Transkriptionsfaktor WT1 reguliert Nieren-Krankheitsgene

Das Wilms-Tumor-Protein WT1 nimmt eine Schlüsselposition in einem komplexen Netzwerk aus Genen und Proteinen ein, das für die Entwicklung und den Erhalt der Niere wichtig ist. Foto: B. Perner / FLI; Grafik: K. Wagner / FLI

Jenaer Forscher des Leibniz-Instituts für Altersforschung fanden nun heraus, dass das Wilms-Tumor-Gen WT1 eine Schlüsselposition in einem komplexen Netzwerk aus Genen und Proteinen einnimmt, das für die Entwicklung und den Erhalt der Niere wichtig ist.

Viele dieser neuen Faktoren könnten zur Entstehung von Erkrankungen und zum Funktionsverlust der Niere im Rahmen des Alterns beitragen. Diese Frage wird zukünftig in Kooperation mit klinischen Partnern translational bearbeitet.

Beim Wilms-Tumor-Protein WT1 handelt es sich um einen Transkriptionsfaktor. Diese Klasse von Proteinen steuert die Aktivität von Genen in unseren Zellen und entscheidet darüber, ob diese an- oder abgeschaltet werden.

WT1 ist maßgeblich an der Ausbildung einer gesunden und korrekt funktionierenden Niere beteiligt. Störungen im Entwicklungsprozess führen zu Nierenkrebs bei Kindern. Darüber hinaus ist das Wilms-Tumor-Protein für den Nierenerhalt, die Homöostase, sehr wichtig. Wie WT1 diese Prozesse steuert und welche Gene von WT1 letztendlich reguliert werden, war bisher nicht genau bekannt.

Wissenschaftler des Jenaer Leibniz-Instituts für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) untersuchten deshalb, wo sich im Erbgut (Genom) der Maus Bindestellen für WT1 befinden und welche Gene von WT1 reguliert werden. Zur genomweiten Untersuchung im Hochdurchsatzverfahren verwendeten sie die Chip-Seq-Methode (engl. Chromatin Immunoprecipitation DNA-Sequencing); eine biochemische Methode zum Nachweis von DNA-Protein-Interaktionen.

„Von den mit dieser Methode gefundenen über 270 Genen haben wir bestimmte Kandidatengene herausgepickt und nachfolgend näher charakterisiert“, berichtet Prof. Christoph Englert, Leiter der im Journal of the American Society of Nephrology veröffentlichten Studie.

Unter den näher charakterisierten Kandidatengenen befand sich eine Reihe von Genen, die bereits als Krankheits-assoziierte Gene des Menschen identifiziert wurden, d.h. liegen diese mutiert vor, treten Nierenerkrankungen auf. Zusätzliche Experimente im Zebrafisch bestätigten die wichtige Rolle der ausgewählten WT1-Zielgene bei der Nierenentwicklung. „Die Vielzahl der gefundenen und bereits als Krankheitsgene identifizierten Gene lässt den Rückschluss zu, dass auch die Fehlfunktion von anderen, für uns bisher neuen Genen, mit großer Wahrscheinlichkeit Nierenkrankheiten verursachen“, ist sich Prof. Englert sicher.

Weitere Analysen in der Maus, im Zebrafisch sowie in der Zellkultur zeigten, dass WT1 als Hauptschalter in einem Netzwerk von Genen und Proteinen fungiert, das sowohl für die Biologie als auch für die Pathologie der Niere essentiell ist. „Diese wichtigen neuen Erkenntnisse zur Regulation der Nierendifferenzierung und zum Nierenerhalt wurden nicht zuletzt erst durch die ausgezeichneten Arbeitsbedingungen an unserem Institut möglich“, schwärmt Prof. Englert, „da innerhalb einer Arbeitsgruppe nicht nur an unterschiedlichen Modellorganismen gearbeitet, sondern darüber hinaus gruppenübergreifend auf das Know-How anderer Spezialbereiche im Haus, wie der Sequenzierung, Genomanalyse und Bioinformatik, zurückgegriffen werden kann“.

„Da wir in zwei evolutionär entfernten Modellorganismen – der Maus und dem Zebrafisch, die dennoch dem Menschen sehr ähnlich sind, diese WT1-abhängigen Gene gefunden haben, sollten diese auch beim Menschen nachweisbar sein“, erläutert der Genetiker. In Zusammenarbeit mit Kollegen aus der Humangenetik und Nephrologie in New York und Boston wird daher nun in Patientenproben mit diversen Nierenerkrankungen gezielt nach Veränderungen in diesen neuen, möglichen Krankheitsgenen gesucht.

Die neuen Ergebnisse sind darüber hinaus für eine Kernfrage der Alternsforschung von Bedeutung: „Das Nachlassen der Nierenfunktion im Alter stellt eines der Hauptprobleme dar, das bei vielen alten Menschen zu einer Einschränkung der Lebensqualität führt. Wenn es gelingt, einen funktionellen Zusammenhang zwischen einzelnen Genen und dem altersabhängigen Verlust der Nierenfunktion zu entschlüsseln, können Therapien entwickelt werden, die darauf zielen, dies zu verhindern“, postuliert Prof. Lenhard Rudolph, Wissenschaftlicher Direktor des FLI.

Publikation
Lihua Dong, Stefan Pietsch, Zenglai Tan, Birgit Perner, Ralph Sierig, Dagmar Kruspe, Marco Groth, Ralph Witzgall, Hermann-Josef Gröne, Matthias Platzer & Christoph Englert. Integration of cistromic and transcriptomic analyses identifies Nphs2, Mafb, and Magi2 as Wilms’ Tumor 1 target genes in podocyte differentiation and maintenance. J Am Soc Nephrol. 2015, doi: 10.1681/ASN.2014080819.

Kontakt
Dr. Kerstin Wagner
Leibniz-Institut für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI)
Beutenbergstr. 11, 07745 Jena
Tel.: 03641-656378, Fax: 03641-656351, E-Mail: presse@fli-leibniz.de

Hintergrundinfo
Das Leibniz-Institut für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena widmet sich seit 2004 der biomedizinischen Alternsforschung. Über 330 Mitarbeiter aus 30 Nationen forschen zu molekularen Mechanismen von Alternsprozessen und alternsbedingten Krankheiten. Näheres unter http://www.fli-leibniz.de.

Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 89 selbständige Forschungseinrichtungen. Deren Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute bearbeiten gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevante Fragestellungen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Grundlagenforschung. Sie unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer in Richtung Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Institute pflegen intensive Kooperationen mit den Hochschulen ‑ u.a. in Form der WissenschaftsCampi ‑, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem maßstabsetzenden transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 17.200 Personen, darunter 8.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei 1,5 Milliarden Euro. Näheres unter http://www.leibniz-gemeinschaft.de.

http://www.fli-leibniz.de – Homepage Leibniz-Institut für Altersforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) Jena

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