Wenn Blutsauger die Nase voll haben
Gelbfiebermücken dienen als Hauptüberträger gefährlicher Krankheiten, unter anderem von Gelbfieber und Denguefieber. Blutmahlzeiten sind eine Voraussetzung dafür, dass Mückenweibchen die Eientwicklung abschließen können; beim Blutsaugen übertragen sie Krankheitserreger auf den Wirt. „Die Wirtssuche, die zur Blutmahlzeit führt, beruht hauptsächlich auf Geruchsreizen“, erläutert der Marburger Biologe Professor Dr. Joachim Schachtner, dessen Arbeitsgruppe wesentliche Vorarbeiten zu der neuen Veröffentlichung durchführte.
Die paarigen Antennalloben bilden die ersten Verarbeitungszentren für Geruchssignale im Insektenhirn. „Diese Hirnregionen haben entscheidenden Anteil an der Steuerung von Verhaltensweisen, die auf Geruchsreizen beruhen“, führt Schachtner aus. So weiß man, dass sich nach einer Blutmahlzeit das Verhalten der Mückenweibchen verändert:
Sie fliegen zum Beispiel weniger und reagieren kaum auf Signale, die von einem Wirtstier ausgehen. Auch geruchsempfindliche Neurone im Insektenhirn ändern ihre Aktivität. Sobald die Eireifung vervollständigt ist und die Weibchen ihre Eier abgelegt haben, steigt die Reaktion auf Wirtssignale wieder an.
Nach einer Blutmahlzeit werden in den Antennalloben Botenstoffe ausgeschüttet, zum Beispiel Neuropeptide, die die Verarbeitung von Geruchsinformationen und damit das Verhalten der Insekten beeinflussen. „Bisher gab es noch keine Studien, die untersuchen, welchen Effekt die Ausschüttung von Neuropeptiden in diesen Gehirnregionen auf das Blutsaugverhalten der Mücken hat“, sagt der Biologe Peter Christ, der als Erstautor der Veröffentlichung firmiert.
Die Autorinnen und Autoren nutzten das Verfahren der Massenspektrometrie, um Änderungen in der Konzentration mehrerer Neuropeptide zu verfolgen. Das Resultat: Nachdem die Mückenweibchen Blut gesaugt haben, ändert sich die Ausschüttung in den Antennalloben. Das gilt insbesondere für die Neuropeptide Allatostatin-A sowie short Neuropeptide F (sNFP und AstA).
Wie wirken diese Neuropeptide auf das Verhalten der Insekten? Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gingen dieser Frage mit weiteren Experimenten nach. Das Team injizierte sNFP und AstA in Mücken, die noch keine Blutmahlzeit zu sich genommen hatten und daher einen starken Hang zeigten, zum nächsten Wirt zu fliegen.
Das Ergebnis ist eindeutig: Beide Substanzen bewirken, dass sich die Wirtssuche der Tiere abschwächt. Verabreicht man eine Mischung der zwei Botenstoffe, verstärkt sich der Effekt; die Insekten zeigen so gut wie kein Interesse mehr an menschlichen Geruchssignalen – fast so, als ob sie satt wären. „Unsere Befunde legen nahe, dass die Neuropeptide Allatostatin-A und short Neuropeptide F zusammenwirken, um das Verhalten zu steuern, das vom Geruch der Wirtstiere hervorgerufen wird“, schlussfolgert das Autorenteam.
Professor Dr. Joachim Schachtner lehrt Tierphysiologie am Fachbereich Biologie und amtiert als Vizepräsident der Philipps-Universität. Die Studie basiert auf Ergebnissen aus Peter Christs Doktorarbeit, die er zur Hälfte in Schachtners Labor und andernteils an der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften angefertigt hat. Darüber hinaus beteiligten sich Koautoren des Max-Planck-Instituts für Terrestrische Mikrobiologie in Marburg sowie der Universität Kopenhagen an den zugrundeliegenden Forschungsarbeiten, die durch den Schwedischen Forschungsrat Vetenskapsrådet finanziell gefördert wurden.
Originalveröffentlichung: Peter Christ & al.: Feeding-induced changes in allatostatin-A and short neuropeptide F in the antennal lobes affect odor-mediated host seeking in the yellow fever mosquito, Aedes aegypti, PLOS ONE 2017, DOI: https://doi.org/10.1371/journal.pone.0188243
Weitere Informationen:
Ansprechpartner: Professor Dr. Joachim Schachtner,
Fachgebiet Tierphysiologie
Tel.: 06421 28 23414
E-Mail: joachim.schachtner@biologie.uni-marburg.de
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