Was Klimakapriolen bei Pflanzen auslösen können
Der Klimawandel dürfte Pflanzen nicht nur durch Wetterextreme beeinflussen. Auch eine ungewohnte Kombination neutraler Reize – warme und kurze Tage – kann Reaktionen wie Missbildungen der Blätter auslösen.
Pflanzen und andere Organismen können sich in gewissen Grenzen an schwankende Umweltbedingungen anpassen. Die Blätter des Löwenzahns zum Beispiel sind an sonnigen Standorten deutlich kleiner als an schattigen Plätzen. In der Sonne genügt weniger Blattfläche, um ausreichend Photosynthese zu treiben. Das macht Sinn und ist in der genetischen Programmierung des Löwenzahns so vorgesehen.
Von ihrer normalen Programmierung können Pflanzen aber abweichen, wenn sie unter andauerndem Hitzestress oder anderen extremen Einflüssen stehen, die ihr Überleben gefährden. Sie entwickeln dann zum Beispiel eine große Bandbreite von Blattformen, die es unter natürlichen Bedingungen nur extrem selten gibt. Die Wissenschaft spricht in diesem Fall von „versteckten Reaktionsnormen“.
Kannenpflanzen in Klimakammern kultiviert
Durch welche Einflüsse sich diese Reaktionen hervorrufen lassen, war bislang weitgehend unbekannt. Doch gerade angesichts des Klimawandels möchten Forscherinnen und Forscher Antworten auf diese Frage finden.
Ein internationales Forschungsteam zeigt nun im Journal Proceedings of the Royal Society B, welche Vielfalt an missgestalteten Blättern die fleischfressende australische Kannenpflanze Cephalotus follicularis bilden kann. Um diese versteckten Reaktionsnormen hervorzukitzeln, ließen sie die Pflanzen zwölf Wochen lang unter unterschiedlichen Bedingungen in Klimakammern wachsen.
„Die versteckte Reaktionsnorm dieser Pflanze konnte aufgedeckt werden, wenn ungewöhnliche Kombinationen von positiven oder neutralen Umweltreizen herrschen“, sagt der Pflanzenforscher Dr. Kenji Fukushima von der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg. Dann weicht die Pflanze von ihrer Programmierung ab, der zufolge sie entweder flache, photosynthetisch aktive Blätter oder zu Insektenfallen umgestaltete Blätter bildet.
Reaktion auf kurze Tage mit hohen Temperaturen
Wuchsen die Pflanzen bei sommerlichen Temperaturen, aber mit nur wenigen Stunden Licht, bildeten sie vermehrt missgestaltete Blätter. Das sind genau die Bedingungen, wie sie durch den Klimawandel in vielen Regionen der Erde immer öfter vorkommen: Kurze Frühlings- oder Herbsttage, an denen es für die Jahreszeit zu warm ist.
Die Schlussfolgerung von Dr. Fukushima und seinen Co-Autoren vom National Institute for Basic Biology in Okazaki (Japan): „Es ist zu erwarten, dass der Klimawandel nicht nur durch extreme Einflüsse Reaktionen bei Organismen hervorruft, sondern auch durch ungewöhnliche Kombinationen von Einflüssen, die für sich genommen eigentlich positiv sind.“
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Kenji Fukushima, Universität Würzburg, kenji.fukushima@uni-wuerzburg.de
Originalpublikation:
Kenji Fukushima, Hideki Narukawa, Gergo Palfalvi, Mitsuyasu Hasebe. A discordance of seasonally covarying cues uncovers misregulated phenotypes in the heterophyllous pitcher plant Cephalotus follicularis. Proceedings of the Royal Society B, 27. Januar 2021, Open Access, https://doi.org/10.1098/rspb.2020.2568
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie
Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.
Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.
Neueste Beiträge
Spitzenforschung in der Bioprozesstechnik
Das IMC Krems University of Applied Sciences (IMC Krems) hat sich im Bereich Bioprocess Engineering (Bioprozess- oder Prozesstechnik) als Institution mit herausragender Expertise im Bereich Fermentationstechnologie etabliert. Unter der Leitung…
Datensammler am Meeresgrund
Neuer Messknoten vor Boknis Eck wurde heute installiert. In der Eckernförder Bucht, knapp zwei Kilometer vor der Küste, befindet sich eine der ältesten marinen Zeitserienstationen weltweit: Boknis Eck. Seit 1957…
Rotorblätter für Mega-Windkraftanlagen optimiert
Ein internationales Forschungsteam an der Fachhochschule (FH) Kiel hat die aerodynamischen Profile von Rotorblättern von Mega-Windkraftanlagen optimiert. Hierfür analysierte das Team den Übergangsbereich von Rotorblättern direkt an der Rotornabe, der…