Wachstum von Biosilikat-Skeletten in Schwämmen

Mikroskopische Abbildung der Fasern eines Glasschwamms der Art Euplectella.
(c) H. Ehrlich / TU Bergakademie Freiberg

Neue Rolle des Proteins Aktin nachgewiesen.

Mittels moderner bioanalytischer Methoden konnte ein internationales Forschendenteam unter Leitung von Biomineralogen der TU Bergakademie Freiberg das Protein Aktin in Glass-Strukturen von Schwämmen nachweisen. Als frei bewegliche Struktur sorgt das Protein in Glasschwämmen für die Bildung von bis zu drei Meter langen Fasern, berichtet das Team in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Advanced Science.

Seit mehr als 500 Millionen Jahren formen über 15.000 Arten von Horn- und Glasschwämmen faszinierende Skelettstrukturen aus natürlichen Siliziumdioxid-haltigen Glasfasern. Daraus bilden Schwämme ihr dreidimensionales Gewebe und halten sich am Untergrund fest. Einzelne Glasfaser-Skelettkonstruktionen können bis zu drei Meter lang und bis zu sechs Kubikmeter groß werden. Für die Bildung des Grundgerüstes sind verschiedene organische Biopolymere verantwortlich. Bisher unbekannt war, welche Proteine und Mechanismen die Vielfalt der Glasfaser-Formen im untersuchten Wassertemperaturbereich von -1.9 bis 24 Grad Celsius steuern.

Analytik klärt Struktur der Bio-Glasfasern auf Nano- und Molekularebene

Im ersten Schritt demineralisierten die Forschenden der TU Bergakademie Freiberg unterschiedliche Glasfasern von mehr als zehn Schwammarten mit einer speziellen Flusssäure-Lösung. Moderne Mikroskopie-Methoden ermöglichten dem Team dann einen genauen Einblick in die Nano- und Molekularstruktur der Fasern: In deren Mitte identifizierten sie eindeutig ein Strukturprotein namens Aktin. Hemmte das Team dieses Protein mit einem Inhibitor in Laborexperimenten mit jungen Schwämmen, stoppte sofort auch das Wachstum der Glasfasern.

Der Freiberger Professor für Biomineralogie Prof. Hermann Ehrlich folgert demnach: „Aktin ist für die Verzweigung und sehr komplizierte Architektur des Glasfaser-Skeletts in allen untersuchten Meeres- und Süßwasser-Schwämmen verantwortlich. Entlang der als Baugerüst agierenden Aktin-Struktur heften sich sogenannte Silikatein-Moleküle an, reagieren dort zu Siliziumoxid und formen so die vielfältigsten Gewebe-Skelette in der Natur. Die Aktin-Struktur kann sich dabei frei in jede Richtung bewegen und die sogenannte Sklerozyten-Zelle verlassen.“ Sklerozyten sind spezialisierte Zellen, welche die biologischen Glasfasern bilden.

Für das Protein ergibt sich damit eine bisher unbekannte Rolle: „Da Aktin als rein intrazelluläres Protein verstanden wurde, hat bisher niemand in extrazellulären Strukturen, wie den Bio-Glasfasern, danach gesucht“, so Prof. Hermann Ehrlich. Das Forschendenteam, dem neben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Freiberg auch Forschende aus den USA, Polen, Russland und der Tschechien angehören, vermutet nun, dass F-Aktin im Laufe der evolutionären Entwicklung der Glasschwämme die Fähigkeit erwarb, auch außerhalb von Sklerozyten-Zellen neue Glasfasern zu bilden.

Hintergrund: Herkunft der gezüchteten Schwämme

Bei Zucht und Ankauf der verwendeten Schwämme aus einer Zuchtanlage in Tunesien wurden alle Vorgaben des Nagoya-Protokolls für den Zugang zu genetischen Ressourcen und einen gerechten Vorteilsausgleich eingehalten.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. rer. nat. Herrmann Ehrlich, herrmann.ehrlich@esm.tu-freiberg.de

Originalpublikation:

Herrmann Ehrlich et al.: Arrested in Glass: Actin within Sophisticated Architectures of Biosilica in Sponges, Advanced Science https://doi.org/10.1002/advs.202105059

http://www.tu-freiberg.de/

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