Übergewicht – wie der Vater so der Sohn

An den roten Augen können die Forscher die übergewichtigen Fliegen erkennen. MPI f. Immunbiologie und Epigenetik/ A. Pospisilik

Ein zuckerreiches Festmahl vor dem Sex kann für eine Fruchtfliege und ihren Nachwuchs Folgen haben: Die Fliegenkinder werden dann nämlich anfälliger für Übergewicht. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg haben zusammen mit Forschern aus Spanien und Schweden entdeckt, dass schon eine kurze Umstellung der Ernährung männlicher Fruchtfliegen beim Nachwuchs Übergewicht hervorruft.

Demnach führt zuckerreiches Futter ein bis zwei Tage vor der Paarung dazu, dass der männliche Nachwuchs mehr Körperfett ansetzt – allerdings nur dann, wenn sich die Jungtiere besonders zuckerreich ernähren.

Das internationale Forscherteam hat zudem das erste Gen-Netzwerk für eine generationsübergreifende Veränderung des Stoffwechsels identifiziert. Die Ernährung der Väter aktiviert Gene, die das Erbgut epigenetisch verändern können. Diese Veränderungen werden vererbt und steuern in der nächsten Generation die Aktivität von Genen für den Fettstoffwechsel. Die Forscher haben darüber hinaus ein ähnliches Gen-Netzwerk auch bei Menschen und Mäusen gefunden, das die Anfälligkeit für Übergewicht erhöht.

Das Erbgut bestimmt maßgeblich unser Gewicht. Deshalb steckt auch Übergewicht zu einem großen Teil in unseren Genen. Gleichzeitig wirken aber auch Einflüsse aus der Umwelt über sogenannte epigenetische Veränderungen auf das Körpergewicht. Diese Modifikationen sind vererbbar, obwohl sie den genetischen Code nicht verändern.

Die Wissenschaftler aus Freiburg haben nun entdeckt, dass die Ernährung von Fruchtfliegen- Männchen auf diese Weise das Körpergewicht ihrer Nachkommen beeinflussen kann. Die Forscher fütterten die ausgewachsenen Fliegenmännchen zwei Tage vor der Paarung mit Futter mit verschiedenem Zuckergehalt. Die aus den Eiern geschlüpften Fliegen erhielten dann entweder normale oder zuckerhaltige Nahrung. Die Forscher untersuchten aus technischen Gründen ausschließlich männliche Fliegen, die Ergebnisse sind aber wahrscheinlich bei den weiblichen Tieren vergleichbar.

Auf Söhne, die selbst nur ausgewogene Nahrung zu sich genommen hatten, hatte die Ernährung ihrer Väter keinen Einfluss. Ganz anders verhielt sich das Körpergewicht, wenn der Fliegennachwuchs besonders zuckerreiche Nahrung gegessen hatte: Die Jungtiere, deren Väter Nahrung mit sehr wenig Zucker oder viel Zucker zu sich genommen hatten, neigten dann zu Übergewicht.

Sie wiesen einen höheren Anteil an Körperfett auf und aßen auch mehr als die Söhne von Vätern mit ausgewogenem Futter. „Es ergibt sich also ein U-förmiger Effekt: Extreme Zuckerwerte in der Nahrung der Väter – seien sie hoch oder niedrig – haben die stärksten Konsequenzen für die nächste Generation“, erklärt Anita Öst vom Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik, die inzwischen an der Linkoeping Universität in Schweden forscht. Noch weiter vererbt sich die Wirkung auf das Körpergewicht aber nicht, denn in der Enkelgeneration haben die Wissenschaftler den Effekt nicht mehr beobachtet.

Offenbar ist die Vererbung des Ernährungsstatus der Väter vom Methylierungsmuster der Verpackung ihres Erbguts abhängig. Diese Anhängsel, kleine chemische Gruppen, kontrollieren, wie kompakt die DNA verpackt ist. Davon hängt es ab, wie stark ein Gen abgelesen wird. Gentechnisch veränderte Fliegen, bei denen verschiedene Methylierungsenzyme teilweise blockiert sind, vererben ihren Ernährungsstatus nicht an ihre Söhne. „Wir haben unterschiedliche Fliegenmutanten getestet und dabei sieben Gene identifiziert, die die Verpackung der DNA kontrollieren“, sagt Adelheid Lempradl vom Freiburger Max-Planck-Institut. Bei zuckerreicher Ernährung der Väter lockert sich die Verpackung der DNA in den Söhnen, so dass Fettstoffwechselgene vermehrt abgelesen werden können. Ein Effekt, der das ganze Fliegenleben lang anhält.

Einen Hinweis auf einen ähnlichen Mechanismus gibt es auch bei Menschen. Die Forscher haben die Daten von Untersuchungen an Pima-Indianern – einem Stamm nordamerikanischer Ureinwohner, die häufig unter Übergewicht leiden – sowie eineiigen Zwillingen ausgewertet. Die beiden Studien aus den Jahren 2005 und 2008 vergleichen jeweils übergewichtige mit normalgewichtigen Personen und ihre Genausstattung. „Die Daten zeigen, dass übergewichtige Menschen dieselbe Gen-Signatur besitzen wie die Fruchtfliegen. Die Anfälligkeit für ein hohes Körpergewicht steigt also auch beim Menschen, wenn bestimmte Methyltransferasen inaktiv sind“, erklärt J. Andrew Pospisilik, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik. Dieselben Gene regulieren den Forschern zufolge auch bei Mäusen das Gewicht.

Originalpublikation:
Anita Öst, Adelheid Lempradl, Eduard Casas, Melanie Weigert, Theo Tiko, Merdin Deniz, Lorena Pantano, Ulrike Boenisch, Pavel M. Itskov, Marlon Stoeckius, Marius Ruf, Nikolaus Rajewsky, Gunter Reuter, Nicola Iovino, Carlos Ribeiro, Mattias Alenius, Steffen Heyne, Tanya Vavouri, J. Andrew Pospisilik
Paternal diet defines offspring chromatin state and intergenerational obesity
Cell, 4 December 2014

Ansprechpartner:
Dr. J. Andrew Pospisilik
Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik, Freiburg
Telefon:+49 7615 108-757
E-Mail:pospisilik@immunbio.mpg.de

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Dr Harald Rösch Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.

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