Tiefe Hirnstimulation verhindert im Mausmodell epileptische Anfälle

Bei einer langsamen Stimulation des Hippocampus blieben im Mausmodell die epileptischen Anfälle aus.
Universitätsklinikum Freiburg /AG Haas

Wissenschaftler*innen um die Neurobiologin Prof. Dr. Carola Haas, Forschungsgruppenleiterin an der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Freiburg und des Forschungszentrums BrainLinks-BrainTools, haben einen neuen Therapieansatz zur Prävention epileptischer Anfälle bei Schläfenlappenepilepsie erforscht. Sie zeigten bei Mäusen, dass sich mit einer niederfrequenten Stimulation bestimmter Hirnareale die epileptische Aktivität komplett beenden ließ. Statt mit Strom stimulierten die Forscher*innen die Zellen mit Licht. Dafür hatten sie zuvor ein lichtsensitives Molekül in die Zellen eingeschleust, das eine besonders präzise Stimulation erlaubt.

Epileptische Aktivität, ausgehend von einer oder mehreren erkrankten Hirnregionen im Bereich des Schläfenlappens, ist schwer einzudämmen. Viele Patientinnen und Patienten mit einer sogenannten Schläfenlappenepilepsie sprechen häufig nicht auf die Behandlung mit anti-epileptischen Medikamenten an, und die betroffenen Hirnareale müssen deshalb operativ entfernt werden. Leider verschafft dieser Eingriff nur etwa einem Drittel der Patienten Anfallsfreiheit, sodass die Entwicklung alternativer Therapieansätze von großer Bedeutung ist.

Wissenschaftler*innen um die Neurobiologin Prof. Dr. Carola Haas, Forschungsgruppenleiterin an der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Freiburg und des Forschungszentrums BrainLinks-BrainTools, haben einen neuen Therapieansatz zur Prävention epileptischer Anfälle bei Schläfenlappenepilepsie erforscht. Sie zeigten bei Mäusen, dass sich mit einer niederfrequenten Stimulation bestimmter Hirnareale die epileptische Aktivität komplett beenden ließ. Statt mit Strom stimulierten die Forscher*innen die Zellen mit Licht. Dafür hatten sie zuvor ein lichtsensitives Molekül in die Zellen eingeschleust, das eine besonders präzise Stimulation erlaubt. Die Ergebnisse veröffentlichten sie im Dezember 2020 im Fachmagazin elife.

„Sobald wir die Hirnregion mit einer Frequenz von einem Hertz stimulierten, waren die epileptischen Anfälle verschwunden. Dieser Effekt war über mehrere Wochen stabil“, sagt Haas. Eine Gewöhnung, wie sie bei einer medikamentösen Therapie auftreten kann, fand nicht statt. Die Hirnregion wurde täglich eine Stunde stimuliert.

Schaltkreise und Zellen identifiziert

Bei einer Schläfenlappenepilepsie ist oft der Hippocampus krankhaft verändert und stellt meist den sogenannten Fokus der epileptischen Aktivität dar. In früheren Studien konnte auf Grundlage präziser genetischer Markierungstechniken bereits das Fasersystem und dessen synaptische Kontakte zwischen Schläfenlappen und Hippocampus dargestellt werden, welche bei einer Schläfenlappenepilepsie typischerweise erhalten bleiben.

Die Forscher*innen nutzten dieses Fasersystem, um die Aktivität des Hippocampus unter dem Einsatz lichtabhängiger Proteine spezifisch und zeitlich präzise zu manipulieren. Bei der Messung der Hirnströme zeigte sich, dass eine rhythmische Aktivierung des erkrankten Hippocampus mit einer niedrigen Frequenz von einem Hertz die epileptische Aktivität unterdrückt und deren Ausbreitung verhindert.

Haas und ihre Kolleg*innen wiesen nach, dass die anti-epileptische Wirkung größtenteils auf die wiederholte Aktivierung der überlebenden Körnerzellen im Anfallsfokus zurückführen ist. Einzelzell-Untersuchungen bestätigten die Vermutung, dass die Körnerzellen aufgrund der Stimulation weniger erregbar sind und sich der epileptische Anfall dadurch weniger leicht ausbreitet.

„Es ist auch möglich, dass wir einen weitgreifenden Netzwerkeffekt haben, da sich die Stimulation über die Schaltkreise des Hippocampus ausbreiten kann“, so Haas. In der Zukunft möchte das Team, zusammen mit der Medizinphysik des Universitätsklinikums Freiburg, das gesamte Gehirn während der Stimulation mittels Magnetresonanztomografie beobachten. Mit dieser Technik ließen sich weitere Hirnregionen identifizieren, die von der Stimulation betroffen sind. Entsprechende Erkenntnisse darüber könnten Aufschluss darüber geben, wie diese miteinander verbunden sind und welche weiteren Konsequenzen eine Stimulation hat.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Carola Haas
Forschungsgruppenleiterin
Sektion für Experimentelle Epilepsieforschung
Klinik für Neurochirurgie
Universitätsklinikum Freiburg
Telefon: 0761 270-52950
carola.haas@uniklinik-freiburg.de

Originalpublikation:

Original-Titel der Studie:
Hippocampal low-frequency stimulation prevents seizure generation in a mouse model of mesial temporal lobe epilepsy.
DOI: 10.7554/eLife.54518
Link zur Studie: https://elifesciences.org/articles/54518

http://www.uniklinik-freiburg.de

Media Contact

Benjamin Waschow Stabsstelle Unternehmenskommunikation
Universitätsklinikum Freiburg

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Selen-Proteine …

Neuer Ansatzpunkt für die Krebsforschung. Eine aktuelle Studie der Uni Würzburg zeigt, wie ein wichtiges Enzym in unserem Körper bei der Produktion von Selen-Proteinen unterstützt – für die Behandlung von…

Pendler-Bike der Zukunft

– h_da präsentiert fahrbereiten Prototyp des „Darmstadt Vehicle“. Das „Darmstadt Vehicle“, kurz DaVe, ist ein neuartiges Allwetter-Fahrzeug für Pendelnde. Es ist als schnelle und komfortable Alternative zum Auto gedacht, soll…

Neuartige Methode zur Tumorbekämpfung

Carl-Zeiss-Stiftung fördert Projekt der Hochschule Aalen mit einer Million Euro. Die bisherige Krebstherapie effizienter gestalten bei deutlicher Reduzierung der Nebenwirkungen auf gesundes Gewebe – dies ist das Ziel eines Projekts…