Supercomputer im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen

Ribosom-Antibiotika-Komplex: Die Proteinketten sind in Cyan, die Nukleinsäure in Lila, der Ligand in Gelb und das Wasser ist durch die blauen Kugeln dargestellt.
© Elsa Sanchez-Garcia

Die Entwicklung von Antibiotika ist einer der bedeutendsten Durchbrüche in der Medizin. Allerdings entwickeln Krankheitserreger Resistenzmechanismen, die die Wirksamkeit von Antibiotika zunichtemachen. Rund 700.000 Menschen sterben jedes Jahr an solchen resistenten Bakterien. Dank Simulationsstrategien können Supercomputer dazu beitragen, die dringend benötigte Entwicklung neuer Antibiotikavarianten zu beschleunigen. Die Rechenprozesse wurden von einem internationalen Team unter der Leitung von Forschern des Exzellenzclusters Ruhr Explores Solvation, kurz RESOLV, umgesetzt.

Die Ergebnisse werden am 16. November in der Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Science, kurz PNAS, veröffentlicht.

Die beteiligten Forschenden arbeiten an der Ruhr-Universität Bochum (RUB), der Universität Duisburg-Essen (UDE) in Deutschland, der University of Portsmouth, UK, sowie an der University of Queensland in Australien und dem Weizmann Institut in Israel.

Entwicklung neuer Antibiotika schwierig

Die Entwicklung neuer Antibiotika ist besonders schwierig, und seit den 1960er-Jahren sind nur sehr wenige neue Antibiotikaklassen entwickelt worden. In der aktuellen Studie verfolgen die Forscher einen anderen Ansatz. Sie entwickeln keinen völlig neuen Typ, sondern gehen von einem bereits vorhandenen Antibiotikum aus, das sie dann modifizieren. Dazu verwendeten sie eine Strategie, bei der sie mehrere Aspekte der Kandidaten rechnerisch simulierten. Wichtig für die Wirksamkeit ist unter anderem, wie löslich das Antibiotikum ist, wie gut es die Bakterienmembran durchdringt und wie effizient es die Proteinproduktion der Erreger blockiert. „Durch die Verwendung eines computerbasierten Ansatzes wird die Entwicklung neuer Antibiotikaderivate schneller und billiger“, erklärt Prof. Dr. Frank Schulz von RESOLV. „Die Vorhersage, ob eine chemische Verbindung aktiv sein wird, bevor sie synthetisiert wird, vermeidet auch chemische Abfälle.“

Kopf-an-Kopf-Rennen

Die Vergangenheit hat gezeigt, dass oft nicht viel Zeit vergeht, bis die ersten Resistenzen gegenüber einem neuen Antibiotikum entstehen. Es ist also zu erwarten, dass die Bakterien Gegenstrategien gegen die Gegenstrategien der Forscher entwickeln und gegen die neue Antibiotika-Variante resistent werden. „Wir hoffen, mit dieser Studie zeigen zu können, dass die Resistenzmechanismen von Bakterien systematisch mit computergestützten Strategien angegangen werden können, die dazu beitragen, die Entwicklung neuer Antibiotika-Derivate schneller und kostengünstiger zu machen“, erklärt Prof. Dr. Elsa Sanchez-Garcia, Leiterin der Gruppe Computational Biochemistry an der UDE und Principal Investigator von RESOLV. „Auf diese Weise kann die Wissenschaft mit der computergestützten Entwicklung neuer Antibiotika immer weiter zurückschlagen.“

Vielversprechender Kandidat

Die Ergebnisse der Supercomputerberechnungen wurden experimentell überprüft. In der Studie hat das Forschungsteam nicht nur den computergestützten Simulationsansatz umgesetzt, sondern auch einen neuen vielversprechenden Wirkstoffkandidaten vorgestellt. Der Wirkstoffkandidat, der noch klinisch erprobt werden muss, erwies sich bei den getesteten Bakterienstämmen als bis zu 56-mal aktiver als zwei bekannte Antibiotika, die auf der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der Weltgesundheitsorganisation stehen. Die neue Antibiotikavariante ist nicht nur wirksamer gegen die getesteten Zielorganismen, sondern zeigt auch Aktivität gegen die drei am höchsten eingestuften Bakterien auf der Prioritätenliste der Weltgesundheitsorganisation, gegen die die bisher getesteten Antibiotika nicht wirksam sind. Zusätzlich zu diesem Erfolg wurde eine Bibliothek von Verbindungen mit antibakterieller Aktivität geschaffen, die eine schnellere Iteration bei der Entwicklung weiterer Antibiotikavarianten ermöglicht.

Die Universitätsallianz Ruhr

Seit 2007 arbeiten die Ruhr-Universität Bochum, die Technische Universität Dortmund und die Universität Duisburg-Essen unter dem Dach der Universitätsallianz Ruhr (UA Ruhr) strategisch eng zusammen. Durch Bündelung der Kräfte werden die Leistungen der Partneruniversitäten systematisch ausgebaut. Unter dem Motto „gemeinsam besser“ gibt es inzwischen über 100 Kooperationen in Forschung, Lehre und Verwaltung. Mit mehr als 120.000 Studierenden und nahezu 1.300 Professorinnen und Professoren gehört die UA Ruhr zu den größten und leistungsstärksten Wissenschaftsstandorten Deutschlands.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Frank Schulz
Organische Chemie 1
Arbeitsgruppe Naturstoffchemie und -biochemie
Fakultät für Chemie und Biochemie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 27034
E-Mail: frank.schulz@rub.de

Originalpublikation:

Gerhard König et al.: Rational prioritization strategy allows the design of macrolide derivatives that overcome antibiotic resistance, in: PNAS, 2021, DOI: 10.1073/pnas.2113632118, https://www.pnas.org/content/118/46/e2113632118

https://news.rub.de/wissenschaft/2021-11-08-chemie-supercomputer-im-kampf-gegen-antibiotikaresistenzen

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Meike Drießen Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

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