Verfahren zur einfachen Herstellung vizinaler Diamine
Ein Team um Prof. Dr. Frank Glorius vom Organisch-Chemischen Institut der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster stellt in der Fachzeitschrift „Nature Catalysis“ einen neuen, direkten Weg vor, auf dem unsymmetrische vizinale Diamine hergestellt werden können. Diese Strukturen sind für die Funktion von biologisch aktiven Molekülen, Naturprodukten und Arzneimitteln relevant.
Zu den häufigsten Strukturen, die für die Funktion von biologisch aktiven Molekülen, Naturprodukten und Arzneimitteln relevant sind, gehören sogenannte vizinale Diamine – insbesondere unsymmetrisch aufgebaute Diamine. Vizinale Diamine enthalten zwei für die Stoffeigenschaften verantwortliche funktionelle Atomgruppen mit jeweils einem Stickstoffatom, die an zwei benachbarte Kohlenstoffatome gebunden sind. Ein Team um Prof. Dr. Frank Glorius vom Organisch-Chemischen Institut der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster stellt nun in der Fachzeitschrift „Nature Catalysis“ einen neuen, direkten Weg vor, auf dem vizinale Diamine hergestellt werden können.
Das Verfahren kommt im Gegensatz zu anderen, weniger passgenauen Methoden ohne den Einsatz von Übergangsmetallen und Jodreagenzien als Katalysatoren aus. Die Forscher nutzen stattdessen Lichtenergie, um die gewünschten Diamine aus verschiedenen elektronenreichen aromatischen Kohlenwasserstoffen (Arene und Heteroarene) herzustellen. „Wir erhalten so eine Reihe von bisher schlecht herstellbaren vizinalen Diaminen. Dabei können wir die Stellen, an denen die funktionellen Gruppen sitzen, passgenau steuern“, erläutert Erstautor Dr. Guangying Tan.
Die Chemiker entwickelten dazu eine Klasse spezieller Stickstoffradikalvorläufer, die über einen Energietransferprozess gleichzeitig zwei stickstoffzentrierte Radikale mit unterschiedlicher Reaktivität erzeugen. Durch die „regioselektive“ schrittweise Addition zweier dieser Radikale über Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindungen stellen die Wissenschaftler die unsymmetrischen vizinalen Diamine her. „Regioselektiv“ bedeutet, dass die Reaktion an definierten Stellen der Moleküle stattfindet. Die funktionellen Gruppen (Aminogruppen) können anschließend weiter verändert werden. Dass die so synthetisierten Diamine nicht symmetrisch sind, eröffnet im Gegensatz zu einer symmetrischen Struktur eine wesentlich größere Vielfalt der infrage kommenden funktionellen Gruppen.
„Die Moleküle des Lebens bestehen größtenteils aus Kohlenstoffketten und -ringen unterschiedlicher Größe und Komplexität. Die Dekoration dieser ‚schlichten‘ Ketten mit anderen Elementen ist dabei entscheidend für die resultierenden Eigenschaften dieser Verbindungen“, erläutert Frank Glorius den Hintergrund. Eine Schlüsselrolle komme dabei den Elementen Sauerstoff und Stickstoff zu. Diese Nicht-Kohlenstoff-Elemente bezeichnen Chemiker als Heteroatome. „Methoden zur effizienten und kontrollierten Einführung dieser Heteroatome in künstlich hergestellte, biologisch aktive Wirkstrukturen sind daher von großer Bedeutung“, unterstreicht Frank Glorius. „Das betrifft auch die von uns in den Blick genommenen vizinalen Diamine.“
Die Diaminierungsreaktion führen die Chemiker unter Bestrahlung mit blauen Leuchtdioden (LEDs) und unter Verwendung eines kostengünstigen und handelsüblichen Thioxanthons als organischer Photosensibilisator durch.
Die Studie wurde von der „Alexander von Humboldt-Stiftung“, dem Fonds der Chemischen Industrie (106151) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (SFB 858) finanziell unterstützt.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Frank Glorius
Telefon: +49 251 8335345
E-Mail: glorius@uni-muenster.de
Originalpublikation:
Guangying Tan, Mowpriya Das, Roman Kleinmans, Felix Katzenburg, Constantin Daniliuc, and Frank Glorius (2022): Energy Transfer-Enabled Unsymmetrical Diamination Using Bifunctional Nitrogen-Radical Precursors. Nature Catalysis; DOI: https://doi.org/10.1038/s41929-022-00883-3
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