Überlebenskünstler im extremen Klima der Atacama-Wüste
Welche Mikroorganismen es schaffen, in den extrem trockenen Böden der Atacama-Wüste zu überleben, und welche wichtigen Funktionen sie in diesem extremen Ökosystem übernehmen – zum Beispiel bei der Bodenbildung –, haben Forschende um Dr. Alexander Bartholomäus, Dr. Steffi Genderjahn und Prof. Dirk Wagner vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ entschlüsselt. Sie nutzten dafür neue gentechnische Methoden, die DNA von lebenden und toten Mikroorganismen unterscheiden können. Ihre Studie ist im Journal Applied and Environmental Microbiology erschienen.
Auch in extremen Umgebungen wie der Atacama-Wüste, die als eine der trockensten Regionen der Erde gilt, kann Leben existieren. Allerdings ist es schwierig zu erforschen, da zum Studium nur vergleichsweise wenige Mikroorganismen zur Verfügung stehen. Ein Team des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ um Dr. Alexander Bartholomäus, Dr. Steffi Genderjahn und Prof. Dirk Wagner und ihre internationalen Partner hat nun gezeigt, dass eine neue gentechnische Methode detaillierte Analysen der einzigartigen Lebensformen ermöglicht. Sie basiert darauf, die DNA von lebenden und toten Organismen zu trennen. So konnten die Forschenden zeigen, dass die Wüste eine erstaunliche Vielfalt an spezialisierten Mikroorganismen beherbergt. Die Studie, die im Journal Applied and Environmental Microbiology veröffentlich wurde, trägt dazu bei, unser Wissen über Mikroorganismen und Prozesse wie Bodenbildung und mikrobiell getriebene Verwitterung zu erweitern und extreme Lebensräume mit wenig Biomasse besser zu verstehen.
Hintergrund: Atacama-Wüste als eines der extremsten Habitate
Die Atacama-Wüste in Chile ist eine der trockensten und ältesten Wüsten der Erde. Der jährliche Niederschlag beträgt nur zwei Millimeter pro Jahr, wobei die Regenfälle oft nur in El Niño-Jahren und damit nur etwa einmal pro Dekade auftreten. Zudem sind die Böden extrem salzig und reich an Mineralien, die sich über die Zeit akkumuliert haben. Auch die täglichen Temperaturschwankungen (0°C – 32°C), die UV-Strahlung auf der Bodenoberfläche und der niedrige Gehalt an organischem Kohlenstoff im Boden zählen zu den extremsten weltweit.
All diese Bedingungen machen Leben in der Wüste extrem hart und lebensfeindlich. Nichtsdestotrotz haben andere Studien bereits gezeigt, dass sich eine Vielzahl von Mikroorganismen an diese Bedingungen angepasst haben. Die genaue Bestimmung und das genaue Studium dieser Lebensformen schlägt mit klassischen Methoden der DNA- oder RNA-Extraktion für Bodenproben aus extremen Habitaten oft fehl. Speziell RNA-basierte Methoden zur Untersuchung der Aktivität der Mikroorganismen sind aufgrund der geringen Biomasse oft nicht durchführbar.
Neue Methode zur Analyse von Mikroorganismen unter Extrembedingungen: eDNA/iDNA-Trennung
Das Forschungsteam um Dr. Alexander Bartholomäus, Leitung der Bioinformatik in der GFZ-Sektion „Geomikrobiologie“, Dr. Steffi Genderjahn, ehemalige Mitarbeiterin der Sektion, und Prof. Dirk Wagner, Leiter der Sektion „Geomikrobiologie“, hat für ihre Untersuchungen nun eine neue DNA-Analysemethode angewandt, die u.a. von Dirk Wagner entwickelt wurde. Hierbei wird die DNA in extra-zelluläre DNA (eDNA, von toten Zellen) und intra-zelluläre DNA (iDNA, von lebenden Zellen) getrennt. Das ermöglicht die getrennte Untersuchung sowohl der lebenden und potenziell aktiven als auch der toten Mikroorganismen. Damit ergibt sich ein genaues Bild der tatsächlich aktiven Lebensformen auch für Umgebungen, in denen andere Methoden nicht funktionieren.
Untersuchung von mehreren Standorten unterschiedlicher Bodenfeuchtigkeit mit neuer DNA-Analyse Methode
Das Team untersuchte sechs Standorte entlang eines Feuchtigkeitsgefälles von der Küste bis hin zu einigen der trockensten Orte in der Atacama. Dabei nahmen sie Bodenproben von der Oberfläche und aus 20-30 Zentimetern Tiefe und verglichen sie. Die DNA wurde mit der neuen Methode zur Trennung der e- und iDNA extrahiert. Anschließend wurden bestimmte Gene – die 16S rRNA Gene – mithilfe von PCR-basierten Techniken vermehrt und bioinformatisch untersucht.
Wie erwartet zeigten die Proben der feuchteren Standorte eine große Überschneidung bei den detektierten Organismen. Durch die höhere Feuchtigkeit sind diese Standorte lebensfreundlicher und es gibt aufgrund der Aktivität der Mikroorganismen einen höheren Stoffumsatz. Vereinfacht gesagt: Umso aktiver eine Gemeinschaft, desto ähnlicher sind sich eDNA- (toter) und iDNA- (lebendiger) Pool. Ganz im Gegensatz dazu stehen einige extreme Standorte: Hier ist die Überschneidung der eDNA- und iDNA-Pools oft sehr klein. Teilweise teilen nur 13 Prozent der Mikroorganismen die Pools. Hiermit zeigt sich der Vorteil der verwendeten Methode, da Untersuchungen basierend auf der gesamt DNA hier womöglich zu falschen Schlüssen kommen könnten.
Identifikation von vielfältigem Leben auch unter extremsten Bedingungen
Dem Team gelang es, lebende Mikroorganismen nachzuweisen, die sich den extremen Bedingungen angepasst haben, und die für das Wüstenökosystem wichtige Funktionen wie die Kohlenstoff- und Stickstofffixierung übernehmen. „Mit der neuen Methode gelingen uns bislang nicht mögliche Einblicke in diese extremen Lebensräume. Die von uns identifizierten Mikroben spielen eine entscheidende Rolle für die initialen Bodenbildungsprozesse“, erklärt Alexander Bartholomäus, Erstautor der Studie. „Sie sind in der Lage, mit minimalen Ressourcen zu überleben und sogar Mineralien abzubauen, was für die Entwicklung von Böden in extremen Umgebungen wichtig ist.“
Ein genauer Blick auf die lebende Gemeinschaft der Mikroorganismen zeigt, dass einige Organismen als Generalisten an fast allen Standorten vorkommen. Unter ihnen etwa Acidimicrobiia, Geodermatophilaceae, Frankiales und Burkholderiaceae, die für initiale Bodenbildung und mikrobielle Mineralverwitterung bekannt sind. Andererseits gibt es eine Vielzahl von Spezialisten, die nur an einzelnen Standorten oder nur in einzelnen Tiefen vorkommen und eine geringe Gesamtpopulation aufweisen. Sie scheinen sich speziell an die lokal vorhandenen Ressourcen angepasst zu haben. Beispielweise konnten am feuchteren Standort, der von salzreichem Sprühnebel an der Küste beeinflusst ist, salzliebende (halophile) Archaeen als Spezialisten detektiert werden.
Resümee und Ausblick
„Die Atacama-Wüste stellt uns Mikrobiologen mit ihren extremen Bedingungen vor enorme Herausforderungen. Es ist faszinierend zu sehen, wie groß die Anpassungsfähigkeit der Mikroben ist, und dass wir nun Werkzeuge haben, mit denen wir das mikrobielle Leben und dessen Verhalten im Zuge des Klimawandels entschlüsseln können“, resümiert Dirk Wagner.
„Weitere methodische Verfeinerungen und neue molekulare Techniken können unser Verständnis von Lebensräumen mit geringer Biomasse weiter verbessern“, so Wagner. „Die neue eDNA/iDNA-Trennmethode könnte auch in anderen extremen Umgebungen angewandt werden, etwa in den Trockentälern der Antarktis oder in marsähnlichen Umgebungen. Dies würde dazu beitragen, unser Verständnis der mikrobiellen Anpassungen und Überlebensstrategien in extremen Ökosystemen weltweit zu erweitern und durch die Identifizierung von Lebensformen in marsähnlichen Umgebungen einen Beitrag zur Astrobiologie leisten.“
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Alexander Bartholomäus
Sektion 3.6 Geomikrobiologie
Helmholtz-Zentrum Potsdam
Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ
Tel.: +49 331 6264-28959
E-Mail: alexander.bartholomaeus@gfz-potsdam.de
Prof. Dr. Dirk Wagner
Leitung Sektion 3.6 Geomikrobiologie
Helmholtz-Zentrum Potsdam
Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ
Tel.: +49 331 6264-28800
E-Mail: dirk.wagner@gfz-potsdam.de
Originalpublikation:
Bartholomäus A, Genderjahn S, Mangelsdorf K, Schneider B, Zamorano P, Kounaves SP, Schulze-Makuch D, Wagner D. 0. Inside the Atacama Desert: uncovering the living microbiome of an extreme environment. Appl Environ Microbiol 0:e01443-24.
https://doi.org/10.1128/aem.01443-24
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