Upgrade der Magnetresonanzmethode mit 1.000-fachem Verstärker

Co-Autor Dennis Kurzbach und Erstautorin Ludovica M. Epasto vor dem Hyperpolarisationgerät. (C: D. Kurzbach, L. Epasto)

Pimp my Spec:

Atomgenaue Beschreibung von Proteinen in natürlicher Konzentration kann dazu beitragen, den Prozess der Zellvermehrung bis hin zum Tumorwachstum besser zu verstehen.

Die Struktur und Dynamik von Proteinen bestimmen Forscher*innen mit Hilfe der NMR-Spektroskopie (NMR steht für Nuclear Magnetic Resonance). Um diese im Labor messen zu können, brauchte es bisher aber viel größere Mengen an Biomolekülen in Lösung als sie in den körpereigenen Zellen vorkommen. Eine um einen sehr leistungsstarken Verstärker erweiterte NMR-Methode, in Kombination mit molekulardynamischer Simulation, ermöglicht nun die Messung und genaue Charakterisierung unter natürlichen Konzentrationsbedingungen. Das berichten der Chemiker Dennis Kurzbach von der Universität Wien und Kolleg*innen in der Fachzeitschrift „Science Advances“. Dass die neue Methode funktioniert, zeigte das Team anhand eines Proteins, welches die Zellvermehrung und damit auch potenzielles Tumorwachstum beeinflusst.

Derzeit ist die NMR-Spektroskopie die einzige Methode, die eine vollständige Beschreibung der atomaren Struktur von Biomakromolekülen in ihrer nativen Lösungsumgebung ermöglicht. Aufgrund der an sich geringen Empfindlichkeit der Methode muss die Probe allerdings sehr viel mehr Moleküle pro Volumen enthalten als physiologisch üblich. Mit Hilfe der Hyperpolarisation (genauer durch Dissolution Dynamic Nuclear Polarization) kann eine 1.000-fache Signalverstärkung bei der NMR-Messung erreicht werden.

E-Gitarre vs. NMR – gleiches Prinzip

„Mit der Spektroskopie ist es wie mit einer E-Gitarre. Ist der Verstärker zu schwach, hört man nur wenig, wenn man nicht stark in die Saiten haut“, sagt Dennis Kurzbach vom Institut für Biologische Chemie: „Das heißt, man braucht viel Material, um ein NMR Signal zu sehen. Mit dem neuen Hyperpolarisationsverstärker kann man aber schon bei sehr geringen Mengen etwas messen.“

Die Forscher*innen schafften es, Biomoleküle bei Konzentrationen von nurmehr 1 Mikromol/Liter zu messen (d.h. bei einem Millionstel der üblichen Konzentrationsmengen). Die Konzentration nähert sich damit jener unserer Zellen an. Das ist insofern wichtig, als dass Proteine auf unnatürlich hohe Konzentrationen so reagieren können, dass sie nicht mehr das tun, wozu sie eigentlich bestimmt sind, oder sie sich anderen Proteinen gegenüber plötzlich anders verhalten.

Die Dissolution Dynamic Nuclear Polarization-Messung liefert typischerweise eindimensionale Spektren, bei denen der Informationsgehalt limitiert ist. Um Proteine unter natürlichen Konzentrationsbedingungen ganzheitlich beschreiben zu können, kam zusätzlich eine molekulardynamische Simulation zum Einsatz: „So konnten wir von dem Fingerabdruck, den wir von unserem Molekül über NMR erhalten haben, auf seinen ‚gesamten Körper‘, also seine mehrdimensionale Struktur, schließen“, so Kurzbach.

Bedeutendes Protein MAX beschrieben

Ihre Methode demonstrierte das Team an dem Protein MAX. Es kann mit verschiedenen anderen Proteinen als Partner auftreten und z.B. gemeinsam mit dem Protein MYC großen Einfluss auf die „Kopierprozesse“ von DNA in der Zelle nehmen. Die Prozesse, in die MAX involviert sind, können die Zellvermehrung bis hin zu Zelltod fördern.

Es hat sich gezeigt, dass MAX in Konzentrationen, die jenen in Körperzellen entsprechen, ein anderes Spektrum von möglichen Proteinfaltungen aufzeigen als in den Experimenten mit vergleichsweise hoher Konzentration. „Das Faltungsspektrum von MAX ist von entscheidender Bedeutung für das Zusammenarbeiten mit MYC und damit auch für die Vermehrung von gesunden wie auch kranken Zellen im Körper“, so ERC-Preisträger Dennis Kurzbach, der auch stellvertretender Leiter der Core Facility NMR der Fakultät für Chemie ist.

Die neue Methode kann dazu beitragen, den Prozess der Zellvermehrung bis hin zum Tumorwachstum besser zu verstehen und somit Grundmechanismen für die Krebsentstehung aufzuklären. Dies ist nur eines von vielen potenziellen Anwendungsfelder für die neue Methode – übernehmen doch Tausende von Proteinen in unseren Zellen die unterschiedlichsten Aufgaben, darunter bei der Verdauung sowie Regulation von DNA und RNA.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Assoz.-Prof. Dr. Dennis Kurzbach
Institut für Biologische Chemie
Universität Wien
1090 – Wien, Währinger Straße 38
+43-664-60277-70528
dennis.kurzbach@univie.ac.at
https://kurzbach-group.univie.ac.at/

Originalpublikation:

Publikation in “Science Advances”:
Towards Protein NMR at Physiological Concentrations by Hyperpolarized Water –
Finding and mapping uncharted conformational spaces, Ludovica M. Epasto, Kateryna Che, Fanny Kozak, Albina Selimovic, Pavel Kadeřávek, Dennis Kurzbach, Science Advances 2022, 8
DOI: 10.1126/sciadv.abq5179
https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.abq5179

Ergänzende Publikation:
Hyperpolarized water as universal sensitivity booster in biomolecular NMR. Christian Hilty, Dennis Kurzbach, Lucio Frydman, Nature Protocols 2022, 1-37
DOI: 10.1038/s41596-022-00693-8
https://www.nature.com/articles/s41596-022-00693-8

https://medienportal.univie.ac.at/media/aktuelle-pressemeldungen/detailansicht/artikel/pimp-my-spec-upgrade-der-magnetresonanzmethode-mit-1000-fachem-verstaerker/

Media Contact

Theresa Bittermann Öffentlichkeitsarbeit
Universität Wien

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Größte bisher bekannte magnetische Anisotropie eines Moleküls gemessen

An der Berliner Synchrotronstrahlungsquelle BESSY II ist es gelungen, die größte magnetische Anisotropie eines einzelnen Moleküls zu bestimmen, die jemals experimentell gemessen wurde. Je größer diese Anisotropie ist, desto besser…

Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean

20 Jahre nach der Tsunami-Katastrophe… Dank des unter Federführung des GFZ von 2005 bis 2008 entwickelten Frühwarnsystems GITEWS ist heute nicht nur der Indische Ozean besser auf solche Naturgefahren vorbereitet….

Resistente Bakterien in der Ostsee

Greifswalder Publikation in npj Clean Water. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) hat die Verbreitung und Eigenschaften von antibiotikaresistenten Bakterien in der Ostsee untersucht. Die Ergebnisse ihrer Arbeit…