Von der Natur abgeschaut – Keramische Werkstoffe und Technologien für personalisierte Implantate
Individuell angepasste Implantate, die vollständig in den Körper integriert und langfristig durch eigene Knochensubstanz ersetzt werden – dieser Gedanke kann bald Wirklichkeit werden. Möglich wird dies durch eine am Fraunhofer IKTS entwickelte keramische Material- und Verfahrenskombination.
Ein menschlicher Knochen besteht aus einer dichten und festen äußeren Hülle (substantia corticalis) und einer inneren porösen Füllung (substantia spongiosa). Um solche in ihrer Struktur unterschiedlichen Knochen künftig als Implantat nachbilden zu können, wurden am Fraunhofer IKTS spezielle keramische Materialien entwickelt und zwei Technologien intelligent miteinander verknüpft: Die patientenspezifische, feste äußere Hülle des Knochens kommt dabei aus dem 3D-Drucker. Die schwammartige innere Knochenstruktur wird durch einen keramischen Schaum nachgebildet.
Vom keramischen Schaum zum Knochenimplantat
In einem ersten Schritt entwickelten die IKTS-Forscher um Dr. Matthias Ahlhelm aus keramischen Materialien wie Hydroxylapatit, Zirkonoxid oder auch Mischungen aus beiden über die sogenannte Gefrierschäumung poröse, knochenähnliche Strukturen.
Bei diesem Verfahren wird der Umgebungsdruck um eine wässrige, keramische Suspension in einem Gefriertrockner abgesenkt, wodurch die Suspension erst aufschäumt und dann schlagartig gefriert. Das enthaltene Wasser sublimiert, d. h. es verdunstet ohne vorher flüssig zu werden. Durch die anschließende Wärmebehandlung entsteht ein fester keramischer Schaum.
Biokompatibilität in Studien bestätigt
Die Biokompatibilität und -verträglichkeit dieser keramischen Schäume wurde in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT in-vitro getestet. Dabei brachten die Wissenschaftler zunächst Fibroblastzellen von Mäusen auf die keramische Oberfläche auf und belegten, dass die Zellen prinzipiell auf dem Keramikschaum überleben und darüber hinaus sogar Stoffwechsel betreiben.
Um die nachgewiesene Biokompatibilität auch auf menschliche Zellen übertragen zu können, wurden anschließend humane mesenchymale Stammzellen aus dem Knochenmark, sogenannte Vorläuferzellen des Bindegewebes, verwendet. Mit Hilfe eines Markers konnte das Stoffwechselprodukt Kollagen auf der Keramikoberfläche sichtbar gemacht werden, was auf eine aktive Stoffwechselreaktion der Stammzellen schließen lässt.
Die Ergebnisse zeigen, dass diese Stammzellen den Keramikschaum besiedeln und befähigt sind, in unterschiedliche Zell- bzw. Gewebetypen, z. B. in Knochen- oder Muskelzellen, zu differenzieren. Dies ist ein wichtiges Indiz für die Biokompatibilität und -verträglichkeit dieser keramischen Materialien.
Eine gedruckte Hülle für den Knochen
Im nächsten Schritt suchten die Forscher nun ein Verfahren, um die porösen knochenähnlichen Strukturen mechanisch stabiler zu machen und zudem die patientenspezifische Knochenform zu realisieren. Die Wissenschaftler des Fraunhofer IKTS nutzten dabei ihre langjährigen Erfahrungen im Bereich der additiven Fertigung.
Mit dem ausgewählten 3D-Druckverfahren der Lithographie-basierten keramischen Fertigung (LCM) gelang es, einzelne Röhren, Halbschalen oder komplexe knochenähnliche Hüllen zu drucken – und das aus den gleichen Materialien wie die poröse Schaumkeramik. Entsprechend der 3D-Daten wird ein blaues Lichtprofil auf eine mit photosensitiven Monomeren gemischte keramische Suspension projiziert und diese genau an den belichteten Stellen ausgehärtet.
Schicht für Schicht entsteht so eine komplexe dreidimensionale Struktur. Im letzten Schritt wurden die beiden Verfahren miteinander kombiniert: In die gedruckten knochenähnlichen Hüllen wurde die keramische Suspension gefüllt und mittels Gefrierschäumung aufgeschäumt. Eine Herausforderung stellt derzeit noch die gemeinsame Wärmebehandlung der beiden strukturell unterschiedlichen Komponenten dar. Hier gilt es, das unterschiedliche Schwindungsverhalten der Materialien so aufeinander abzustimmen, dass es weder zu Rissen noch zu Verformungen in der Komponente kommt.
„Im Ergebnis dessen entsteht eine komplexe Struktur, die aufgrund der Verbindung von dichter äußerer Hülle und porösem Inneren den Weg zu personalisierbaren knochenähnlichen Implantaten ebnet, die bioaktiv und robust sind“, erklärt Dr. Matthias Ahlhelm, Wissenschaftler am Fraunhofer IKTS. „In naher Zukunft stehen erste In-vivo-Versuche an, in denen eventuelle Entzündungsreaktionen auf die keramischen Knochen sowie das Einwachsverhalten untersucht werden“, führt Ahlhelm fort. Hier arbeitet das Fraunhofer IKTS eng mit dem Fraunhofer IZI zusammen.
Die am Fraunhofer IKTS entwickelten keramischen Implantate könnten so künftig eine vielversprechende Lösung für die wiederherstellende Chirurgie sein, zum Beispiel bei Knochenkrebspatienten oder im Bereich Mund, Kiefer und Gesicht.
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