Vertrauen Sie Ihrem Bauchgefühl – RNA-Protein-Entdeckung für eine bessere Immunität
HIRI-Forscher entschlüsseln Kontrollmechanismen der Polysaccharidverwertung in Bacteroides thetaiotaomicron.
Forschende des Helmholtz-Instituts für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) und der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg haben ein Protein sowie eine Gruppe kleiner Ribonukleinsäuren (sRNAs) in Bacteroides thetaiotaomicron identifiziert, die den Zuckerstoffwechsel regulieren. Diese Entdeckungen geben Aufschluss darüber, wie sich dieses Darmbakterium an wechselnde Ernährungsbedingungen anpasst. Die Erkenntnisse vertiefen das Verständnis der Rolle dieses Bakteriums im menschlichen Darm und könnten den Weg für neue therapeutische Ansätze ebnen, um die Gesundheit durch die Mikrobiota zu fördern. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.
Der Darm spielt eine entscheidende Rolle für die menschliche Gesundheit. Die Zusammensetzung der Mikrobiota und ihre Funktionen für das menschliche Wohlbefinden werden stark davon beeinflusst, wie gut sich Bakterien an die ständig wechselnden Bedingungen im Darm anpassen. Die Frage, wie sich Darmkommensalen an tägliche Nährstoffschwankungen anpassen, ist daher ein zentrales Thema der Mikrobiota-Forschung geworden.
Obwohl sich das mikrobielle Ökosystem des Darms von Person zu Person unterscheidet, finden sich einige Arten häufig. Eine dieser Arten ist Bacteroides thetaiotaomicron. Diese Mikroben besitzen Dutzende verschiedener Multiproteinkomplexe, die an spezifischen Stellen im Genom, den sogenannten Polysaccharidverwertungsloci (PULs), kodiert sind. PUL-Komplexe ermöglichen es den Bakterien, spezifische Polysaccharide zu binden, abzubauen und aufzunehmen, und tragen so zu ihrer erfolgreichen Kolonisierung im Darm bei. Die Produktion von PUL-Komplexen wird auf transkriptionaler Ebene streng reguliert. Wie PULs jedoch posttranskriptional gesteuert werden, um sich an Umweltveränderungen anzupassen, war bisher weitgehend unbekannt. Wissenschaftler des Helmholtz-Instituts für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) in Würzburg, einer Einrichtung des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Kooperation mit der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU), sowie des Lehrstuhls für Mikrobiologie an der JMU haben diese Herausforderung angenommen. In Zusammenarbeit mit der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee (USA), und der University of Toronto in Kanada erzielten sie bedeutende Fortschritte durch eine Reihe von in vitro– und in vivo-Experimenten.
„Unsere Untersuchungen haben ein bemerkenswert komplexes RNA-basiertes Regulationssystem für die Steuerung der PUL-Expression in B. thetaiotaomicron aufgedeckt“, erklärt Alexander Westermann, korrespondierender Autor der Studie, die in Nature Communications veröffentlicht wurde. „Das ergänzt frühere Arbeiten, die sich auf transkriptionelle Kontrollmechanismen konzentrierten“, fügt er hinzu.
Ein komplexes Netzwerk
Im Zentrum dieses Netzwerks steht das RNA-bindende Protein RbpB: „Wir haben festgestellt, dass das Fehlen von RbpB die Kolonisierung des Darms erheblich beeinträchtigt“, berichtet Ann-Sophie Rüttiger, Erstautorin der Studie und Doktorandin in Alexander Westermanns Labor.
Die funktionelle Analyse ergab, dass RbpB mit Hunderten von zellulären Transkripten interagiert. Dazu gehört eine Gruppe paraloger nicht-kodierender RNA-Moleküle (Familie paraloger sRNAs, kurz FopS) mit 14 Mitgliedern. Gemeinsam steuern RbpB und FopS katabolische Prozesse und gewährleisten, dass sich die Mikroben optimal an wechselnde Nährstoffbedingungen anpassen können. „Diese Studie hat unser Verständnis der RNA-koordinierten Stoffwechselkontrolle erweitert, die entscheidend für die Fitness dominanter Mikrobiota-Arten ist“, ergänzt Rüttiger.
Zukünftige Studien werden die Struktur von RbpB genauer untersuchen und die Schlüsselmechanismen für die RNA-Bindung identifizieren. Das Team plant außerdem, die funktionellen Ähnlichkeiten zwischen RbpB und anderen RNA-bindenden Proteinen zu analysieren, um zentrale posttranskriptionale Knotenpunkte in anderen Darmmikrobiota-Arten aufzudecken.
Ein tiefgehendes Wissen über die Funktionen bakterieller Gene und Proteine könnte wesentlich dazu beitragen, neue therapeutische Ansätze zur Bekämpfung von Infektions- und Darmerkrankungen sowie zur Förderung der Gesundheit durch Manipulation der Bioaktivitäten der Darmmikrobiota zu entwickeln. „Unsere Ergebnisse bieten einen vielversprechenden Ansatz, um dieses mikrobielle Konsortium besser zu verstehen und für neue Behandlungsstrategien nutzbar zu machen“, schließt Westermann.
Förderung
Die Studie wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Einzelförderung für Alexander J. Westermann) und dem Europäischen Forschungsrat (ERC Starting Grant für Alexander J. Westermann) gefördert.
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung
Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig und an weiteren Standorten in Deutschland beschäftigen sich mit der Erforschung bakterieller und viraler Infektionen sowie der Abwehrmechanismen des Körpers. Sie verfügen über umfangreiche Expertise in der Forschung zu Naturstoffen und deren Nutzung als wertvolle Quelle für neuartige Antiinfektiva. Als Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) betreibt das HZI translationale Forschung, um die Grundlage für die Entwicklung neuer Behandlungs- und Impfstrategien gegen Infektionskrankheiten zu schaffen.
Webseite: https://www.helmholtz-hzi.de/de
Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung
Das Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) ist die weltweit erste Einrichtung, die Ribonukleinsäure-(RNA-)Forschung mit Infektionsbiologie kombiniert. Basierend auf neuartigen Erkenntnissen aus seinem starken Grundlagenforschungsprogramm verfolgt das Institut das langfristige Ziel, innovative therapeutische Ansätze zu entwickeln, um menschliche Infektionen besser diagnostizieren und behandeln zu können. Das HIRI ist ein Standort des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Kooperation mit der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) und befindet sich auf dem Medizin-Campus Würzburg. Weitere Informationen unter https://www.helmholtz-hiri.de.
Originalquelle: https://www.helmholtz-hzi.de/de/medienzentrum/newsroom/news-detail/neuartige-einblicke
Originalpublikation
Ann-Sophie Rüttiger, Daniel Ryan, Luisella Spiga, Vanessa Lamm-Schmidt, Gianluca Prezza, Sarah Reichardt, Madison Langford, Lars Barquist, Franziska Faber, Wenhan Zhu & Alexander J. Westermann
Journal: Nature Communications
Artikel: The global RNA-binding protein RbpB is a regulator of polysaccharide utilization in Bacteroides thetaiotaomicron
Erscheinungsdatum: 2. Januar 2025
DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-024-55383-8
Pressekontakt
Luisa Haertig
Managerin Kommunikation
Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI)
E-Mail: luisa.haertig@helmholtz-hiri.de
Telefon: +49 (0)931 31 86688
Quelle: (IDW)
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