supercomplex I + III2 from Vigna radiata. Nat. Plants (2022). https://doi.org/10.1038/s41477-022-01306-8
Hinweis an die Redaktion:
Für weitere Informationen steht Ihnen Prof. Dr. Hans-Peter Braun, Institut für Pflanzengenetik der Leibniz Universität Hannover, unter Telefon +49 511 762 2674 oder per E-Mail unter braun@genetik.uni-hannover.de gern zur Verfügung.
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