Tumorzellen auf Kupfer-Entzug
Nanofasern aus Kupfer-bindenden Peptiden stören Kupfer-Homöostase in Krebszellen.
In hohen Konzentrationen ist es giftig, aber als Spurenelement ist Kupfer lebensnotwendig. Viele Tumore benötigen für ihr ausuferndes Wachstum deutlich mehr Kupfer als gesunde Zellen – möglicherweise ein neuer Angriffspunkt für Krebstherapien. In der Zeitschrift Angewandte Chemie stellt ein Forschungsteam des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung jetzt einen neuartigen Ansatz vor, bei dem Tumorzellen Kupfer effektiv entzogen wird, wodurch die Zellen abgetötet werden.
Kupfer ist ein essenzieller Cofaktor verschiedener Enzyme, die eine Rolle für das Wachstum und die Entwicklung von Zellen spielen. Beispielsweise sind Kupferionen am antioxidativen Schutz beteiligt. Zellen regulieren die Konzentration und Verfügbarkeit von Kupferionen sehr streng, es müssen einerseits genug Kupferionen „griffbereit“ sein, andererseits muss die Konzentration freier Kupferionen im Cytoplasma extrem gering gehalten werden, um unerwünschte Nebeneffekte zu vermeiden. Extrazelluläre, zweiwertige Kupfer-Ionen werden zu einwertigem Kupfer reduziert, in die Zelle transportiert, in Pools gelagert und bei Bedarf auf diejenigen Biomoleküle übertragen, die sie benötigen. Um das zelluläre Kupfer-Gleichgewicht beizubehalten (Homöostase), haben Zellen ausgeklügelte Verkehrswege entwickelt, die über verschiedene Transporter, Liganden, Chaperone (Proteine, die bei der korrekten Faltung anderer komplexer Proteine helfen) und Co-Chaperone laufen.
Da Krebszellen viel stärker wachsen und sich vermehren, haben diese einen deutlich erhöhten Bedarf an Kupferionen. Ihnen den Zugriff auf Kupferionen zu verwehren, könnte ein neuer Therapieansatz sein. Das Problem: Bisher konnten noch keine Wirkstoffe entwickelt werden, die Kupferionen mit ausreichend hoher Affinität binden, um sie den Kupfer-bindenden Biomolekülen „wegzunehmen“.
Tanja Weil, Direktorin am Max-Planck-Institut für Polymerforschung (Mainz), und ihrem Team ist es nun in Kooperation mit der Stanford University School of Medicine (Stanford/CA, USA), dem Institut für Molekulare Biologie (Mainz) sowie der Goethe-Universität Frankfurt/Main gelungen, ein solches System zu entwickeln. Als Herzstück wählten sie die Kupfer-bindende Domäne des Chaperons Atox1. An dieses Peptid knüpften sie einen Baustein, der die Aufnahme in Tumorzellen fördert. Ein dritter Part sorgt dafür, dass die einzelnen Moleküle in den Tumorzellen zu Nanofasern aggregieren. In dieser Form tragen die Fasern viele Kupfer-bindende Stellen in passender räumlicher Anordnung auf ihrer Oberfläche, um Kupfer-Ionen jeweils von drei Seiten mit Thiol-Gruppen „in die Zange nehmen“ zu können (Chelat-Komplex). Die Affinität dieser Nanofasern zu Kupfer ist so hoch, dass sie Kupfer-Ionen auch in Anwesenheit Kupfer-bindender Biomoleküle festhalten. Die Kupfer-Pools der Tumorzelle laufen daher leer und Biomoleküle, die Kupferionen benötigen, werden inaktiv. In der Folge wird das Redox-Gleichgewicht der Tumorzelle gestört, es kommt zu vermehrtem oxidativem Stress und die Tumorzelle stirbt ab. Bei den unter speziellen Bedingungen an Zellkulturen durchgeführten Experimenten waren so mehr als 85 % einer Brustkrebszellkultur nach 72 Stunden abgestorben, während sich keine Cytotoxizität gegenüber einer gesunden Zelllinie zeigte.
Das Forschungsteam hofft, dass sich aus diesen grundlegenden Experimenten in vielen Jahren vielleicht anwendbare Behandlungsansätze gegen Krebs entwickeln lassen.
Angewandte Chemie: Presseinfo 20/2024
Autor/-in: Tanja Weil, Max-Planck-Institut für Polymerforschung, Mainz (Germany), https://www.mpip-mainz.mpg.de/en/weil/director
Angewandte Chemie, Postfach 101161, 69451 Weinheim, Germany.
Die „Angewandte Chemie“ ist eine Publikation der GDCh.
Originalpublikation:
https://doi.org/10.1002/ange.202412477
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